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Auslandsstudium mit Erasmus„Dass in einem neuen Land erstmal nicht alles funktioniert, ist klar“

Lesezeit 5 Minuten
Lena Schwabe auf einem Gang in ihrer Universität in Barcelona. Der Boden ist schwarz und weiß gefliest. Schwabe lächelt in die Kamera. Hinter ihr stehen Säulen und ein Geländer.

Lena Schwabe auf einem Gang in ihrer Universität in Barcelona.

Das Studium im Ausland liegt im Trend. Auch an der Universität zu Köln gibt es immer mehr Studierende, die es in die Ferne zieht. Gefördert werden sie dabei von der EU. Neben dem vielen Licht gibt es jedoch auch Schatten.

Bei sonnigen 20 Grad öffnet Lena Schwabe Ende November die Haustür zu ihrer Wohnung in Barcelona. „Hola, pasa, pasa!“, (Hallo, komm herein!) sagt sie mit einem Lächeln. Die drei Monate in Spanien machen sich also offensichtlich schon bemerkbar. Schwabe ist 21 Jahre alt und studiert Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln.

Seit dem 1. September ist sie für ihre Kölner Freundinnen und Freunde jedoch nur noch über die sozialen Medien im Internet erreichbar. Denn sie hat sich – wie viele weitere Kölner Studierende – für ein Auslandssemester entschieden.

Das Auslandssemester liegt im Trend

Das Interesse an einem Studium in einem fremden Land ist seit 2010 kontinuierlich gestiegen. Dies belegen die Zahlen zu den sogenannten „Outgoings“ an der Universität zu Köln. Von 517 Kölnerinnen und Kölnern im Jahr 2010/11 verdoppelte sich die Zahl auf 1046 Personen in 2019/20.

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Dann durchkreuzte die Corona-Pandemie die Pläne vieler junger Menschen und es gab fast 1000 Teilnehmende weniger als im Jahr zuvor. Doch lange wirkte der Effekt der Pandemie nicht. Die Zahlen liegen mit 1040 Studierenden im Jahr 2022/23 wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.

Die Universität zu Köln kooperiert weltweit mit nahezu 600 Partnereinrichtungen auf Instituts-, Fakultäts- oder Hochschulebene. Christiane Biehl, Leiterin der Abteilung „Internationale Mobilität“ an der Uni, erwartet, dass auch diese Zahl in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

Trotz Förderung - ganz ohne Hilfe der Eltern würde es knapp

Ein Grund für das große Interesse an einem Auslandssemester ist auch die Erasmus-Förderung durch die EU. Ziel des Programms ist es, die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern zu stärken. Unabhängig von der sozialen Situation soll lebenslanges Lernen gefördert werden. Wie viel Geld der Studierende erhält, ist abhängig von dem durchschnittlichen Preisniveau des jeweiligen Landes.

In Spanien erhält Schwabe insgesamt 2046 Euro für das gesamte Semester. „Das Erasmus-Geld ist aber schon jetzt komplett weg“, meint sie. Neben der Miete gehören Lebensmittel und die Studentenpartys zu ihren größten Ausgaben. In Köln habe sie deswegen neben dem Studium in einem Café gearbeitet. Das darf sie allerdings in Barcelona nicht, da sie dafür eine Genehmigung braucht. Die wurde ihr nicht ausgestellt. Ganz ohne finanzielle Rücklagen oder Unterstützung der Eltern funktioniert das Semester bei ihr also trotz Förderung nicht.

Neben Partys auch Kultur und Reisen

„Es lohnt sich trotzdem“, sagt sie. Ein Land und seine Kultur lerne man erst so richtig kennen, wenn man sich eine längere Zeit dort aufhalte. Und auch ihr Spanisch, das nach drei Jahren in der Schule eingestaubt war, konnte sie wieder aufbessern. Durch das Netzwerk für Erasmus-Studierende finden fast täglich Veranstaltungen statt, bei denen man neue Leute kennenlernen kann. Über Bowling, Klettern oder Beach-Volleyball am Strand von Barcelona wird den Studierenden bis hin zu den typischen Studentenpartys vieles geboten.

Außerdem lernte sie neben Barcelona auf Ausflügen auch andere Städte und Gebiete kennen. Sie reiste sowohl in Städte wie Valencia und Girona. Aber auch in die spanische Natur. So war sie neben der Costa Brava und dem Montserrat auch auf den Pyrenäen. Ein Ausflug in die Hauptstadt Madrid sei für Januar geplant.

Die Corona-Pandemie bereitete vielen Studierenden Sorgen

All diese Erfahrungen hätte sie aber fast nicht machen können, denn lange war es unsicher, ob sie das Auslandssemester überhaupt antreten kann. Denn die Bewerbungsphase begann bereits im Dezember 2021. Damals rollte die vierte Corona-Welle über Deutschland und der Bund-Länder-Gipfel beriet über verschärfte Maßnahmen nach Weihnachten.

Sie stellte sich zu diesem Zeitpunkt die Fragen: „Was passiert, wenn ich dann in Barcelona im Lockdown sitze? Werde ich das Semester wegen der Maßnahmen dann überhaupt genießen können?“ Beantworten konnte sie das damals natürlich noch nicht, sie entschied sich trotzdem dafür, das Risiko einzugehen.

Ich habe mindestens 15 Wohnungen besichtigt. Eine war schlimmer als die andere
Lena Schwabe

Und das hat sich im Hinblick auf die lockeren Beschränkungen ausbezahlt. Schwierigkeiten bereiteten Schwabe zu Beginn dennoch andere Dinge, wie etwa die Wohnungssuche. Über das Internet gebe es viele Betrüger, die auf Plattformen oder den sozialen Medien gezielt versuchen, internationale Studentinnen und Studenten zu täuschen.

Mit erfundenen Wohnungen werde die Kaution verlangt. Vor Ort ständen die Studierenden dann mit leeren Händen da. Deswegen wohnte Schwabe die ersten zwei Wochen im Hostel und ging vor Ort auf Wohnungssuche.

Gefahren bei der Wohnungssuche

Die erwies sich trotzdem als schwierig. „Ich habe mindestens 15 Wohnungen besichtigt. Eine war schlimmer als die andere. Es gab teilweise keine Fenster in dem Zimmer. Manche Wohnungen waren voll mit Kakerlaken oder Mäusen“, meint Schwabe.

„Bei einer Wohnungsbesichtigung, an der auch ein italienischer Austauschstudent teilnahm, sagte dieser sogar zu mir: ‚Das ist jetzt das Ende meiner Erasmus-Erfahrung! Ich gebe auf. ‘“ Schließlich fand sie eine Wohnung, die sie mit vier weiteren Erasmus-Studierenden teilt. Durch das Zusammenleben sind sie zu einem kleinen, internationalen Freundeskreis geworden.

Schwabe: „Die guten Erfahrungen überwiegen auf jeden Fall deutlich.“

Eine weitere Herausforderung war die Kurswahl an ihrer Universität. Bei der Auftaktveranstaltung sagte der Erasmus-Organisator in Barcelona, dass sich die Zahl der internationalen Studierenden in der Stadt Jahr für Jahr erhöht hätte. Die Plätze in den englischsprachigen Kursen waren jedoch begrenzt. „Es gab einen riesigen Ansturm auf die Plätze und manche haben zu wenig Kurse bekommen.“

Das ist ein Problem, denn nur wenn die Studierenden ausreichend viele Kurse belegen und damit die entsprechende Anzahl an Leistungspunkten erarbeiten, haben sie Anspruch auf das Geld der Erasmus-Förderung. „Die Uni hat dann aber die Plätze in den Seminaren hochgesetzt“, sagt Schwabe erleichtert.

Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten zieht Schwabe ein eindeutig positives Fazit. „Dass in einem neuen Land erstmal nicht alles funktioniert, ist klar. Die guten Erfahrungen überwiegen auf jeden Fall deutlich.“ Die gemachten Erfahrungen und vor allem die neu kennengelernten Freundinnen und Freunde möchte sie nicht mehr missen. Bis zum Februar wird sie noch in Barcelona bleiben. Dann endet das Semester. Das nächste wird sie wieder in Köln absolvieren. 


Zur Serie „Junges Köln“

Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.

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