„Ein irres Gefühl“Kölner fuhr mit dem Fahrrad in 14 Tagen quer durch Europa

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Köln – Auf der Zielgeraden, den letzten 200 Kilometern, fühlte sich Malte Hager plötzlich unwohl: „Ich hatte das Gefühl, dass jetzt noch irgendeine Scheiße passiert“, sagt der 36-Jährige im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Doch sein Gefühl täuschte ihn und nach 4194 Kilometern, mit 38000 Höhenmetern, erreichte er die bulgarische Hafenstadt Burgas. Mit seinem Fahrrad.

Mit seiner Einfahrt ins Ziel erreichte Hager nicht nur den 71. Platz des diesjährigen Transcontinental Race, sondern ist auch der einzige Kölner, der die komplette Strecke des längsten Ultradistanz-Radrennens in Europa gefahren ist. „Als ich im Ziel war, spürte ich eine Mords-Erleichterung und alles ist von mir abgefallen“, sagt Hager.

Kein Wunder, denn für die mehr als 4000 Kilometer lange Strecke brauchte der 36-Jährige nur 14 Tage, 14 Stunden und 21 Minuten – inklusive Schlaf- und Essenspausen. Denn beim Transcontinental Race wird die Gesamtzeit gezählt, jeder Fahrer entscheidet also selbst, wie viele Pausen eingelegt werden.

Seit dem Start Ende Juli im belgischen Brüssel gab es davon nicht viele. Nachdem das Rennen um 22 Uhr los ging, fuhr Hager die erste Nacht und die ersten 24 Stunden durch. Seinen ersten Stopp machte er in Warburg und schlief unter einem privaten Carport.

Kölner bei Radrennen: Kalte Nächte neben Friedhof und Apfelfeld

Die meisten Nächte verbrachte der Kölner im Freien, hinter Leitplanken, neben einem Friedhof oder in einem Apfelfeld. Nur selten gönnte er sich ein Hotel. Geschlafen hat er draußen aber nur rund vier Stunden. Trotz Hochsommer war es „vor allem in Deutschland super kalt und oft auch nass“, so Hager.

Viel anziehen konnte er aber nicht, sogar an einem Schlafsack sparte er, damit sein Gepäck nicht zu viel wiegt. Nur ein paar Wechselklamotten, die wichtigsten Hygieneartikel, etwas Werkzeug und Lebensmittel hatte er dabei. Sein Trick gegen die Kälte: „Ich bin einfach immer wieder schnell aufs Fahrrad, um warmzuwerden“, sagt Hager.

Malte Hager: Fahrradfahren ist ein irres Gefühl

Schnell aufs Rad könnte man auch das Lebensmotto des 36-jährigen Kölners nennen. Malte Hager nennt sich selbst Cycling Tourist, nimmt in fast jedem Urlaub sein Rennrad mit, bloggt über seine Erlebnisse und ist sogar für seine Fahrrad-Liebe extra nach Mülheim gezogen, um „schneller im Bergischen Land zu sein.“ Eine seiner Lieblingsstrecken hier in der Kölner Umgebung.

Wenn Hager beschreiben soll, warum er gerne auf dem Fahrrad unterwegs ist, leuchten seine Augen und er kommt ins Schwärmen: „Dieses Gefühl, alleine zu erkunden, ist für mich das wichtigste beim Fahrradfahren. Auf dem Fahrrad erschließt man sich ganz greifbar eine Umgebung“ sagt Hager. Ihn fasziniere es, zu wissen, wie sich die Distanz zwischen Deutschland und Bulgarien anfühle. „Das ist schwer zu beschreiben, aber ein irres Gefühl.“

Diese Momente erlebte er vor allem auf den schönen Wegen seiner zum größten Teil selbst ausgewählten Route. Nur vier sogenannte Checkpoints waren für die Fahrer verpflichtend, der zweite Checkpoint war ein persönliches Highlight des 36-Jährigen. „Das war der Gaviapass in Italien. Wir wurden dadurch einen Parkour hoch gezwungen, aber die Aussicht war spektakulär.“

Für Hager war das Transcontinental Race nicht die erste weite Strecke, die er mit dem Fahrrad zurückgelegt hat. Er war aber auch nicht der einzige Kölner, der beim Rennen teilgenommen hat. Insgesamt gingen mit ihm drei an den Start, einer von ihnen war Jens Horstmann, der ebenfalls beim Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ dabei ist.

Kölner Jens Horstmann musste das Radrennen vorzeitig abbrechen

Anders als Malte Hager wusste der 39-Jährige nicht, was ihn erwarten wird. Und es waren auch nicht die kalten Nächte im Schlafsack auf der Parkbank, das ungesunde Tankstellen-Essen, die Schmerzen im Knie oder der Gedanke, tausende Kilometer mit dem Fahrrad zu fahren, weshalb er am sechsten Tag abbrechen musste.

„Was mich rausgeschmissen hat, war Anfänger-Style. Ich habe mir kurz vorher einen neuen Sattel ausprobiert und drauf gelassen“, sagt der Kölner. „Der Hintern tat schon ab Tag zwei weh.“ Und es wurde immer schlimmer. Auch der dritte Kölner der Runde brach vorzeitig ab.

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Mit dem Wissen, dass nun Hager der einzige Kölner im Rennen ist, stieg der Ansporn des 36-Jährigen. Auch eine Gruppe rumänischer Kinder konnte ihn nicht aufhalten, „die mir mitten in der Nacht einen Baseballschläger in die Speichen steckten, während der Fahrt“, sagt Hager und erzählt, dass er großes Glück hatte, nicht verletzt wurde und sein Fahrrad nahezu heile blieb. Das wohl schlimmste Erlebnis, so sagt der Kölner, auf dem Radrennen durch Europa.

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