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Jeans Palast, Gummi Grün, FeldhausDiese Kölner Traditionsgeschäfte sind geschlossen und unvergessen

Lesezeit 7 Minuten
„Gummi Grün“ in der 1960er Jahren – 2022 schloss das Geschäft.

„Gummi Grün“ in der 1960er Jahren – 2022 schloss das Geschäft. Es hatte sich kaum verändert.

Zuletzt schloss das Traditionsgeschäft Leuchten-Schiffgen am Neumarkt. Schon zuvor sind viele Läden verschwunden, an denen die Herzen der Kölner noch heute hängen.

Jeans Palast, geschlossen 2016 nach 38 Jahren

Der Jeans Palast in der Schildergasse

Der Jeans Palast in der Schildergasse

Für Generationen von jungen Kölnerinnen und Kölnern und Besuchern aus dem Umland war es ein Highlight, in das schlauchförmige Kellergewölbe des sehr schönfärberisch „Jeans Palast“ genannten Geschäfts auf der Schildergasse hinunterzutauchen. Dort gab es eine schier unermessliche Auswahl an neuesten Modellen, die dann später an der Schule oder der Uni stolz präsentiert wurden. Eltern verzweifelten ob der Fülle des Angebotes – in der Dimension nur noch vergleichbar mit dem Schallplatten- und CD-Angebot im Saturn. Doch 2016 war Schluss: Das Haus wurde für den Bau des Antoniterquartiers rund um die benachbarte Antoniterkirche abgebrochen, der Jeans-Keller verschwand. „Jeans Palast“ war eine Kette, dem Gründer gehörten auch „Kult“ und „Olymp & Hades“ – aber die Kölner hatten es als kölsches Traditionsgeschäft vereinnahmt.

Wolkenaer, 2008 geschlossen nach fast 100 Jahren

Künstlerbedarf Wolkenaer auf der Ehrenstraße

Künstlerbedarf Wolkenaer auf der Ehrenstraße

Der Künstlerbedarf-Spezialist Wolkenaer auf der Ehrenstraße, 1910 gegründet, war vor allem in den 1960er Jahren, als Köln ein Zentrum der internationalen Kunstszene wurde, wichtigste Anlaufstelle für Künstler. Gerhard Richter, Sigmar Polke, Markus Lüpertz, C. O. Päffgen und Joseph Beuys kauften hier ihr Material. Und weil sie den teuren Rotmarderpinsel für 300 Mark nicht immer sofort bezahlen konnten, tauschten sie manchmal Kunst gegen Material. Inhaber-Ehepaar Monika und Bruno Wolkenaer trugen so eine exquisite Sammlung zusammen, die die Kölner Kunstgeschichte von den 1950er Jahren bis ins Jahr 2000 spiegelt.

Gespräch mit Bruno und Monika Wolkenaer

Redaktion Kultur
01.02.2018 Köln


BILD: ARTON KRASNIQI


Kölner Stadt-Anzeiger
Fotograf

01627678086

arton.krasniqi@dumont.de
ksta.de

Bruno und Monika Wolkenaer sammelten Kunst.

Doch dann wurde die Absatzlage schwieriger, das Haus wurde verkauft und die Wolkenaers wollten sich zur Ruhe setzen. „Uns tut das sehr leid, aber aus wirtschaftlicher Sicht hatten wir keine andere Wahl“, sagte Bruno Wolkenaer 2008. Ein langjähriger Angestellter gründete mit einem ähnlichen Sortiment einen Laden in der Kleinen Brinkgasse, inzwischen hat ein Nachfolger das Geschäft übernommen, es heißt jetzt „Puedes“ – Spanisch für „Du kannst“. Der Schriftzug „Wolkenaer“ am Haus in der Ehrenstraße blieb erhalten.

Feldhaus, geschlossen 2006 nach 167 Jahren

Der große Bär stand am Eingang von Feldhaus auf der Schildergasse.

Der große Bär stand am Eingang von Feldhaus auf der Schildergasse.

An der Tür ein riesiger Plüschbär, drinnen eine Rutsche und unendliche Regale mit Puppen, Spielen und Modellbausätzen auf mehreren Stockwerken – eine Kindheitserinnerung von Generationen. Besonders zu Weihnachten herrschte bei Feldhaus auf der Schildergasse regelmäßig Ausnahmezustand. Da gingen Eltern, Tanten, Opas ins Geschäft und fragten: „Haben Sie Playmobil Nummer 3903?“, oder „Ich brauche ein Geschenk für einen Achtjährigen, den ich kaum kenne“, wie eine Verkäuferin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei einer Weihnachtsreportage im Jahr 2000 berichtet. 167 Jahre lief das Geschäft mit dem Spielzeug. Doch dann änderte sich das Kaufverhalten, es wurde online bestellt. Schon 1996 war das Familienunternehmen an die Nürnberger Vedes-Gruppe verkauft worden, die Eigentümer-Familie hatte keinen Nachfolger gefunden. Doch auch der neue Besitzer musste aufgeben. Es war ein langes Zittern für die 36 Angestellten und die Feldhaus-Fans. Ein 1500 Quadratmeter großes Geschäft war wohl einfach nicht mehr zeitgemäß.

Gummi Grün, geschlossen 2022 nach 138 Jahren

Gerhard Zilles führte zuletzt „Gummi Grün“.

Gerhard Zilles führte zuletzt „Gummi Grün“.

Mit dem Begriff „Kult“ muss man sparsam umgehen, aber auf Gummi Grün in der Richmodstraße trifft er zu. Der Laden stand sogar in Reiseführern als Sehenswürdigkeit, obwohl oder weil die Schaufensterdekoration sehr rudimentär war: Gummistiefel, Badekappen, Schläuche, Gießkannen, Wärmflaschen und Fußmatten lagen einfach so da. Und besonders sexy war das Sortiment nun wirklich nicht. Gegründet wurde das Unternehmen 1884 mit nur wenigen Artikeln in der Herzogstraße, er gab unter anderem Utensilien für Wöchnerinnen-Betten. Später gab es Keilriemen für Rolltreppen und Pömpel für verstopfte Rohre. Auf Wunsch wurde für Bastler und Tüftler jedes Stück Gummi zurechtgeschnitten. Verzweifelten Hausbesitzern wurden passende Fensterdichtungen herausgesucht, die sie im Baumarkt nie gefunden hätten – viel zu kompliziert. Doch 2022 gab der letzte Inhaber Gerhard Zilles mit 67 Jahren auf. Der Umsatz reichte nicht mehr. „Jetzt rufen dauernd Kunden an und jammern, dass sie ihre Dichtung für die Espressomaschine nicht bekommen. Aber das ist zu wenig zum Leben“, erzählte er damals dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit Kult allein lässt sich kein Geld verdienen.

Silber Becker, geschlossen 2014 nach 131 Jahren

Der Silber-Becker-Schriftzug an der Fassade in der Hohe Straße

Der Silber-Becker-Schriftzug an der Fassade in der Hohe Straße

Hier kaufte die Kölner Gesellschaft ihr Tafelsilber, hier hinterlegten Paare ihre Hochzeitslisten für die Ausstattung. Auch Teile des Ratssilbers stammen aus dem Hause Becker, ebenso wie der silberne Handspiegel der Jungfrau im Dreigestirn. Prominente gehörten zu den Kunden, Namen wurden aus Diskretionsgründen natürlich nie genannt. Bei Silber Becker, dem „Haus der Tischkultur“ auf der Hohe Straße, gab es Edelmarken wie Robbe & Berking und Royal Copenhagen ebenso wie Murano-Glas. 1882 wurde das Geschäft von Johann Heinrich Becker in Hannover gegründet. 1903 eröffnete Sohn Paul die Zweigstelle in Köln, die später Stammsitz wurde. 2014 gab die Familie das Geschäft aus Altersgründen auf. Renate Becker, damals 73, sagte damals: „Alles hat seine Zeit.“ Fein und teuer gedeckte Tische, Hochzeitlisten, das war ein wenig aus der Mode gekommen. Und die Hohe Straße verlor eines der letzten inhabergeführten Geschäfte. An dem Haus ist der Schriftzug „Silber Becker“ geblieben, es stand lange leer und wird demnächst umgebaut.

Zweitausendeins, geschlossen 2013 nach 35 Jahren

Zweitausendeins prägte Jahrzehnte die Ehrenstraße.

Zweitausendeins prägte Jahrzehnte die Ehrenstraße.

Das Bestell-Merkheft des Zweitausendeins-Verlages war ein Muss für die 68er-Generation und für Liebhaber von ausgefallenen Büchern, Schallplatten und später CDs. Arno Schmidt, Eckhard Henscheid, der Comic-Zeichner Robert Crumb und die Gerichtsreporterin Peggy Parnass waren die Stars. Das Heftchen war das Fenster zu Welt und auf der schon damals wegen ihrer besonderen Läden angesagten Ehrenstraße gab es seit 1978 das alles sogar zum Anfassen. Das winzige Geschäft war stets vollgestopft mit Waren und Kunden. Doch die Online-Konkurrenz wurde immer stärker, ausländische Bücher konnte man nun ganz einfach selbst bestellen und CDs kaufte kaum noch jemand. 2006 war der wirtschaftlich angeschlagene Verlag verkauft worden, doch die Modernisierung klappte nicht. Zweitausendeins schloss immer mehr Filialen, 2013 dann auch die Kölner Niederlassung.

Hoss an der Oper, geschlossen 2019 nach mehr als 100 Jahren

Petra Hoss-Müller im Feinkostladen „Hoss an der Oper“

Petra Hoss-Müller 2019 im Feinkostladen „Hoss an der Oper“

Feine Häppchen wie Waldorfsalat, Wildpasteten, Lachsterrine, Gänselebermousse und Hummer-Cocktail einfach so zum Mitnehmen – einst der Inbegriff des kleinen Luxus. Vier Hoss-Generationen führten den Betrieb, 1900 noch als Tante-Emma-Laden auf der Ehrenstraße gegründet und seit Anfang der 1960er Jahre im Neubau an der Breite Straße in Opernnähe. In der großen Küche arbeiteten bis zu acht Köche gleichzeitig, deren kleine Kunstwerke die Vitrinen füllten.  Für viele – gerade ältere – Kölnerinnen und Kölner wurde Hoss an der Oper zum „Restaurant für zu Hause“. Doch das Kundenverhalten änderte sich, immer mehr Sushi-Läden und kleine Imbisse eröffneten in der Nachbarschaft. Fachkräfte waren nur noch schwer zu finden. Und Petra Hoss-Müller klagte 2019 über die Vielzahl an gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen für kleine Betriebe. Die Weiterführung habe keine Perspektive mehr.

Geflügel Brock, geschlossen 2017 nach 111 Jahren

Hans Georg Rochow beim Verkaufen

Hans Georg Rochow beim Verkaufen

An Wochenenden und vor Feiertagen bildeten sich vor dem Laden auf der Apostelnstraße regelmäßig lange Schlangen. Kunden holten ihre vorbestellten Enten, Wachteln oder Kaninchen ab. Und ließen sich vom Inhaber-Ehepaar Hans Georg und Karin Rochow beraten, das trotz des Trubels immer geduldig Tipps für die Zubereitung gab. Den beiden lagen die Kunden so sehr am Herzen, dass sie nie gemeinsam im Urlaub waren, damit sich immer jemand kümmern konnte. Irgendwann waren sie erschöpft – aber es fand sich kein Nachfolger für das anspruchsvolle Metier. Das nur 4,06 Meter breite typische rheinische Dreifensterhaus stand danach lange leer.

Köln - Wild und Geflügel Brock in der Apostelnstraße

Die Fassade mit Hirschkopf und dem großen Schaufenster

Das größte Problem: Nur durch den Verkaufsraum konnte man in die oberen Stockwerke gelangen. Nach einem aufwändigen Umbau eröffnete 2024 ein Smoothie-Laden im ehemaligen Brock. Von der vertrauten Einrichtung mit Tresen, Marmorregalen, Geweihen und altertümlicher Waage ist nichts mehr geblieben. Auch das große Schaufenster mit der Auslage, die Fleischliebhaber entzückte und so manchem Vegetarier erschreckte, ist verschwunden.

Musikhaus Tonger, geschlossen 2024 nach 202 Jahren

Zuletzt war das Musikhaus an der Zeughausstraße zuhause.

Zuletzt war das Musikhaus an der Zeughausstraße zuhause.

Wer Noten oder Instrumente brauchte, der ging 202 Jahre lang zum Musikhaus Tonger. Das Geschäft war bundesweit bekannt. Dessen Geschichte begann mit der Gründung eines Notenhandels durch den Antiquitätenhändler Josef Tonger in der Straße Am Hof gegenüber vom Dom. Der letzte Standort war an der Zeughausstraße. Doch die Zeiten, in denen es zum guten Ton gehörte, ein Instrument zu spielen, sind längst vorbei. 2019 wurde Tonger an den Notengroßhändler Loib verkauft, 2024 wurde das Geschäft geschlossen. Der Stellenwert von Musik habe sich verändert, sagte eine Verkäuferin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Heute wissen Eltern nicht, ob die Kinder wirklich bei ihrem Instrument bleiben oder doch lieber etwas anderes ausprobieren wollen.“ Deshalb würden kaum noch hochwertige Instrumente gekauft. Es mangele außerdem an Musiklehrern und die Großhändler bestimmten die Preise. Musikverlage verkaufen ihre Noten mittlerweile direkt an den Kunden – da musste man nicht mehr zu Tonger.