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StadtentwicklungWie Ehrenfeld sich wandelt

Lesezeit 5 Minuten

Blumenzwiebeln setzte Jürgen Roters am Alpener Platz mit Kerstin Jansen und Jörg-Tammo Reelfs von der Anwohnerinitiative. Jürgen Brock-Mildenberger (r.) vom SPD-Ortsverein nahm den Spaten zu Hilfe.

Ehrenfeld – Der merkwürdige Pavillon auf dem Brachgelände des ehemaligen Güterbahnhofs Ehrenfeld erregte die Aufmerksamkeit von Oberbürgermeister Jürgen Roters. Autoreifen, Beton, Glasflaschen und Blechdosen waren darin verarbeitet. „Die Architektur von Michael Reynolds hat uns dazu inspiriert“, erklärte Martin Schmittseifer, Geschäftsführer der Beschäftigungsinitiative „Jack in the Box“. Der US-amerikanische Architekt ist einer der Vorreiter nachhaltigen Bauens. Schon vor 40 Jahren verwirklichte er in der Wüste New Mexicos Gebäude mit leeren Getränkedosen als Baustoff. So ungewöhnlich und reizvoll diese Art des Recyclings auch sein mag – eine Option für die Bebauung des weitläufigen Geländes stellt es kaum dar. „Das würde bei uns wohl keiner Bauvorschrift standhalten“, sagte Schmittseifer.

Ehemaliger Güterbahnhof: „Es ist die letzte größere noch freie Entwicklungsfläche im Bezirk“, erläuterte Andreas von Wolff, stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamtes, bei der ersten Station des Stadtteilspaziergangs des Oberbürgermeisters durch Ehrenfeld. Eigentümer sei das Unternehmen Aurelis, das zum Teil in Nachfolge der Deutschen Bahn stehe, zu einem anderen Teil US-amerikanischen Investoren gehöre. Zwar gebe es noch keine konkreten Pläne, was hier einmal gebaut werden solle, es deute aber alles darauf hin, dass es ein Gewerbegebiet werde. „Wohnen verbietet sich wohl, wegen des Lärms aus dem angrenzenden Industriegebiet“, sagte von Wolff. Die Geräusche des großen Schrottbetriebs an der Widdersdorfer Straße konnten auch die rund 50 Teilnehmer des Spaziergangs – Parteimitglieder, Mandatsträger, aber auch interessierte Bürger – deutlich vernehmen. Fraglich ist daher, ob das einmal angedachte „Design-Quartier“ – eine Wohnsiedlung mit Werkstätten, Studios und Ateliers für Kreativberufe – hier jemals realisiert werden kann.

Beschäftigungsprojekt „Jack in the Box“

Gleich am alten Güterbahnhof in den ehemals von einem Kartoffelhandel genutzten Gebäuden sind die Werkstätten, Büros sowie eine große Veranstaltungshalle untergebracht. „Bei uns arbeiten hauptsächlich erwerbslose Schlosser, Schreiner sowie Architekten“, erklärte Martin Schmittseifer. Vor allem durch die Idee, ausrangierte Seecontainer hochwertig umzubauen und so zum Wohnen oder Arbeiten nutzbar zu machen, hat sich die Initiative schon weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen gemacht. „Ich denke, wir haben schon einen guten Beitrag zum Wandel in Ehrenfeld geleistet“, resümierte Schmittseifer, bevor die Besuchergruppe in Richtung Helmholtzstraße weiterzog. Vorbei an der Gestaltungs-Akademie „Ecosign“ und der Freien Kunstschule ging es in ein einstmals stark industriell geprägtes Viertel.

Wohnquartier ehemaliges Fabrikgelände Kolb/Seybold: Eine funktionierende Mischung aus Wohnen und Gewerbe wird hier angestrebt. Die Gruppe machte Halt im Innenhof des Wohnblocks, wo sich eine freie Fläche erstreckt. Hier soll noch weiter gebaut werden. In Sichtweite stehen ehemalige Industriehallen, wo heute kleinere Gewerbebetriebe ansässig sind. Dennoch konstatierte Jürgen Roters zunächst: „Ein guter und familiengerechter Standort ist das hier.“

Spontane Diskussion

Eine spontane Diskussion ergab sich, als sich eine Teilnehmerin danach erkundigte, wie die Verwaltung das Thema der unmittelbaren Nachbarschaft von Wohnen und Arbeiten künftig behandeln wolle. Hier sei doch ämterübergreifendes Handeln nötig. Andreas von Wolff erklärte, dass man eine „Strategie der kontrollierten Abwesenheit von Planung“ verfolge. So weit es vertretbar sei, wolle man es zulassen, dass sich Kompromisse von alleine fänden. „Wer in ein solches Gebiet zieht, tut dies in dem Bewusstsein, dass er auch mal eine Lärmquelle in Kauf nehmen muss“, sagte von Wolff. Gute Erfahrungen habe man damit in der Lichtstraße auf dem Vulkangelände gemacht.

Mischgebiet Am Kölner Brett: Gleich vis-à-vis des Wohnblocks klappt die Verbindung recht gut. Davon überzeugte sich die Gruppe bei einem Zwischenstopp in der Stichstraße mit dem kuriosen Namen „Am Kölner Brett“. Die Straßenbezeichnung rührt von den einst hier vom Unternehmen „Messing Müller“ entwickelten und produzierten Gardinenleisten. Wohnen und Arbeiten funktioniert in den hier zum Teil neu gebauten Loftwohnungen bestens. Funktionelle, moderne Architektur mischt hier mit einigen alten, umgebauten Industriehallen. Axel Wirths, der hier mit einem Unternehmen technische Lösungen für Produkt- und Firmenpräsentationenen entwickelt, erläuterte seine Expansionspläne für die ehemaligen Messing-Müller-Hallen. Sie sollen zu Lofts umgebaut werden. Ein derzeit brachliegender Teil des Geländes soll begrünt werden.

Alpener Platz

Nach einem kurzen Seitenblick auf den Helmholtzplatz bogen Jürgen Roters und seine Begleiter, zu denen unter anderem auch Bundestagsmitglied Rolf Mützenich und die Landtagsabgeordnete Gabriele Hammelrath zählten, in die Gumprechtsraße ein und erreichten die Venloer Straße und den Alpener Platz. Warmer Tee und ein trockener Unterstand wurden dort dankbar angenommen. Interessiert ließ sich Roters von engagierten Anwohnern berichten, was in den vergangenen Monaten alles unternommen wurde, um dem Platz ein besseres Aussehen zu verschaffen, damit er zum Treffpunkt für die Nachbarn wird.

Jörg-Tammo Reelfs, Sprecher der Initiative, klagte aber auch darüber, dass die Stadtverwaltung dabei nicht immer kooperativ sei. Für eine von Bürgern gestiftete, dezent lackierte Holzabdeckung für die Begrenzungsmauer habe es zunächst vom Grünflächenamt eine Zusage gegeben, dann aber habe man sie nicht mehr genehmigen wollen, so Reelfs. Roters zeigte sich dankbar für das Engagement. Solche Ideen seien wichtig. Es dürfe nur nicht der Eindruck entstehen, dass sich die Stadt bei der Pflege und Unterhaltung solcher Plätze ganz zurückziehen wolle.

Rochusplatz

Die letzte Station des Rundgangs wurde aus Zeitmangel kurzerhand gestrichen. Eigentlich sollte Roters auch das Eckgrundstück Venloer Straße/Äußere Kanalstraße rund um die Rochuskapelle in Augenschein nehmen. Nach dem Abbruch des Hallenbades Bickendorf sollte das Areal neu genutzt werden. Verschiedene Varianten mit unterschiedlicher Flächenaufteilung für Wohnen, Gewerbe und öffentliche Plätzen werden derzeit diskutiert. „Das ist natürlich ärgerlich, weil gerade heute am Markttag gut zu erkennen gewesen wäre, wie viel Platzfläche hier für den Markt und andere Veranstaltungen benötigt wird“, kommentierte Markus Fräger aus Bickendorf die Entscheidung. Er gehört zu den Befürwortern einer Verlegung der Fahrbahn der Venloer Straße im Bereich der Rochuskapelle. So soll ein attraktiverer Platz entstehen. Das Thema der künftigen Bebauung des Rochusplatzes ist noch nicht abschließend entschieden. „Hoffentlich wird das bald nachgeholt“, meinte Fräger enttäuscht.