„Es ist genug“Einziger Silberladen in der Kölner Innenstadt schließt nach 40 Jahren

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Marie Louise Hennig in ihrem Silberladen

  • Für ihre Einkäufe ist Marie Louise Hennig jahrelang selbst nach London gereist.
  • 40 Jahre lang hat sie den Silberladen in der Kölner Innenstadt geführt.
  • Nun wird sie am Monatsende schließen, eine Nachfolge gibt es nicht.

Köln – Köln verliert sein letztes Tafelsilber – so könnte man es dramatisch ausdrücken. Auf der St.-Apern-Straße schließt zum Monatsende Marie Louise Hennig nach 40 Jahren ihren Laden für historisches Silber. Teekannen, Kerzenleuchter, Serviettenringe, Tabletts – alles glänzt im Schaufenster und Vitrinen in dem kleinen Geschäft mit der cremefarbenen Markise.

„Der Laden lief gut, aber nach 40 Jahren habe ich mir einfach gesagt: Es ist genug.“ Damit geht die letzte Spezialistin für antiquarisches Silber, die es noch in der Stadt gab.

Früher waren es einmal fünf bis sechs Fachgeschäfte, erinnert sie sich. Im Laufe der Jahre war Silber mal mehr oder weniger in Mode, aber Hennig konnte jede Verkaufsdelle meistern und hatte viele Stammkunden – von denen sie sich bereits verabschiedet hat. „Die waren alle ganz entsetzt.“

Kölner Unternehmerin fuhr zum Einkaufen nach London

Altes Silber hat seinen Preis: Das schöne Tee-Set mit Kanne, Zucker- und Milchkännchen von 1804 etwa kostet 3000 Euro. Die besonders kunstvoll ziselierte Kanne von 1880 ist für 1400 Euro zu haben. Bestseller über all die Jahre waren Kannen, Kerzenleuchter und Serviettenringe (zwei Stück für 320 Euro). Manches aber lief irgendwann gar nicht mehr – zum Beispiel Fischvorlegebesteck, mit dem ganze Fische feierlich am Tisch filetiert wurden. Das scheint niemand mehr zu machen.

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Sie selbst verliebte sich beim Studienaufenthalt in Großbritannien in die feinen Silbersachen. Und beschloss, doch nicht Lehrerin, sondern Händlerin zu werden. Sie importierte ihre Ware selbst: Zweimal im Jahr fuhr Hennig nach London, um neue Stücke zu kaufen. „Diese Fahrten werde ich sehr vermissen.“

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Und natürlich auch ihre Kunden. Prominente wie Joachim Fuchsberger und Mario Adorf waren bei ihr. Weil sie auch antiquarischen Schmuck führte, wurden hier schon mal Geschenke gemacht. Viele Promis wohnten im benachbarten heutigen Pullman-Hotel, das im Laufe der Jahre mehrmals seinen Namen gewechselt hat. Auch kam es vor, dass sich Film- und Fernsehfirmen teure Stücke bei ihr ausliehen, um damit die Esstische von Herrenhäusern zu schmücken. Ob manche Kunden auch durch die Pilcher-Verfilmungen auf den Silber-Geschmack gekommen sind? „Das kann sein, aber das erzählen sie nicht“, sagt Hennig. Sie selbst liebt die alte Serie „Das Haus am Eaton Place“. Allerdings wisse dank der TV-Antiquitätenshow „Bares für Rares“ heutzutage fast jeder, was eine Punze ist.

Auf diesem kleinen Stempel kann man ersehen, wo und wann Edelmetallstücke angefertigt wurden und wie hoch ihr Feingehalt ist.

Die meisten Kunden kauften die Silbersachen nicht als prestigeträchtige „Stehrümchen“, sondern benutzten die Tabletts und Teekannen tatsächlich, weiß Hennig. Sie selbst muss allerdings zugeben, trotz aller England-Begeisterung gar keinen Tee zu mögen.

Silber verlangt nach Pflege

Dass sie als einzige Silberhändlerin übrig geblieben ist, liege an den veränderten, schneller gewordenen Zeiten. Silber darf nicht in die Spülmaschine, es muss regelmäßig geputzt werden, damit es nicht anläuft – was übrigens bei Regen und Schnee besonders schnell passiert. Hinzu komme, dass die Leute einfach nicht mehr so häuslich seien wie früher. Stattdessen ist das Reisen zum Muss geworden. „Die jungen Leute haben einfach keine Muße mehr.“

Die Entwicklung sei in der ganzen Straße zu spüren. Die St.-Apern-Straße galt einmal als die Antiquitäten-Meile Kölns, ein Geschäft reihte sich an das andere. Dann wurde sie zur Galerien-Straße. Aktuell dominieren Friseure und Kosmetiksalons das Bild. Nun geht der Silberglanz.

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