Die Datenschützer von der Initiative „Kameras stoppen“ haben einen Teilerfolg errungen. Die Kameras bleiben aber trotzdem erstmal an.
Bereiche „zu groß bemessen“Gericht untersagt Kölner Polizei Videoüberwachung in Seitenstraßen
Im hellen Licht der Wintersonne kann man am Hohenzollernring schnell vergessen, dass man sich hier an einem Kriminalitätsbrennpunkt befindet. Schon am frühen Nachmittag ist die Straße belebt. Geschäfte und Gastronomien werden beliefert, Anwohner gehen einkaufen, Berufstätige machen gerade Mittagspause. Vor allem nachts und an den Wochenenden kommt es hier aber regelmäßig zu Straftaten. Um diese zu verhindern, überwacht die Polizei die Ringe schon seit Jahren mit Kameras. Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts von Donnerstag ist das zumindest teilweise nicht rechtmäßig.
Seit Jahren wehren sich immer wieder einzelner Anwohner gemeinsam mit der Datenschutz-Initiative „Kameras stoppen“ gegen die polizeiliche Videoüberwachung auf den Ringen und den sechs anderen Standorten in der Stadt. Ihre Hauptargumente: Die Überwachung sei nicht verhältnismäßig und kein großer Nutzen. Sie sehen sich in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt. Außerdem habe die Polizei bislang keinen Nachweis erbringen können, dass der öffentliche Raum durch die Videoüberwachung sicherer geworden sei. Ziel ist es, dass die Polizei alle 106 Kameras abschalten muss, die an den Ringen und an sechs weiteren Orten in der Stadt installiert sind.
Kölner Verwaltungsgericht: „Überwachungsbereiche sind zu groß bemessen“
Die Polizei sieht das anders: Als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht 2015/2016 hat sie erste Kameras vor dem Hauptbahnhof und am Dom installiert. Über die Jahre folgten Kameras auf den Ringen, dem Breslauer Platz, dem Ebertplatz, dem Neumarkt, dem Wiener Platz und rund um die Kalker Hauptstraße und die Kalk-Mülheimer Straße – allesamt Kriminalitätsschwerpunkte, „mit einer Vielzahl an Delikten, deren Anzahl und Qualität sich im Vergleich zum Kölner Stadtgebiet signifikant abheben“, wie ein Sprecher zuletzt betonte. Die Kameras dienen ausschließlich zur Verhinderung von Straftaten und zu deren Aufklärung, wie die Behörde und das NRW-Innenministerium sagen.
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Am Donnerstag errang „Kameras stoppen“ im siebten Verfahren seit 2018 zumindest einen Teilerfolg. Zwar sei die polizeiliche Videoüberwachung an allen sieben Standorten grundsätzlich rechtmäßig. „Die Überwachungsbereiche sind jedoch zu groß bemessen“, heißt es im Urteil.
Der Einsatz von Kameras sei an besonders kriminalitätsbelasteten Orten grundsätzlich ein legitimes Mittel der Gefahrenabwehr, begründete das Gericht. Eine Ausdehnung über die eigentlichen Brennpunkte hinaus auf weitere Straßen, Wege oder Plätze sei jedoch mit dem Gesetz nicht vereinbar. In vielen bislang ebenfalls überwachten Nebenstraßen sei keine erhöhte Kriminalität feststellbar. Dort müsse die Videoüberwachung beendet werden. Dies gelte etwa auch für die von einer Klägerin bewohnte Straße in Köln-Kalk und für viele Nebenstraßen entlang der Ringe. Insgesamt sind 44 Nebenstraßen an den sieben Standorten von dem Verbot betroffen, also so gut wie alle. Allein auf den Ringen hat die Polizei etwa Einblick in 14 Nebenstraßen, in elf davon darf sie laut dem Gericht künftig nicht mehr filmen.
Kameras bleiben in Köln erstmal an
Auch dürfen dem Gericht zufolge Außengastronomieflächen nicht überwacht werden. Bei Versammlungen in den Überwachungsbereichen müssen die Kameras zudem im gesamten Bereich und nicht nur am Versammlungsort selbst abgeschaltet werden.
Kurzfristig ändert das Urteil in der Praxis allerdings erstmal nichts. Denn es ist noch nicht rechtskräftig. Bis dies der Fall ist, werde man auch keine Kameras abschalten, so ein Sprecher der Polizei. „Wir warten jetzt auf die Urteilsbegründung und prüfen dann, ob wir in Berufung gehen“, sagte er.
Die Behörde betont regelmäßig ihre Erfolge durch die Überwachung: Im Vorjahr sei die Videobeobachtung bei 8114 Einsätzen und Ermittlungen in Köln hilfreich gewesen, berichtete die Polizei – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2022. Die meisten dieser Einsätze ereigneten sich auf den Ringen (1753), in Kalk (1697) und auf dem Neumarkt (1488).
Für die Anwohner an den Ringen scheint die Überwachung mittlerweile zum Alltag zu gehören. Susanne Raji Atorf, die auf der Kamekestraße wohnt, ist sich der Videoüberwachung bewusst und findet sie gut. „Mein Sicherheitsgefühl ist durch die Kameras auf jeden Fall gestärkt“, erklärt die 67-Jährige. Gegen Abend und am Wochenende fühle sie sich im Gebiet um den Friesenplatz schon häufiger unwohl. Da würde es helfen, dass „bestimmten Menschen klargemacht wird, dass man sieht, was sie so treiben“. Gerade auch in den Seitenstraßen der Ringe sei das wichtig, weil sie nicht so belebt seien.
Ein anderer Anwohner, der anonym bleiben möchte, sieht das kritischer. Er wisse um die Videoüberwachung und habe Verständnis dafür, dass an Brennpunkten gefilmt werde. Allerdings habe er nicht den Eindruck, dass von den Kameras eine abschreckende Wirkung ausgehe. Er würde sich eher mehr Polizeipräsenz wünschen.
Für die beiden Kölner Studenten Felix Irlenkäuser und Lukas Lorat geht die Videoüberwachung in die falsche Richtung. In den Kameras sehen die beiden eher eine besorgniserregende Tendenz, auf gesellschaftliche Probleme stets mit Überwachung zu reagieren. Für sie sei es wichtiger, dass man sich in Gefahrensituationen auf die Zivilcourage von Mitbürgern verlassen könnte.
Die Initiative wertet das Urteil auf ihrer Internetseite indes als „Etappensieg“. Nun gelte es das schriftliche Urteil abzuwarten, um zu beurteilen, ob und wie eine Berufung ausgearbeitet wird. Gleichzeitig gehe man davon aus, dass das Land NRW und die Polizei in Berufung gehen. Dann würde das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster landen. Dort hat man schon Erfahrung mit Verfahren wegen der Videoüberwachung in Köln. 2022 entschied das Gericht nach mehreren Eilanträgen, dass die Videoüberwachung am Ebertplatz, dem Neumarkt und dem Breslauer Platz erlaubt ist.