Erdbeben in Türkei und SyrienWelle der Solidarität schwappt durch Köln – „Alle wollen helfen“

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Mitarbeiter, Freunde und Kollegen der Firma AC Gastro in Köln sammeln Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien und verladen Kartons auf Lkw im Niehler Hafen in Köln.

Mitarbeiter, Freunde und Kollegen der Firma AC Gastro in Köln sammeln Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien und verladen Kartons auf Lkw im Niehler Hafen in Köln.

An Dutzenden Orten sammeln Vereine, Firmen und Privatleute Spenden für die Betroffenen in der Türkei und Syrien. Sie sind selbstlos – und ihre Familien oft betroffen.

Als Kelime und Hidir Kaplan die Nachricht vom Erdbeben in der Türkei und in Syrien in Köln erreicht, ist ihnen sofort klar: Wir helfen. Kaplan führt eine Firma für Lebensmittelverpackungen, er stammt aus Pazarcık in der stark betroffenen Region Kahramanmaraş. Den eigentlichen Betrieb schließen die beiden für eine ganze Woche: Ihre gesamte Energie widmen sie jetzt dem Plan, Spenden zu bündeln, zu sortieren und auf Lkw zu laden.

Am Dienstagvormittag sind bei AC Gastro 50 Menschen damit beschäftigt, Kisten zu packen, zu beschriften und Formalitäten mit Zoll und türkischen Behörden zu klären. Um 18 Uhr soll der erste Lastwagen starten. Danach solle es in unregelmäßigen Abständen weitere Fahrten geben, voraussichtlich am Samstag die nächste.

Hilfsgesuche in Facebook, Instagram, Whatsapp und Tiktok

Das Engagement der Kaplans und des befreundeten Unternehmers Ali Onoglu von der Reinigungsfirma MS Clean ist nur eines von vielen Beispielen. Eine Welle der Hilfsbereitschaft erfasst Köln und die Region seit der Erdbebenkatastrophe in der Nacht auf Montag. Dutzende Organisationen, Vereine und Unternehmen werben um Sachspenden für die Millionen betroffenen Menschen im türkisch-syrischen Grenzgebiet. In Facebook-Gruppen, bei WhatsApp, über Instagram und Tiktok – überall ergehen Hilfsaufrufe und werden erhört.

Sie alle wollen ihren Teil leisten, damit die bis zu 23 Millionen Betroffenen im türkisch-syrischen Grenzgebiet mehr Hilfe bekommen. Nach Angaben der örtlichen Behörden wurden in der Türkei mittlerweile mehr als 3400 Todesopfer geborgen. In Syrien zählten Behörden und Rettungskräfte in den von der Regierung in Damaskus kontrollierten Gebieten und in Territorien unter der Kontrolle von Rebellen mehr als 1600 Todesopfer. Auch türkischstämmige Kölner haben Angehörige verloren, kennen zahlreiche Opfer oder bangen um die Bergung von Verwandten.

Tolga Özgül ist begeistert von der Hilfsbereitschaft seiner Heimatstadt Köln. „Die Kölner nehmen Anteil an dem, was da grade in der Türkei und in Syrien passiert, und alle wollen helfen. Die Welle der Solidarität ist riesig“, sagt Özgül. Der 39-Jährige lebt in Köln und leitet den Verein „Merhaba & Mahlzeit“. Im Regelfall kümmert der sich um Obdachlose und Flüchtlingshilfe. Seit Montagfrüh in der Türkei und Syrien die Erde gebebt und Tausende in den Tod gerissen hat, ist aber nicht mehr Regelfall, sondern Katastrophe.

Supermarkt Karadag spendet kistenweise Decken

„Ich bin in Köln sehr gut vernetzt“, sagt Özgül. Schnell findet er einen Ort, an dem Hilfsgüter gesammelt werden können. Im Keller der Bäckerei Seymen’s Bake & Pastry auf der Venloer Straße sammelt der Verein nun also Decken, Windeln, Hygieneartikel, Taschenlampen, Batterien, all das wird dringend gebraucht. „Kleidung wird nicht benötigt“, sagt Özgül. Auf 50 Quadratmetern stapelt sich all das, was hilfsbereite Kölner vorbeibringen, noch in dieser Woche sollen die Hilfsgüter auf die Reise geschickt werden. „Ich bin überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Kölner.“

Der Deutsch-Türkische Verein Kölns ruft dazu auf, „Initiativen in ihrer Nachbarschaft und Gemeinde zu unterstützen“. Der Karnevalsverein KG Ponyhof spendet am Dienstag 5000 Euro Soforthilfe an die türkische Hilfsorganisation Ahbap. Am Samstag werde die Spende symbolisch an Vereinsmitglied Hülya überreicht werden. „Unsere Gedanken sind in der Türkei, in Syrien und allen anderen getroffenen Ländern“, schreibt die KG Ponyhof.

Von großer Hilfsbereitschaft berichtet auch Kelime Kaplan. Bei AC Gastro geben sich die Unterstützer die Klinke in die Hand, beispielsweise hat die Kölner Supermarktkette Karadag kistenweise neue Decken abgegeben. Weitere 1500 Kartons mit unterschiedlichen Hilfsgütern hätten andere Geschäfte versprochen, berichtet Kelime Kaplan.

Die Familien Kaplan und Onoglu tragen die Kosten für die Lkw, die sich auf den Weg in die Krisenregion machen sollen. Jeden Tag von 9 bis 17 Uhr sammeln sie weiter Spenden am Stapelkai 4 in Köln-Niehl. Viele weitere professionelle und privat organisierte Stellen gibt es in Köln, um Spenden abzugeben (hier eine Übersicht von nur einigen).

Ich bekomme einfach keine Info, wie es meinen Verwandten geht
Tolga Özgül

Während die Hilfe anläuft, warten viele der Kölnerinnen und Kölner auf Nachrichten von Bekannten und Verwandten. Das Mobilfunknetz ist gestört in vielen der betroffenen Provinzen. „Ich bekomme einfach keine Info, wie es meinen Verwandten geht“, sagt Özgüls, der mit „Merhaba & Mahlzeit“ Spenden sammelt.

Am Dienstagmittag hat Özgül noch immer nichts von seiner Familie in der Türkei gehört, auch einer Kollegin aus dem Vereinsvorstand geht es so. „Ihre Familie kommt aus dem Epizentrum des Erdbebens, das ist schrecklich“, sagt Özgül. „Ich bin sprachlos, weiß gar nicht, was ich sagen soll.“

Alle, die Spenden sammeln, berichten von den Regeln der türkischen Regierung. Sie ließe nur Neuwaren zu. Und die Kölnerinnen und Kölner bitten darum, vor allem verpackte und beschriftete Kartons an den Sammelpunkten abzugeben. „So können wir viel schneller die Lkw beladen“, so Kaplan. Und sie hat eine weitere Bitte: „Dass der Zoll die Papiere für die Ausfuhr schneller erteilt.“

Hier finden Sie alle Infos zu Spendenaktionen und -organisationen in und aus Köln.

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