Einweisungen ins KrankenhausZahl der Hitzekranken könnte sich im Kölner Süden verfünffachen

Lesezeit 5 Minuten
Ein älteres Paar sitzt im Kurpark auf einer Bank im Sonnenschein.

Gerade Senioren gehören zu den Risikogruppen, die sich vor der zunehmenden Hitze schützen müssen.

Die Zahl der Hitzetage steigt. Und mit ihr die Zahl derer, die deshalb ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Doch es gibt einen Ausweg.

Die Gesundheitsgefahr lässt sich im Sommer auch vom Thermometer an der Hauswand ablesen. Je höher die Temperatur steigt, desto größer das Risiko ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen – und im schlimmsten Fall gar zu sterben. 2181 hitzebedingte Krankenhauseinweisungen pro Jahr allein für den Kölner Stadtteil Ehrenfeld prognostiziert der AOK-Gesundheitsreport, dessen Aufschlüsslung nach Stadtteilen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv vorliegen, für das Jahr 2100, falls dem Klimawandel keine strikten Maßnahmen entgegengestellt werden.

Im Vergleich zum Durchschnitt der hitzebedingten Krankenhauseinweisungen aus den Jahren 2009 bis 2018 würde sich die Zahl damit mehr als vervierfachen.

Prognose: 2000 hitzebedingte Einweisungen in Rodenkirchen

Ebenso dramatisch sieht es den Berechnungen zufolge im Kölner Süden, beispielsweise in Rodenkirchen, aus. Mehr als 2000 hitzebedingte Krankenhauseinweisungen werden für diesen Stadtteil prognostiziert, der Durchschnittswert von 2009 bis 2018 hätte sich damit gar verfünffacht. Auch in Hürth im Rhein-Erft-Kreis gehen die Experten von einer Verfünffachung auf knapp 1900 Einweisungen pro Jahr aus.

Die Hitze macht Menschen krank und wird vor allem für Risikogruppen wie Kinder, Säuglinge, Schwangere, Vorerkrankte und Senioren in den kommenden Jahren zur immer größeren Gefahr, darin sind sich Experten spätestens seit 2018 einig, als die Zahl der Hitzetage in Deutschland laut Zahlen des Umweltbundesamtes im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft von 6,8 auf 20,4 anstieg.

Mehr als 19.000 Hitzetote in drei Jahren

„Erstmal ist Hitze natürlich per se gefährlich für den Körper. Bei zu großer Sonneneinstrahlung droht eine Reizung der Hirnhäute, wir bekommen einen Sonnenstich. Wenn der Körper sich gar nicht mehr abkühlen kann, erleidet er einen Hitzschlag, der zu Schwindel, aber auch Krämpfen, Koma und im schlimmsten Fall zum Tod führen kann“, sagt Andrea Nakoinz, Ärztin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). Allein im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts mehr als 4500 Menschen wegen der Hitze zu Tode. In den drei Sommern 2018 bis 2020 starben demnach in Deutschland mehr als 19.000 Menschen hitzebedingt.

Die Dunkelziffer, so sagt Nakoinz, könnte sogar noch viel höher liegen. Denn: Zu den klar definierten Hitzetoten gesellte sich die Zahl der Menschen, die an Vorerkrankungen litten, die sich bei steigenden Temperaturen verschlimmerten. Herz- oder Lungenerkrankungen sowie Nierenleiden gehören laut Nakoinz dazu. So könnten Herzinfarkte bei entsprechender Vorbelastung verstärkt bei erhöhten Temperaturen ausgelöst werden. Außerdem sei die Zahl der Risikogruppen sehr hoch: „Bei alten Menschen und Säuglingen ist beispielsweise die Möglichkeit der Hitzeregulierung oft eingeschränkt. Besonders betroffen sind aber auch Menschen, die im Freien arbeiten, Schwangere, Obdachlose, Drogen- und Alkoholabhängige sowie Sportler“, sagt Nakoinz.

Experten fordern nationalen Hitzeschutzplan

Als Vorbereitung auf die steigenden Temperaturen fordern viele Mediziner sowie Pflegende und KLUG einen nationalen Hitzeschutzplan. Bislang existieren kaum Konzepte für den Hitzeschutz. Einzelne Kommunen gehen laut Nakoinz zwar mit gutem Beispiel voran, auch Köln hat 2018 einen „Hitzeaktionsplan für Menschen im Alter“ erarbeitet. Breite Bündnisse, die Kliniken, Pflegeeinrichtungen, die Feuerwehr, Apotheken, aber auch Schulen und Kitas miteinander verknüpften, gebe es aber noch zu selten. Sie fordert deshalb, den Hitzeschutz gesetzlich zu verankern.

„Es braucht hier klare Zuständigkeiten wie zum Beispiel Hitzeschutzbeauftragte in allen Einrichtungen, aber auch in Firmen, analog zu Datenschutzbeauftragten.“ Hitzeschutz müsse gerade in öffentlichen Einrichtungen als Pflichtaufgabe im Arbeitsschutz festgeschrieben werden. „Dazu gehört dann zum Beispiel auch, dass der Hitzeschutzbeauftragte nicht nur dafür sorgt, dass Rollläden bereitstehen, sondern dass diese auch vor dem Sommer gewartet werden, damit sie an den heißen Tagen dann auch funktionieren.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reagierte und kündigte vor einigen Tagen nun einen Hitzeschutzplan für ganz Deutschland an. „Wir müssen feststellen, dass wir in Deutschland gegen den Hitzetod nicht gut aufgestellt sind“, sagte der SPD-Politiker. Lauterbachs Plan ist es, Ärzte, Pflegende und Mitarbeitende im Gesundheitswesen an einen Tisch zu bekommen, um ein nationales Hitzekonzept nach französischem Vorbild zu erarbeiten.

Im Nachbarland ist ein mehrstufiges Warnsystem bei Hitze schon seit 2004 Routine. Steigen die Temperaturen, werden im ganzen Land automatisch Schutzmaßnahmen ausgelöst. Dazu gehört erstmal eine flächendeckende Information der Risikogruppen, die dazu aufgerufen werden, genug zu trinken, tagsüber die Fenster geschlossen zu halten, sich zu schonen oder klimatisierte Räumlichkeiten aufzusuchen. Für Deutschland spricht Lauterbach von App-basierten Informationen sowie einer Webseite zum Thema.

Uns wurde beigebracht, wie wir unterkühlten Personen helfen können. Überhitzung stand kaum auf der Agenda
Andrea Nakoinz

Mit Informationen für die Bevölkerung allein wird die Zahl der hitzebedingten Todesfälle allerdings nicht in den Griff zu bekommen sein. Hitzeschutz muss laut Nakoinz Teil der medizinischen und pflegerischen Ausbildung werden. „Im Studium wurde uns beigebracht, wie wir unterkühlten Personen helfen können. Da ging es zum Beispiel um Obdachlose im Winter oder um ertrinkende Menschen. Wie gefährlich Hitze ist und was ich als Medizinerin dann tun muss, stand dagegen kaum auf der Agenda.“

Vermittelt werden muss auch, dass Medikamente bei Hitze anders wirkten, so können bei hohen Temperaturen laut Nakoinz beispielsweise unerwünschte Nebenwirkungen von Neuroleptika oder Antidepressiva auftreten, so dass die Dosis gegebenenfalls reduziert werden muss. „Hier wünschen wir uns klare Standards und gesonderte Medikamentenpläne für heiße und kühlere Perioden.“ Aber auch pflegende Angehörige benötigten Schulungen, um an Hitzetagen für Abkühlung und Schonung sorgen zu können.

Nach den Berechnungsmodellen der AOK würde sich der Aufwand lohnen. Mit Hitze- und Klimaschutzmaßnahmen prognostizieren die Experten allein für Ehrenfeld für das Jahr 2100 eine Zahl von 638 hitzebedingten Krankenhauseinweisungen – verglichen mit der Prognose ohne Maßnahmen wäre das immerhin ein Minus von zwei Dritteln.

KStA abonnieren