Aus dem privaten Corona-Projekt eines Kölner Paars ist inzwischen ein Start-up-Unternehmen geworden. Roadbirds vermietet individuell ausgebaute Wohnmobile.
Raumwunder zum ReisenKölner Paar vermietet eigenhändig umgebaute Wohnmobile
Das erklärte Ziel von Kristina Krauter und Zoltan Pall scheint paradox. „Wir wollen Freiraum schaffen auf fünf Quadratmetern“, sagt Krauter. Fünf Quadratmeter, so viel Ladefläche bieten die Ford-Transits, die Krauter und ihr Freund Zoltan Pall umbauen zu Wohnmobilen. „Der Ausbau ist unser USP“, sagt die 35-Jährige, die nach ihrem Banking- und Finance-Studium in London und Berlin fünf Jahre beim Handelskonzern Metro gearbeitet hat. Als Brand-Managerin kennt sie sich aus mit dem Marketing-Sprech. Der Unique Selling Point (USP), also das Alleinstellungsmerkmal, ist das Wichtigste bei der Einführung eines neuen Produkts.
Das „Produkt“ bauten sie sich zunächst nur für den Eigenbedarf. Und auch nur aus der Not. „Wir wollten eigentlich ein Jahr auf Weltreise gehen“, erzählt Krauter, die Lust hatte, auch beruflich noch einmal neu anzufangen. Nach der Reise wollte sie nach Madrid auswandern, ihr Freund Zoltan, den sie 2018 kennengelernt hatte, war auch dafür. „Als Architekt konnte ich mir schönere Häuser als die in Köln vorstellen“, sagt der 36-Jährige, der vor elf Jahren aus Ungarn kam und zunächst in Wuppertal lebte, augenzwinkernd. Krauter unterschrieb den Aufhebungsvertrag bei ihrem Arbeitgeber. Dann kam Corona.
Am Computer den Innenausbau für ersten Van entworfen
„Man konnte dann ja nur noch im eigenen Fahrzeug unterwegs sein“, erinnert Krauter an die Ausnahmeregelungen, die ab März 2020 zum Alltag wurden. Fliegen war also keine Option mehr. Im Internet entdeckte Pall das passende Vehikel. In Essen kaufte er für 12.000 Euro einen acht Jahre alten Van von Iveco. Durch seine Surfer-Freunde, die immer mit einem Bulli unterwegs waren, hatte er schon mit dem Gedanken gespielt, mit einem Wohnmobil zu verreisen.
„Wir waren vorher noch nie campen, wussten aber, dass wir es in unserem Wohnmobil einfach schön und vor allem mehr Platz haben wollten“, so Pall. In handelsüblichen Mobilen nähmen beispielsweise Toilette, Dusche und Bett viel zu viel Platz ein. „Wir haben dafür andere Lösungen gefunden.“ Als Architekt nutzte Pall ein spezielles Programm, mit dem er den Innenausbau am Computer millimetergenau entwerfen konnte. In der Werkstatt seines Vaters in Ungarn werkelte das Paar monatelang an dem Auto, das später der Prototyp ihres Geschäfts werden sollte. „Wir lernten viel in der Zeit, zum Beispiel, dass man nicht unbedingt im Winter den Unterboden-Rost abschleifen muss, weil der bei feuchtem Wetter sofort wiederkommt“, sagt Krauter.
Von Köln über Ungarn und Slowenien bis nach Sardinien
Im Mai 2021 ging es schließlich los. Über Ungarn reiste das Paar nach Slowenien, dann weiter nach Sardinien. Wegen der Corona-Beschränkungen waren Grenzübertritte noch mühsam, weil oft teure Tests nachgewiesen werden mussten. „Dafür war es an vielen Touristen-Orten in der Toskana und in Slowenien wohltuend leer.“ Unterwegs fielen ihnen allerlei Optimierungsmöglichkeiten ein. „Ständig sagten wir Sätze wie ‚Wenn wir den nächsten bauen, machen wir das und das...‘“, erinnert sich Krauter. So reifte die Idee, aus der Auszeit ein Geschäft zu machen. Und doch nicht auszuwandern nach Madrid.
Nach drei Monaten Jungfernfahrt zurück in Köln machten sie Nägel mit Köpfen. Sie bereisten Messen, sammelten Ideen, knüpften Kontakte. Beim Arbeitsamt informierte Krauter sich über die Möglichkeiten einer Unternehmensgründung, schrieb einen Businessplan, sprach mit einer Bank wegen eines Kredits. Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs verbesserte die Startbedingungen für ihre Firma „Roadbirds“ nicht wirklich. „Materialien für den Innenausbau wurden teurer, wir wollten eigentlich mit Schafwolle dämmen statt mit Kunststoff, aber wir mussten finanziell Zugeständnisse machen“, sagt Pall.
Fünf Ford-Transits im Fuhrpark in Köln-Ehrenfeld
Inzwischen besteht ihr Fuhrpark, der in der Halle einer Teppichwäscherei in einem Ehrenfelder Hinterhof untergebracht ist, aus fünf Ford-Transits, von denen zwei noch auf ihren Ausbau warten. „Wir arbeiten mit einem Schreiner und einem Elektriker zusammen, für einen Komplett-Umbau brauchen wir vier bis sechs Wochen.“ Wert legen sie dabei auf nachhaltige und umweltschonende Materialien. Für die Decken- und Wandverkleidung nutzen sie Bambus, für Schränke, Schubelemente und den Küchenblock Pappelholz. Auf das Dach kommen neben einer Dachterrasse, die per Teleskopleiter erreichbar ist, auch Solarpaneele. Der Van soll seinen Energiebedarf so selbst decken.
Auf einer Messe knüpften sie Kontakte zu einem spanischen Smart-Van-Unternehmen. In jedes Auto wird ein Touchscreen eingebaut, über den die gesamte Elektronik des Autos steuerbar ist. Damit Toilette und Dusche innen keinen Platz wegnehmen, haben sie beides kurzerhand nach draußen verlagert. Eine herausnehmbare Toiletteneinheit fährt im hinteren Teil des Vans in einer Schublade mit. Die Dusche ist der Wasserhahn des Spülbeckens, den man dank Schlauchverlängerung durch das Fenster nach draußen mitnehmen kann. Das Bett ist einklappbar und wird tagsüber zu zwei gepolsterten Sitzbänken. „Alle Elemente haben eine größtmögliche Flexibilität“, erklärt Krauter.
Flexibel sind die beiden Gründer auch bei der Preisgestaltung. Wer weniger als 100 Kilometer am Tag fährt, zahlt auch weniger. In der Hochsaison kostet ein Fahrzeug pro Tag 160 Euro. Dafür gehen die beiden auch auf Sonderwünsche ein. Für einen Fahrrad-Enthusiasten bauten sie eine Halterung ein, damit das Rad im Auto mitfahren konnte, und einer Rentnerin, die erstmals ohne ihren verstorbenen Mann auf Campingreise gehen musste, gaben sie Fahrstunden auf dem Ikea-Parkplatz in Ossendorf.
„Manche trauen sich das Fahren mit dem großen Transporter erst nicht zu, aber es ist ganz einfach“, sagt Pall. Und für manche wird es gar zu einer lebensverändernden Erfahrung. Pall und Krauter glauben an ihre Geschäftsidee, ihren Prototyp wollen sie nun allerdings verkaufen, aus ihm sind sie herausgewachsen.