Der Sonic Ballroom an der Oskar-Jäger-Straße wird 25 Jahre alt. Ein Gespräch über mangelnde Alternativkultur in Köln und die Anfänge des Clubs ohne Konzertkonzession.
Sonic Ballroom in Köln wird 25„Gäste kommen nicht her, weil sie gepflegt ein Bier trinken wollen“

Der Sonic Ballroom feiert sein 25-Jähriges Bestehen. Hier treten mehrmals die Woche Punk- und Rockbands auf. Seit 2003 betreiben Antje Buchhorn (l.), Chris Linder und Roman Pauels den Club gemeinsam.
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Als der Sonic Ballroom seinen ersten Geburtstag feiert, es ist das Jahr 2000, ist Chris Linder das erste Mal zu Gast an der Oskar-Jäger-Straße. Er trinkt, lässt alles auf einem Bierdeckel notieren und kommt am nächsten Morgen wieder, um seine Schulden zu begleichen. Der heutige Mitbetreiber erntet verständnislose Blicke. „Wie, du warst gestern hier und kommst heute den Deckel bezahlen?“, sagt Linder.
Früher sei der Deckel üblich gewesen; manch einer sei zum Zahlen auch gar nicht mehr erschienen. „Heute machen wir das noch bei den Stammgästen“, erzählt Roman Pauels, der den Sonic Ballroom vor 25 Jahren als Punk-Rock-Kneipe eröffnete. Als Trio, gemeinsam mit Antje Buchhorn, kümmern sich die Gastronomen seit 2003 um alles: von der Bandbetreuung, über Theke und Programmgestaltung bis zum Getränkeeinkauf.
Sonic Ballroom: Gäste kommen gezielt
An diesem grauen Juli-Tag wirkt der leere Club wie aus der Zeit gefallen: handgeschriebene Preisschilder hängen an der Bar, CDs stapeln sich im Regal, man blickt auf Leopardenmuster über der Theke. Die Außenfassade mit Natodraht ist mit Graffiti übersät, der Innenraum recht düster. Der Club ist weder hip noch schnieke, davon zeugen Hunderte von Aufklebern überall. Im recht engen Konzertraum kann es bei den regelmäßigen Punk-Rock-Konzerten oder bei der Partynacht mit DJ schwitzig zugehen.
Wer in den Sonic Ballroom kommt, mache das ganz gezielt. „Man muss immer noch die gleichbleibende Musikaffinität haben, sonst kommt man nicht. Das ‚Ball‘ ist laut, das muss man wirklich wollen. Man kommt nicht her, weil man gepflegt ein Bier trinken will“, sagt Buchhorn.

Außenfassade des Sonic Ballroom an der Oskar-Jäger-Straße: Das Schild befindet sich über dem ehemaligen Eingang.
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Laufpublikum gebe es ohnehin keines mehr, seit Ehrenfeld aufgrund der Gentrifizierung Clubs wie das 2017 abgerissene Underground verloren hat. „Früher, als es noch Jack in the Box, Heinz Gaul und das Underground gab, war nachts auf dem Bürgersteig was los. Oder es verirrte sich schonmal ein Junggesellinnenabschied her. Jetzt ist es nicht mehr so rappelvoll wie früher.“
Doch es reicht. Denn der Club bedient eine ganz spezifische Nische. „Wir haben international einen guten Namen“, sagt Buchhorn. Verschrieben haben sich die Gastronomen dabei von Anfang an dem musikalischen Programm mit internationalen Bands.
Sonic Ballroom: Chefs lehnen Pay-to-Play-Prinzip ab
Ganz entschieden wenden sie sich hierbei gegen das Prinzip „Pay-to-play“, bei dem auch einige Kölner Clubs von Bands erst einmal eine Art Miete vorlangen oder eine Mindestanzahl an verkauften Tickets. „Bei uns gibt es kein Pay-to-play. Das lehnen wir ab. Bei uns spielen Bands, die das ganze Jahr arbeiten, das Geld zusammenkratzen, um auf Welttournee zu gehen. Roman bucht dann oft Vorbands aus der Region dazu, die sonst nicht auftreten könnten“, sagt Buchhorn. Das wirtschaftliche Risiko werde dann eben geteilt, wenn nur wenige Fans erscheinen.
Sie bedauern, dass es in Köln nicht vergleichbare, alternative Orte für Live-Musik gibt: Es sei ihnen ein Rätsel, dass in kleineren Städten auch drei oder vier ähnliche Läden zu finden seien. In Ehrenfeld habe sich das nächtliche Geschehen Richtung Bahnhof hin verschoben.
Die Clubs dort stünden aber für eine ganze „andere Art“ des Weggehen, bei dem man sowohl Musik als auch Getränke mit der EC-Karte bekomme. Ein EC-Kartenlesegerät sucht man vergebens im Sonic Ballroom: Bei dieser Bezahlform werde zwar häufig behauptet, man gebe Trinkgeld, aber das sei nicht transparent, so Buchhorn.

Im Sonic Ballroom finden pro Woche fünf Konzerte statt, an den Wochenenden gibt es im Anschluss noch Party.
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Sonic Ballroom: Wegen fehlender Konzession geschlossen
Ein Sprung ins Jahr 1999: Roman Pauels übernimmt die Kneipe. Er ist schon länger auf der Suche, fährt mit dem Fahrrad die Gegend ab. Sein Wunsch: eine Lokalität zu finden, die möglichst wenig Stress mit Nachbarn verspricht. Als er das Zum-Vermieten-Schild am Ecklokal „Zum Jägerhof“ sieht und reingeht, „wusste ich sofort, das wird es“, so Pauels. Der Kneipenbetrieb startet, erste Konzerte finden statt: Doch eine entsprechende Konzession besitzt Pauels nicht.
Die Stadt Köln lässt den Laden schließen, nach Klagen und einem Streit vor Gericht übernimmt schließlich das Trio die Geschicke. „Wir haben das Ding auf links gedreht, Schallgutachten erstellen lassen und auf feste juristisch belastbare Füße gestellt“, so Linder. Seitdem läuft der Betrieb ohne große Störfaktoren – vom Nichtraucherschutzgesetz und die Pandemie als Krise mal abgesehen. Auch einen Preis gab es schon für das musikalische Programm von der Bundesbeauftragten für Kultur. Bis zur Rente könne es gerne so weitergehen, sagt Pauels.
Jubiläums-Open-Air: Am Samstag, 3. Aufust feiert der Sonic Ballroom gegenüber des Clubs ein Open-Air-Fest . Von 16 bis 22 Uhr finden Konzerte statt: Es treten Bands wie The Briefs, T.V. Cult und andere auf.