Spielwaren van Dillen am Lindenthalgürtel scheint aus der Zeit gefallen. Nun muss der Inhaber aufhören.
Nach 45 JahrenEiner der ältesten Spielzeugläden Kölns schließt

Dieter van Dillen gründete den Laden vor 45 Jahren ganz spontan. Im Vordergrund eine seiner Spezialitäten: eine Miniausgabe des BMW-Silberpfeils.
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Filmausstatter müssen viel Mühe darauf verwenden, solch eine Atmosphäre zu schaffen. In Dieter van Dillens Spielwarengeschäft ist sie in 45 Jahren natürlich gewachsen. Blechspielzeug, Schaukelpferde, Barbie-Puppen, Steiff-Tiere, Dinosaurier, Laufräder, Kaufläden – auf 70 Quadratmetern hat er die Welt mehrerer Kindergenerationen zusammengetragen. Doch nun startet er seinen letzten Weihnachtsverkauf im Geschäft am Lindenthalgürtel/ Ecke Bachemer Straße. Der 85-Jährige hört aus Altersgründen auf.
Köln verliert damit einen der ältesten klassischen Spielwarenläden – und einen begnadeten Geschichtenerzähler. Dieter van Dillen berichtet zum Beispiel über einen kleinen Jungen, der unbedingt ein Schwert haben wollte. Die Mutter blieb jedoch hart: „Keine Waffen.“ Als die beiden schon in der Tür waren, sagte der Junge zur Mama: „Ich will dich doch nur beschützen.“ Da gab die gerührte Mutter nach.

Klassisches Blechspielzeug gehört zum Sortiment.
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Oder von dem Mann, der sich in die Miniaturausgabe des BMW-Silberpfeils (134 Euro) verliebt hatte. Den führen nur wenige Händler, so van Dillen, weil man ihn selber zusammenbauen muss. Für ihn kein Problem. „Das ist eine Alternative zum Bobbycar, aber eigentlich sind Erwachsene da viel schärfer drauf als die Kinder.“ Oder der 60-jährige Kunde, der ganz verzückt feststellte, dass oben im Regal ein Modell des Fahrrads aus seiner Kindheit stand. „Er hat sogar draußen vor der Tür ein Foto damit gemacht.“ Er müsse nur noch kurz mit seiner Frau reden. Wenig später kam er traurig zurück: „Wir haben nur eine kleine Wohnung, meine Frau möchte nicht, dass ich das Fahrrad kaufe. Ich hätte sie wohl nicht alle.“
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Gehobene Lindenthaler Gesellschaft kam mit Chauffeur vorgefahren
Van Dillen erzählt von den goldenen Zeiten, als sich die Damen der gehobenen Lindenthaler Gesellschaft noch vom Chauffeur vorfahren ließen und großzügig einkauften. „Eine Dame meinte dann: Machen Sie die Preisschilder ab, wenn der Chauffeur sieht, wie teuer das Spielzeug ist, will er eine Gehaltserhöhung.“ In der Tat haben einige der Dinge, die van Dillen anbietet, einen stolzen Preis: Die Kinderküche aus Holz kostet 289 Euro – dafür sei sie aber handwerklich genauso sorgfältig verarbeitet wie ein richtiges Möbelstück. „Das ist schon eine Investition.“
Solche Investitionen leisten sich jedoch immer weniger Menschen. Die ersten 30 Jahre sei das Geschäft gut gelaufen, die letzten 15 seien angesichts der Online-Konkurrenz und der großen Spielzeugwarenhäuser schwierig gewesen. „Da laufen die Leute durch die Gänge und kaufen ein wie bei Ikea.“ Dieter van Dillen machte jedoch weiter, mutig und beharrlich, wie er immer war.

Von der Drogerie, die früher in dem Ladenlokal war, übernahm Dieter van Dillen die Regale und Schubfächer.
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Der gebürtige Lindenthaler erkrankte mit zwei Jahren an Kinderlähmung. Mit zwölf las er in der Zeitung von einem Professor, der Spezialist für Operationen bei dieser Krankheit war. Er fuhr allein zur Klinik und schaffte es bis ins Büro des Mediziners. Der fragte, wo denn seine Eltern seien. „Ich habe geantwortet: Mein Vater ist tot, meine Mutter muss arbeiten. Und außerdem bin ich ja der Kranke, den Sie sehen müssen.“ Der Professor nahm ihn auf, operierte ihn mehrfach. Dieter van Dillen musste vier Jahre lang im Krankenhaus bleiben. Ihm zur Seite stand die Oberschwester – eine Nonne, in die er sich „ein bisschen verliebt“ hatte.
Ausverkauf im Laden am Lindenthalgürtel ist gestartet
Danach begann er eine Lehre als Uhrmacher. „Ich habe die Lehre in zwei statt in vier Jahren geschafft. Ich war kein Streber, aber ich musste dringend Geld verdienen.“ Doch als er fertig war, da kamen die Quarzuhren auf und Uhrmacher wurden nicht mehr gebraucht. Er schulte auf Einzelhandelskaufmann um und arbeitete 20 Jahre lang in einer Motorenteilefirma.
Bis zu dem Tag, als er wie so oft die Drogerie am Lindenthalgürtel betrat, um sich Rasierklingen zu kaufen. Er höre auf, sagte der Drogist – ob van Dillen nicht einen Nachmieter wüsste. Und der entschloss sich von einer Sekunde auf die andere. „Ich hatte mich immer geärgert, dass ich für meine Neffen nirgendwo schönes, mechanisches Spielzeug fand. Und da dachte ich: Ich mache selbst ein Spielwarengeschäft auf.“ Hinter ihm habe eine Frau gestanden, die in den Räumen ein Café eröffnen wollte. Die Zeit drängte also und van Dillen sagte zu. Die Regale der Drogerie übernahm er, die Aufkleber mit Kräuter-Namen sind noch immer auf den kleinen Schubladen, in denen längst Lego-Teile und Tierfiguren liegen.
Nun bereitet Dieter van Dillen den Ausverkauf vor. Alles soll dank Rabatten in den nächsten Wochen noch liebevolle Käufer finden. Wann die Tür zum letzten Mal aufgeschlossen wird, steht noch nicht fest. Es habe sich zwar ein Übernahme-Interessent gemeldet. Aber der habe in die Bilanzen geschaut und gesagt, davon könne er keine Familie ernähren.

