Langsame VerwesungAuf diesen fünf Kölner Friedhöfen entstehen Wachsleichen

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Der Friedhof Westhoven: ein „Wachsleichen-Risikogebiet“.

Der Friedhof Westhoven: ein „Wachsleichen-Risikogebiet“.

Köln – Es klingt gruselig, ist aber nüchterne Chemie: Auf fünf Friedhöfen hat es die Verwaltung mit so genannten Wachsleichen zu tun. Dabei handelt es sich um Leichname, die aufgrund von Sauerstoffmangel langsamer verwesen als andere Leichen.

„Wir gehen davon aus, dass bei normalen Bodenbedingungen nach 20 Jahren nichts mehr übrig ist“, sagt Peter Figgen, als Abteilungsleiter im Grünflächenamt zuständig für die 55 städtischen Friedhöfe.

Übliche Ruhefrist bei 25 Jahren

Die übliche Ruhefrist liegt in Köln bei 25 Jahren. Angehörige von Bestatteten auf den Friedhöfen von Westhoven und Rath-Heumar müssen die Grabstätte jedoch 30 Jahre lang anmieten.

Darüber hinaus gilt dies für einige Bereiche des Südfriedhofs, des Friedhofs Steinneuerhof in Rondorf und des Friedhofs Lehmbacher Weg in Brück. Denn hier begünstigt die Bodenbeschaffenheit die Entstehung von Wachsleichen.

Vor allem lehmige und tonige Böden seien weniger luft- und wasserdurchlässig als andere, so Manfred Kaune, Leiter des Grünflächenamts: „Unterbleibt der Zugang von Luftsauerstoff, bilden sich die Hautfette zu Leichenlipiden um, die sich im Gewebe einlagern.“

Diese weiße, krümelige Substanz lagere sich auch auf der Haut ab und behindere die Verwesung zusätzlich: „Der Körper ist dann von einer wachsartigen Schutzschicht umgeben, die eine völlige Zersetzung durch Mikroorganismen verhindert.“ Zuweilen könne der Verwesungsprozess aber auch durch Antibiotika und zellschädigende Stoffe verzögert werden, wie sie etwa bei Chemotherapien verabreicht würden.

In kleinen Kommunen mit nur einem Friedhof und entsprechender Platznot seien Wachsleichen durchaus ein Problem, sagt Peter Figgen. Weil hier alle Grabstätten gebraucht würden, müssten die nicht verwesten Überreste nach der Ruhefrist geborgen, verbrannt und in Urnen bestattet werden. „Oder die Leichen werden umgebettet“, so Figgen: „Ein sehr unschöner Prozess.“

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In Köln allerdings sei dies alles nicht nötig und auch noch nicht vorgekommen. Denn auf allen Friedhöfen sei genug Platz vorhanden: „Wir können die Gräber ruhen lassen, auch über die 30 Jahre hinaus.“ Anders als bei normalen Gräbern würden die Ruhestätten mit Wachsleichen nach Ablauf der Ruhefrist einfach nicht mehr weiter genutzt – oder erst viel später.

Da es genug Platzreserven gebe, sei dies selbst auf Friedhöfen möglich, auf denen die Böden durchgehend die Entstehung von Wachsleichen begünstigen.

Auf dem Friedhof von Westhoven zum Beispiel habe es 2016 gerade einmal 23 Bestattungen gegeben, darunter seien aber auch Urnenbestattungen gewesen, so Figgen. Zum Vergleich: Auf Melaten – kein Wachsleichen-Gebiet – wurden 813 Tote bestattet.

Boden in Köln unterschiedlich beschaffen

Der Kölner Boden ist wegen ehemaliger Rheinarme sehr unterschiedlich beschaffen – lehmige Böden wechseln sich in rascher Abfolge mit Sand und Kies ab.

Aber das Wachsleichen-Phänomen komme nicht nur in Köln vor, sagt Peter Figgen: „Das ist ein bundesweites Problem.“ Nur sei woanders der Handlungsdruck eben größer.

Bestattungen in Köln

Im vergangenen Jahr gab es in Köln insgesamt 8197 Bestattungen, 5224 davon waren Urnenbestattungen, der Rest Beisetzungen im Sarg. Zur Stadt Köln gehören insgesamt 55 Friedhöfe. Der größte Kölner Friedhof ist Melaten mit 435 000 Quadratmetern Fläche und 55 540 Grabstellen. (cht)

Aber woher weiß die Stadt, wo Wachsleichen entstehen und wo nicht? „Das wurde einmalig in den Vorjahren beim Nachbesetzen der Gräber festgestellt“, sagt Figgen. Das Grab sei nach Ablauf der Ruhezeit einmalig geöffnet und dann im Falle einer Wachsleiche wieder geschlossen worden. Danach sei auf Grundlage von Bodengutachten entschieden worden, dass bestimmte Grabstellen nicht mehr nachbesetzt werden dürfen beziehungsweise erst nach 30 oder 40 Jahren, wenn selbst eine Wachsleiche verwest ist.

Wer unbedingt eine Grabstelle in einem Wachsleichen-Risikogebiet anmieten will, kann dies meistens tun. Auch ohne große Nachteile. Das Grab muss dann zwar 30 Jahre lang angemietet werden, laut Verwaltung fallen aber nur die Kosten der üblichen 25-jährigen Mietzeit an. Nur die Pflege des Grabes muss fünf Jahre länger als sonst gewährleistet sein.

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