Infektiologe erklärtWie eine neue Kombinationstherapie Covid-19 bekämpfen könnte

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Seit Monaten wird intensiv an Wirkstoffen gegen das Coronavirus geforscht.

  • In einer britischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass das Medikament Dexamethason in der Behandlung von Covid-19-Patienten eine erhebliche Wirkung hat.
  • Wie ist das Medikament im Kampf gegen das Coronavirus zu bewerten? Zu diesem Thema haben wir uns mit dem Kölner Infektiologen Gerd Fätkenheuer unterhalten.
  • Der Wissenschaftler denkt, dass das Medikament in einer Kombinationstherapie mit dem Wirkstoff Remdesivir einen großen Fortschritt darstellen könnte.

 Die Euphorie ist nach ersten Studien zum Thema Dexamethason groß, die WHO spricht von einem Durchbruch. Warum?

Zunächst einmal wäre ich vorsichtig mit dem Wort „Durchbruch“. Auch, weil bislang nur sehr wenige Daten aus der Studie veröffentlicht wurden. Welche Ergebnisse die Studie im Detail gebracht hat, können wir heute noch nicht sehen. Wir können allerdings festhalten, dass eine sehr gute Studie erstmals nachgewiesen hat, dass ein Medikament die Sterblichkeit bei Covid-19 signifikant senken kann.

Wie wirkt Dexamethason auf Infizierte?

Das Medikament ist uralt, es ist ein Cortison-Präparat, das laufend angewandt wird. Es spielt schon heute bei einigen Infektionserkrankungen eine Rolle – und zwar immer dann, wenn nicht nur die Infektionen selbst den Schaden anrichtet, sondern zusätzlich eine zu starke Immunreaktion. Eine Immunreaktion ist zwar grundsätzlich gewünscht, doch bei Infektionskrankheiten wie Covid-19 kann eine außer Kontrolle geratene Überreaktion des Körpers zur Lebensgefahr werden. Für Situationen wie diese sind Cortison-Präparate immer eine Überlegung wert. Dass Dexamethason nachweislich bei der Bekämpfung der Corona-Auswirkungen hilft, ist sehr erfreulich. Insbesondere der Effekt bei Patienten, die im späten Krankheitsstadium künstlich beatmet werden, macht Hoffnung.

Eine weltweite Studie, an der auch Sie beteiligt waren, hat ergeben, dass der Wirkstoff Remdesivir im ersten Stadium der Erkrankung hilft, in dem die Gefahr vom Virus ausgeht. Dexamethason hilft nun also im zweiten Stadium. Würde sich eine Kombinationstherapie anbieten?

Auf jeden Fall. Genau dieses Szenario wäre aus meiner Sicht ideal. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Ansätze, die auf verschiedene Arten wirken. Nach dem derzeitigen Wissensstand – noch ist Vorsicht angebracht – haben wir mit diesen zwei Mitteln gute Wirkungsmöglichkeiten in beiden Phasen der Erkrankung. Dexamethason ist auch deshalb so wichtig, weil wir gesehen haben, dass Remdesivir nicht in späten Stadien der Erkrankung hilft, in denen die Überreaktion des Immunsystems eine große Rolle spielt. Kombiniert man beide Medikamente, könnte sich ein erhöhter Behandlungseffekt ergeben.

Lassen sich die Studien zu Remdesivir mit jenen zu Dexamethason vergleichen?

Nein, man kann grundsätzlich nicht Ergebnisse von zwei unterschiedlichen Studien direkt miteinander vergleichen. Außerdem waren die Forschungen unterschiedlich angelegt, die Remdesivir-Studie zielte beispielsweise nicht primär auf Daten zum Thema Sterblichkeit ab, die Dexamethason-Studie offensichtlich schon.

Erlangt die Dexamethason-Studie aus diesem Grund bei der WHO eine so große Beachtung?

Das hat mehrere Gründe. Ja, zum einen ist die Sterblichkeit der härteste Parameter, den man testen kann – wobei auch mit dem Medikament in der Studie viele Menschen an Covid-19 gestorben sind. Zweitens haben wir es mit einem Medikament zu tun, das seit Jahrzehnten bekannt, günstig und weltweit verfügbar ist. Für die WHO spielt dieser Faktor eine sehr große Rolle. Drittens sprechen wir von der erstmaligen Möglichkeit, die schädliche Immunantwort auf das Coronavirus zu therapieren.

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Sie äußerten vor einigen Wochen die Hoffnung, dass die Kombination von Medikamenten einen Impfstoff im Idealfall temporär ersetzen könnte. Inwiefern stimmt Sie Dexamethason in dieser Hinsicht zuversichtlich?

Es ist ein weiterer Baustein. Zwar wurde die Kombinationstherapie noch nicht getestet, medizinisch liegt diese Möglichkeit aber auf der Hand. Wichtig ist, die Stärken jedes Medikaments geschickt zu nutzen – und die Schwachstellen nicht zum Tragen kommen zu lassen. Wenn das gelingt, bin ich sehr optimistisch. Doch Dexamethason ist nicht das Ende der Fahnenstange. Wir brauchen in Zukunft noch mehr Kombinationsmöglichkeiten.

Rund ein halbes Jahr seit Beginn der Pandemie sprechen wir nun über das zweite wirksame Medikament. Außerdem wird an rund 150 Impfstoffen geforscht, auch in der Reproduktion von Antikörpern gibt es Fortschritte. Hätten Sie medizinische Fortschritte in diesem Tempo für möglich gehalten?

Es ist extrem viel geistige, wissenschaftliche und finanzielle Energie in die Corona-Forschung gesteckt worden. Das hat zu sehr erfreulichen und beachtlichen Entwicklungen geführt. Auf der anderen Seite ist es nicht genug: Wir müssen unbedingt weiter forschen, wenn wir die Pandemie zum Stillstand bringen wollen. Die bisherigen wissenschaftlichen Fortschritte, so viel kann schon gesagt werden, sind genauso einzigartig und erstaunlich wie die umsichtige gesamtgesellschaftliche Reaktion auf das Virus.

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