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Sextoys und KlickpedaleFür drei Kölner war das Studium die perfekte Zeit zum Gründen

Lesezeit 6 Minuten

Köln – Aus einem braunen Karton nimmt Alina Eynck einen großen, weißen Dildo heraus. „Vom Kleinsten zum Größten, das ist Zel“, sagt die 28-Jährige und präsentiert das Sexspielzeug wie den Hauptpreis einer Fernsehshow der 1990er Jahre. „Er ist ein Dildo für alles, ein Allrounder, er kann mit seiner Spitze viele ergonomische Bereiche erforschen.“

Für Eynck ist es nicht unangenehm, über Sextoys zu reden, im Gegenteil: Auf Dildo Zel, Liebeskugel Lai, Dildo Gia und Analplug Avo ist sie stolz, denn die 28-Jährige hat sie selbst entwickelt. Daraus hat sie das Start-up Porzelina gegründet.

14,9 Prozent aller in NRW gegründeten Start-ups werden von Frauen geführt

„Es gibt unglaublich viele Vorlieben, ich wollte einen komplett neuen Reiz schaffen“, sagt Eynck. Porzellan sei zudem das perfekte Material für Sextoys, denn es „gibt keine Schadstoffe ab, ist sehr gleitfreudig, nachhaltig und man kann ganz toll mit der Temperatur spielen, ein kleiner kinky Aspekt“, sagt die Kölnerin.

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Mit ihrer Gründung ist Alina Eynck ein Vorbild für junge Menschen und vor allem für Frauen. Laut einer Erhebung des Startupdetectors waren im Jahr 2021 nur 37 Prozent der Gründerinnen und Gründer der 571 neuen Start-ups in NRW jünger als 30 Jahre. Gründerinnen sind noch seltener: Nur bei 14,9 Prozent aller in NRW gegründeten Start-ups sitzt mindestens einer Frau in der Geschäftsführung.

Offiziell gegründet hat Eynck ihr Unternehmen im März dieses Jahres, zu diesem Zeitpunkt hatte sie ihre Masterarbeit schon abgegeben. Der Lebensabschnitt, in dem man noch keinen Vollzeitjob, keine Kinder und sowieso weniger Geld hat, war für sie der ideale Zeitpunkt.

„Der Lebensstandard ist noch nicht so hoch, das ist für mich ein ganz großer Vorteil. Wenn ich schon länger im Job gewesen wäre und schon einen gewissen Lebensstil geführt hätte, hätte ich mir Gedanken darüber machen müssen, wie ich mich finanziere“, sagt die 28-Jährige.

Als Studentin Räume und Netzwerk des Gateways nutzen

Als Studentin der TH genießt Eynck aber noch weitere Vorteile: Sie kann unter anderem die Räume und das Netzwerk des Gateway nutzen. Dabei steht Gateway für alle Gründungsangebote der vier größten Kölner Hochschulen, der Uni Köln, der Sporthochschule Köln, die Rheinische Fachhochschule und eben auch die TH Köln, sagt Stephanie Grubenbecher, Leiterin des Gründungsservice der TH Köln.

„Wir bieten Gründungsinteressierten Unterstützung an, beraten, coachen, organisieren Veranstaltungen oder haben einen Co-Working-Space.“ Und das zu allen möglichen Themenbereichen, von der Finanzierung bis hin zur Etablierung von Gründungs-Themen im Uni-Curriculum. Dabei richtet sich das Angebot eben vor allem an Studierende, und das kostenfrei, sagt Grubenbecher.

Kostenlos nutzen können die Studierenden somit auch die 3D-Drucker des sogenannten Makerspace des Gateway. Aus diesen stammen aber nicht nur die ergonomisch geformten Glücklichmacher von Alina Eynck, sondern auch die Prototypen von Jannik Reker und Verónica Rodríguez Villarreal. Die beiden Studierenden sind die Gründer von ClipClap.

Sie haben einen „innovativen Fahrradpedal-Adapter“ entwickelt, sagt Reker im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Damit kann man seine Alltags-Schuhe mit einem Klickpedal verbinden.“ Ein Produkt, das also leidenschaftlichen Fahrradfahrer helfen soll, aber vor allem die Leidenschaft von Reker und Rodríguez Villarreal ist.

Die beiden haben etwas, das Alina Eynck als alleinige Gründerin nicht hat, aber durchaus misst: Stärken in mehreren Kompetenzen. Rodríguez Villarreal übernimmt als studierte Designerin überwiegend das Prototyping, das Nähen der Gurte und die Gestaltung der Website, Reker als Ingenieur die Produkt-Weiterentwicklung, das Marketing und die Finanzen.

Die Mischung von männlichen und weiblichen Einflüssen „ergänzt sich bei uns einfach gut“ sagt Reker und in diesem Moment ergänzt ihn Rodríguez Villarreal: „Man hat einfach verschiedene Perspektiven und Meinungen.“ Mittlerweile sind sie nicht nur Businesspartner, sondern auch gute Freunde.

Gründung im Studium: Wenig Zeit für Feiern, Reisen, Nebenjob

Was für den Kölner und die gebürtige Mexikanerin ein großer Bonus ist, scheint in der Unternehmenswelt eine Ausnahme zu sein, denn nur 6,8 Prozent aller neu gegründeten Start-ups bestehen laut startupdetector aus einer Geschlechter-gemischten Geschäftsführung.

Aber egal ob männlich, weiblich oder divers: Bei der Entscheidung, während des Studiums ein Start-up zu gründen, muss Studierenden klar sein, dass sie nicht mehr so oft feiern, reisen oder jobben können wie ihre Kommilitonen. Fast täglich saßen Reker und Rodríguez Villarreal von 16 bis 24 Uhr daran, ihr Produkt weiterzuentwickeln und ihr Start-up nach vorne zu bringen.

Junge Gründer aus Köln werden finanziell unterstützt

„Es war nicht die gesündeste Form der Arbeit“, sagt Verónica Rodríguez Villarreal und um das zu schaffen, müsse man für sein Start-up brennen, fügt Reker hinzu. Dass er von seinem Produkt überzeugt ist, bewies er im vergangenen Jahr, als er mit seinem Fahrrad und dem damaligen ClipClap-Prototypen von Köln nach Portugal gefahren ist. „Das hat der Entwicklung echt geholfen, so ausgiebig hätte sonst niemand das Produkt getestet“, sagt der 29-Jährige.

Die Mühe der drei Gründer macht sich im wahrsten Sinne bezahlt. „Wir haben von der Kickstart-Förderung 7.500 Euro für die Prototypen-Herstellung bekommen. Zudem bekommen wir das Exist-Gründerstipendium“, sagt Reker. Dadurch bekommen beide jeweils 2.500 Euro Gehalt im Monat und 35.000 Euro für Projektentwicklung und Coaching. Eynck bekommt monatlich 1000 Euro vom Gründerstipendium. Zudem wurden ihre Produkte schon mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet.

Mit Sextoys über Sexualität aufklären

Für die jungen Gründerinnen und Gründer geht es aber nicht nur darum, ein Produkt zu entwickeln und zu verkaufen. Eynck möchte ihren Kundinnen und Kunden auch einen Mehrwert bieten und mit ihren Sextoys über das Thema Sexualität im Allgemeinen aufklären. Mit einem jungen Start-up direkt Gewinn machen und reich werden, ist sowieso eine Vision, von der sich Gründer lösen sollten, denn „jetzt gerade geht es erstmal ums Überleben“, sagt Alina Eynck. Das sei der echte Gründungsalltag. 

Während sie Zel und Co. schon über ihre Website verkauft und gerade das Weihnachtsgeschäft vorbereitet, soll ClipClap offiziell erst im Januar mit einer Crowdfunding-Aktion an den Start gehen. „ClipClap ist ein großer Teil meines Lebens geworden, als leidenschaftlicher Radfahrer erfüllt es mich und es ist auch schön, bald sein eigener Chef zu sein“, sagt Jannik Reker. Einen anderen Job wollen demnach wohl alle drei erst einmal nicht mehr haben.


Zur Serie „Junges Köln“

Studieren, arbeiten, feiern und lieben: Köln ist ein Magnet für Menschen zwischen 20 und 35 Jahren, die das und mehr hier erleben wollen. Jedes Jahr ziehen Tausende in die Stadt, auf der Suche nach Abenteuer – und einem neuen Zuhause. Aber: Wie sieht ihre Lebensrealität wirklich aus? In unserer neuen Serie „Junges Köln“ wollen wir den Blick auf junge Kölnerinnen und Kölner lenken und davon erzählen, was sie bewegt. So sind wir etwa in der Technoszene unterwegs, versuchen zu erkunden, was die Faszination ausmacht. Oder begleiten Singles beim Dating auf der Suche nach der wahren Liebe.

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