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Ärger in Kölner VeedelUnbekannte überkleben umstrittene Straßennamen

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 Überklebte Straßenschilder in Neuehrenfeld sollen zur Auseinandersetzung mit der deutsche Kolonialgeschichte anregen.  

Neuehrenfeld – Dem Iltis begegnet man zwischen Lenauplatz und Äußerer Kanalstraße beinahe auf Schritt und Tritt. Eine Apotheke hat ihn als Namenszusatz gewählt, ebenso ein Gemüseladen und eine Imbissbude. Kein Wunder. Die Geschäfte liegen alle an der Iltisstraße. Manche, die dort wohnen, oder andere, die zum Einkaufen in die Straße kommen, reagierten verwundert, als sie an einigen Hausecken die Schilder mit dem Straßennamen überklebt vorfanden. Statt „Iltisstraße“ stand dort „Yihetuanstraße“. „Hat man die Straße jetzt tatsächlich umbenannt?“, fragten manche empört. Dass der Name der Iltisstraße – genau wie die Namen von Taku- und Lansstraße – schon seit mehr als zehn Jahren in der Kritik steht, hat im Viertel so ziemlich jeder mitbekommen.

Chinesische Forts bombardiert

Nur vereinzelt trifft man Leute, die glauben, man habe die Straße nach einer Marderart benannt. „Iltis“ war der Name eines deutschen Kanonenboots. Unter dem Kommando von Fregattenkapitän Wilhelm von Lans bombardierten deutsche Marinesoldaten am 17. Juni 1900 in China die Taku-Forts. Die Militäroperation geschah im Verbund mit Einheiten aus Russland, Japan, den USA, Großbritannien, Frankreich, Österreich-Ungarn und Italien.

Sie war der Auftakt zur Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands. Folglich stehen die Straßennamen Taku und Lans ebenfalls in Zusammenhang mit dem Geschehen in dem damals zum Teil auch vom Deutschen Kaiserreich beanspruchten chinesischen Gebiet an der Küste des Gelben Meeres.

Abfällig als Boxeraufstand bezeichnet 

„Yihetuan“ bezeichnet die revoltierenden Kampfsportgruppen, die von den Kolonialmächten abfällig als „Boxer“ bezeichnet wurden. Wörtlich übersetzt heißt es aber „Verband für Gerechtigkeit und Harmonie“. Wer die Straßenschilder überklebt hat, ist nicht bekannt. Offiziell umbenannt sind die Straßen jedenfalls nicht. Dies forderten vor elf Jahren die Ehrenfelder Grünen und riefen damit einen Sturm der Entrüstung hervor.

„Der Kompromiss war damals die Anbringung der erklärenden Tafeln“, berichtet die Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksvertretung, Esther Kings. In der Lansstraße und am Takuplatz ist seitdem auf Messingtafeln nachzulesen, welchen Hintergrund die Straßennamen haben. Erwähnt wird jedoch auch, dass das Viertel landläufig „Chinese-Veedel“ genannt werde und dass die hier Wohnenden „stolz“ darauf seien.

Eine Straße wurde bereits umgewidmet

Das Überkleben der Straßennamen zeige jedoch, dass das Bewusstsein darüber, wen und welche Ereignisse wir mit unseren Straßennamen ehren, präsenter zu sein scheint und sich auch in dieser Richtung gesellschaftlich etwas zu verändern scheint, meint Esther Kings. Zudem sei bereits im Sommer vergangenen Jahres die Wissmannstraße kurzzeitig zur Oury-Jalloh Straße umgewidmet worden.

Befehlshaber in Ostafrika

Damit wurde an einen Geflüchteten aus Sierra Leone erinnert, der 2005 unter nie ganz geklärten Umständen in einer Arrestzelle der Polizei in Dessau starb. Die Wissmann- und die Gravenreuthstraße in Ehrenfeld wurden um 1900 zu Ehren von Befehlshabern im damaligen Deutsch-Ostafrika so benannt. „Diese Würdigung sehen wir mehr als kritisch“, sagt Esther Kings.

Die Namen symbolisierten Unrecht, Völkermorde und eine politische Haltung, die die Grünen strikt ablehnten. Eine Umbenennung habe nichts mit „unsichtbar machen“ zu tun. Es gehe um die Frage, warum Verbrecher öffentlich geehrt werden müssten, um Verbrechen nicht zu vergessen.

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