Illegale Partys in KölnWarum die Veranstalter vorher bei der KVB angerufen haben

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Rave Symbol

Spontan und zwanglos: Zahlreiche Partygänger zieht es auf illegale Open-Air-Partys. (Symbolbild)

  • Am Wochenende hat die Polizei eine illegale Party in einem Parkhaus in Junkersdorf beendet. Eine von vielen in Köln.
  • Allein in diesem Jahr wurden dem Kölner Ordnungsamt bereits 36 illegale Technopartys gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte weit darüber liegen.
  • Wir haben mit dem Veranstalter der Parkhaus-Party, der Polizei und der Stadt gesprochen.
  • Warum die Party nur ein „Plan B“ war, was Party-Gängern für Strafen drohen, und was das Problem mit Open-Airs in Köln ist.

Köln – Justin J. hatte fest damit gerechnet, dass die Polizei auftauchen würde, die Frage war nur wann. Seine Antwort hatte er um 2.39 Uhr: Nach viereinhalb Stunden sprengten die Beamten seine Veranstaltung. Viereinhalb Stunden Party. In einem Parkhaus in Köln-Marsdorf. Mit Bühnen, Boxen, DJs – und Hunderten Besuchern. Alles illegal.

Justin J. ist einer der Veranstalter des Raves, der am vergangenen Juli-Wochenende im Kölner Westen von der Polizei aufgelöst wurde. Ein Wachmann hatte die Feiernden entdeckt und die Beamten gerufen. Die offizielle Pressemitteilung am Tag darauf begann mit dem Satz: „Polizei Köln stellt klar: Solche Aktionen können strafrechtliche Folgen haben!“

Von solchen Folgen ist Justin J. bisher verschont geblieben. Der 22-Jährige hofft, dass das so bleibt, auch wenn die KVB als Betreiberin des Parkhauses derzeit eine Anzeige prüft. „Wir tun ja niemandem etwas und wir wollen keinen Gewinn. Wir wollen nur Musik spielen und Menschen glücklich machen“, versichert J. „Klar, wir machen uns strafbar“, sagt er, „aber wir machen es für unsere Community.“

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Von Feiernden zweckentfremdet: das Parkhaus in Marsdorf

Dass die KVB laut Aussage eines Sprechers nach der Party ein Graffiti und zerbrochene Flaschen entdeckt hat, passt J. nicht ins Konzept. „Es soll niemandem Schaden entstehen. Wir haben Helfer, die den ganzen Abend Flaschen einsammeln. Wir rufen jeden Besucher dazu auf, keinen Müll zu hinterlassen. Wir kontrollieren am Ende die ganze Location und räumen auf“, sagt er. Vom Graffiti hat sich J. nach dem Hinweis der KVB selbst ein Bild gemacht. „Wir kümmern uns, dass die Schweinerei beseitigt wird.“

Die Party in Marsdorf war die zweite illegale Veranstaltung, die der 22-Jährige „mit seinen Jungs“ in Köln organisiert hat. Die erste fand in einem Waldstück statt. Als das Ordnungsamt davon Wind bekam, war der Abbau bereits in vollem Gange.

Am vergangenen Wochenende hingegen war die Konfrontation kalkuliert: Der Party-Ort, das Parkhaus nahe dem Autobahnkreuz Köln-West, war laut J. nur eine Notlösung, dem wechselhaften Wetter geschuldet. Denn eigentlich wollen die Veranstalter vor allem eines: draußen feiern. „Es ist unheimlich schwer, in Köln kleine Open-Airs zu organisieren“, sagt J.

Party Junkersdorf gepixelt

Besucher der illegalen Parkhaus-Party

Gerne würde er einfach eine Grünfläche für acht Stunden mieten oder auch langfristig pachten, um darauf kleine Veranstaltungen zu ermöglichen, „aber das ist fast unmöglich. Man braucht Rettungssanitäter, Security, viel Absperrung. Das kostet eine Menge.“ Er habe immer wieder versucht, eine Genehmigung zu erhalten, um „nur Musik für Menschen zu streamen“, ohne Schank-Lizenz, „aber keine Chance“.

Auf die Idee, all die Auflagen zu umgehen, und spontan und ohne Restriktionen zu feiern, kommen in Köln viele. Allein in diesem Jahr wurden dem Ordnungsamt bislang 36 illegale Technopartys gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen: Partys, über die sich niemand beschwert, und von denen die Behörden nichts mitbekommen. Denn meist suchen sich die Initiatoren dafür abgelegene Orte aus, wie Waldstücke oder Industriegebiete.

Veranstalter riefen die KVB vor der Party selbst an

Die Planung einer solchen Party dauere etwa vier bis sechs Wochen, so Justin J. Zunächst würden die Veranstalter einen Ort aussuchen, an dem Musik möglichst keine Anwohner stört und der für Besucher leicht zu erreichen ist. Das Geld für Sprit und das Equipment komme aus der eigenen Tasche und dem Freundeskreis. Informationen darüber, wann und vor allem wo die Party stattfindet, würden über Mundpropaganda verbreitet oder per Nachrichten im kleinen Kreis. Im Fall der Parkhaus-Party sei die endgültige Entscheidung für den Ort spontan gefallen. „Wir haben vorher bei der KVB angerufen und uns erkundigt, ob das Parkhaus in der Nacht leer sein würde. Wir wollten nicht, dass da private Autos stehen. Aber uns war klar: Das ist Privateigentum, es gibt Wachleute – und Kameras“, sagt J. Er hoffe, dass auf den Kameras zu sehen sei, dass sie auf die Umgebung aufgepasst haben.

Mit dem Aufbau hätten die „Jungs“ am Abend begonnen: Zwei Stages, Gerüstböden mit Rücken und Stütze, Musikanlagen. Eigentlich waren zwölf DJs für den Abend geplant, doch als die Polizei auftauchte, hatten erst sechs ihr Set gespielt.

„Die Polizei war freundlich“, sagt Justin J. „Sie haben die Personalien aufgenommen und gesagt, dass die KVB von ihrem Hausrecht Gebrauch macht und wir das Gelände verlassen sollen – und dass uns eine Anzeige drohen könnte.“ Die Besucher hätten dann direkt das Gelände verlassen, etwa zwei Stunden später seien die Veranstalter dann mit Abbau und Aufräumen durch gewesen.

Sozial, leicht, ohne Zwang

Gesetzesbruch auf der einen, Verantwortungsbewusstsein auf der anderen Seite: Für Michael G. ist das kein Widerspruch. Der 40-Jährige war schon öfter auf illegalen Technopartys in Köln und hat nach eigener Aussage immer wieder erlebt, dass die Veranstalter penibel darauf achten, dass Besucher keinen Schaden anrichten oder Müll hinterlassen. Die nicht genehmigten Partys seien „die schönsten Erfahrungen, die ich hier gemacht habe“, sagt er. „Das Soziale, die Leichtigkeit, kein Zwang: Das zieht genau solche alternativen, sozialen Menschen an.“ Und G. sieht noch einen weiteren Vorteil: „Die Partys sind meist kostenlos. Clubs nehmen zehn oder 15 Euro, Poller Wiesen 40 Euro – das können sich viele nicht leisten.“

Genau dieses Argument bringt auch Justin J. an. „Wir wollen etwas Kleines, Einfaches machen, an dem jeder teilnehmen kann. Nicht kommerziell. Und wenn uns die Stadt entgegen kommen würde, könnten wir Ersthelfer oder Toilettenhäuschen organisieren.“ Das Ziel seien nicht illegale, sondern spontane, legale Open-Airs.

Müll Parkhaus Junkersdorf klein

Aufgeräumt: gefüllte Müllsäcke und eingesammelte Flaschen nach der Party

Entgegenkommen ist für die Stadt eines der Hauptprobleme. Eine derartige Nutzung der Kölner Grünflächen brauche „auf jeden Fall eine Genehmigung“, so ein Sprecher der Stadt. Die Anfragen dafür würden sich häufen, und „im Falle einer Erlaubniserteilung würde ein entsprechender Rechtsanspruch auch aller anderen Interessenten und Antragsteller entstehen“. Damit wäre man schnell bei einer Überbeanspruchung der Flächen, die überwiegend als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen sind und zur Erholung dienen.

Auch die Auflagen könnten nicht willkürlich gelockert werden. „Es muss zum Beispiel Fluchtwege geben und geschultes Personal, dass diese freihält“, erklärt ein Sprecher der Polizei. Zudem könne es zu unvorhersehbaren Zwischenfällen kommen, die ein hohes Gefahrenpotential entwickeln können.

Dass Dinge schnell aus dem Ruder laufen können, zeigt etwa das Beispiel einer illegalen Party in der Nähe von Hürth vor einigen Jahren: Sie endete damit, dass Gäste Heuballen auf einem Feld anzündeten. Die Polizei weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass solche Parties nicht nur für die Veranstalter, sondern auch für die Teilnehmer ein juristisches Nachspiel haben können.

Der Kampf der Kölner Feiernden für mehr Open-Air-Flächen für nicht-kommerzielle Nutzung tobt schon seit Jahren. 2017 startete die Initiative „Open Air Cologne“ eine entsprechende Petition – und scheiterte an der erforderlichen Unterschriftenzahl. Auch Justin J. hofft weiter darauf, dass der Bedarf für entsprechende Flächen einer breiteren Öffentlichkeit und auch der Stadt klar wird. Im nächsten Jahr will er zu diesem Zweck eine Demonstration organisieren. Für diesen Sommer planen er und seine Freunde erst einmal die nächste Party. Die soll dann möglichst im Wald stattfinden.

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