Ehrenstraßen-Ära endetKultladen „Traumstern“ schließt nach 37 Jahren

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Georg Reifenrath in seinem Laden

  • Der „Traumstern“ ist einer der letzten klassischen Einzelhandelsläden, die einst das Bild der Ehrenstraße prägten.
  • Georg Reifenrath machte den Laden mit hochwertigen Geschenken und Spielzeug zum Kult. Tina Turner und viele andere Stars waren Kunden.
  • Am Wochenende schließt Reifenrath seinen Laden ab. Für uns erinnert er sich noch einmal an die gemütlichen Anfänge der Ehrenstraße, als es noch Zweitausendeins und das Broadway-Kino gab.

Köln – In Köln schwärmt man gerne darüber, wie es früher einmal war. Besser, gemütlicher, individueller, kölscher eben. Als Beispiel wird da gerne die Ehrenstraße genannt. Wo heute fast nur noch Filialisten residieren, war vor allem in den 80er und 90er Jahren Originelles angesagt. Dinge, die es nur hier gab. Das Ambiente wirkte ein wenig selbst gestrickt und unaufgeräumt. An der Ecke Wallgasse gab es noch eine Büdchenbaracke. Und Sammler Hermann Götting (2004 verstorben) stolzierte in Wallegewändern mit seinen Hunden auf und ab. Die Ehrenstraße war ein Laufsteg.

Einer der letzten Protagonisten dieser „alten“ Ehrenstraße setzt sich nun zur Ruhe. Vor 37 Jahren eröffnete Georg Reifenrath in der Ehrenstraße 36 seinen „Traumstern“. In einem winzigen Ladenlokal von 15 Quadratmetern für 500 Mark Miete bot er Schönes und Hochwertiges an. Schachspiele im Bauhaus-Stil, Handschmeichler aus 24 Sorten Holz, handgearbeitete Holzfiguren aus Oberammergau für 90 Mark, Kaleidoskope, handgedrechselte Holzkreisel, Blechspielzeug für 200 Mark.

Die Kunden waren bereit, soviel Geld dafür auszugeben. „Die Miete hatten wir in einem Tag raus“, so Reifenrath. „Solche Dinge gab es damals einfach noch nicht in Deutschland. Die Leute haben uns die Bude eingerannt.“ Sein Werbespruch damals: „An den schönsten Dingen des Lebens gehen viele Menschen vorbei, andere kommen einfach zu uns.“ Eskapismus für den Beistelltisch sozusagen.

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Reifenrath stöberte die Ware persönlich auf Messen auf – und hatte einen guten Riecher. „Wir haben zeitweise dreimal soviel Umsatz pro Quadratmeter gemacht wie der Kaufhof.“ Tina Turner, die in den 90ern in Köln wohnte, kaufte hier oft Geschenke für ihren Mann. „Eine ganz bodenständige, sehr bescheidene Frau.“ Amerikanische Stars kamen nach ihren Konzerten in ihren Limousinen vorgefahren, weil sie von dem berühmten Laden mit den schönen Sachen gehört hatten und Mitbringsel für „friends in America“ brauchten.

Auch, als der „Traumstern“ nur ein paar Häuser um die Ecke in die Pfeilstraße zog. Zusammen mit Autor Frank Schätzing, der damals in der Pfeilstraße wohnte, dekorierte Reifenrath er 2004 sein ganzes Schaufenster mit dem „Schwarm“, der zum Welt-Bestseller wurde.

Die ganze Umfeld vibrierte damals . Es gab den vollgestopften Laden des „Zweitausendeins“-Versandes (damals eine der wenigen Quellen für seltene, ausländische Bücher, das ambitionierte Broadway-Kino, das Kaufhaus Kilo, den legendären Kunstbedarfs-Spezialisten Wolkenaer, bei dem auch Gerhard Richter kaufte.

Und es gab die Kneipe „Beim Schäng“, wo sich die Ladeninhaber trafen und Anekdoten erzählten. Bei „Zweitausendeins“ tauchte eines Tages eine aufgetakelte Dame ganz in Weiß mit Hut auf, erzählt Reifenrath. Sie kaufte eine „Manfred Mann's Earthband“-Sammlung im Holzschuber und sagte zum Verkäufer, die Farbe des Holzes gefalle ihr nicht. Der schickte sie zu Wolkenaer, die hätten eine „Manfred Mann's Earthband Spezialbeize“. Ein Anruf genügte, und die begeistere Dame bekam sie tatsächlich ausgehändigt. „Beim Schäng“ wurde darüber herzlich gelacht.

Reifenrath machte drei Monate im Jahr Urlaub und ließ sich von seinem Mitarbeiter vertreten. Doch irgendwann kippte die Stimmung. „Das fing mit dem “Geiz ist Geil„-Werbespruch an“, meint Reifenrath. Der kam 2002 auf. „Die Kunden fragten nicht mehr nach dem Wert der Dinge, sondern danach, wie viel es kostet.“ Hinzu kam das Aufkommen des Internets. Die brasilianischen Hängematten, die einst ein Bestseller im „Traumstern“ waren, konnte jetzt jeder im Internet selbst bestellen oder billigere Kopien kaufen. Denn Rest schaffte die Finanzkrise 2008. „Da war es eigentlich schon vorbei.“ 2000 zog das Schuhhaus Görtz als erster Filialist auf die Straße. Nach und nach verschwanden die Weggefährten des „Traumsterns“. Das Broadway-Kino machte 2002 zu. Wolkenaer schloss 2008. Zweitausendeins kämpfte bis 2013 gegen die Internetkonkurrenz an. Die Mieten seien immer weiter gestiegen, sagt Reifenrath. Seine eigene Vermieterin hat den Laden geliebt, deshalb war Reifenrath nie in Gefahr. Doch nachdem der 69-Jährige eine schwere Erkrankung durchgemacht hat und dann auch noch die Corona-Krise kam, beschloss er, die Ära zu beenden. „Es liegt noch viel vor mir, das will ich jetzt genießen.“ Er hat sich nach dem „Traumstern“ nun einen weiteren Traum erfüllt und sich einen Synthesizer gekauft. Damit kann man auch in anderen Sphären schweben.

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