„Ich bin spießiger als mein Mann“Wie eine kölsche Kurdin und ein kölscher Türke Weihnachten feiern

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Naide und Curt Findeisen

Naide und Curt Findeisen (54 und 56) - sie kommt aus dem kurdischen Teil der Türkei und wurde konservativ erzogen. Ein türkischer Mann kam für sie nie infrage.

Wäre es nach dem Willen ihrer Eltern gegangen, hätte Naide Findeisen früh einen türkischen Mann geheiratet - und nicht studiert.

Weihnachten feiern Naide und Curt Findeisen mit ihren Kindern traditionell mit Weihnachtsbaum, Lichtern, Liedern, Geschenken, Festessen – „das ist mir wichtiger als meinem Mann, da bin ich viel spießiger“, sagt Naide Findeisen. „Ich fand Weihnachten schon als Kind toll, als wir es noch nicht gefeiert haben. Da habe ich die anderen Kinder beneidet.“

Ich durfte nicht an Klassenfahrten teilnehmen und nicht mit Jungs ins Kino, während meine älteren Brüder all das durften – das fand ich sehr ungerecht
Naide Findeisen

Naide Türkmen war sieben, als sie aus der kurdischen Provinz Sivas nach Köln kam. Ihr Vater war als so genannter Gastarbeiter gekommen und hatte die Familie nachgeholt – zuerst die Frau, dann die Kinder. Erzogen worden sei sie nicht streng religiös, aber konservativ, erinnert sich die 54-Jährige: „Ich durfte nicht an Klassenfahrten teilnehmen und nicht mit Jungs ins Kino, während meine älteren Brüder all das durften – das fand ich sehr ungerecht und habe mich dagegen gewehrt.“

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Ihre Mutter sei Analphabetin gewesen, ihr Vater konnte auf wenige Jahre Schulbildung zurückblicken. „Für meine Eltern war es selbstverständlich, dass sich die Mädchen um den Haushalt kümmern sollten, früh heiraten und Kinder bekommen – für mich war früh klar, dass ich das auf keinen Fall möchte.“

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Auf der Gesamtschule in Höhenhaus sei sie auf viele Kinder antiautoritärer Eltern getroffen, für die es selbstverständlich war, auf Partys mit Jungs zu gehen und später auch bei Jungs zu übernachten. „Das war meine Welt“, sagt Naide Findeisen, „von der ich meiner Familie natürlich nichts erzählen konnte.“ Sie habe viel lügen müssen in ihrer Jugend. „Das war nicht leicht – aber anders ging es nicht.“

Als die Eltern ihr nach dem Abitur sagten, dass es ja nun an der Zeit sei, ans Heiraten zu denken, habe sie freundlich erwidert, dass das für sie nicht infrage komme. Stattdessen studierte sie Medizin und genoss das Leben. „Für mich war auch klar, dass ich keinen türkischen Mann heiraten möchte“, sagt sie. In Klettenberg sprach sie auf der Straße ein netter Mann an, ein Nachbar, der sie nicht zum ersten Mal gesehen hatte: Curt Findeisen. „Als ich sie das erste Mal mit nach Hause nahm, sagte Naide am Morgen lachend: Jetzt musst du mich heiraten!“, erinnert er sich.

Um ihre Hand angehalten habe ich dann auf Türkisch
Curt Findeisen

Ein Spaß, doch ein halbes Jahr später stellte Naide Curt tatsächlich ihrer Familie vor. „Um ihre Hand angehalten habe ich dann auf Türkisch“, sagt Curt Findeisen. Naides älterer Bruder habe geflachst, ob er sich seine Schwester denn auch leisten könne und genug Kamele als Mitgift in die Ehe einbringe. Das Eis sei schnell gebrochen gewesen. „Meine Mutter hat sich vor allem gefreut, dass ich überhaupt noch heirate – ich war schon 30“, sagt Naide Findeisen.

Curt Findeisens Mutter war Lehrerin an einer Kölner Hauptschule, prinzipiell tolerant – sie habe allerdings am Esstisch auffallend oft über türkische Schüler gesprochen und was sie alles für sie getan habe. „Ganz einfach war das nicht – aber wir sind leichtfüßig damit umgegangen.“ Die Leichtfüßigkeit hat sich auf ihre drei Kinder übertragen, die alle türkische und deutsche Vornamen haben, sich über die Bezüge zu beiden Kulturen freuen – und die über Herkunft gar nicht diskutieren wollen, weil es für sie kein Thema ist.

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Ihre Beziehung sei dagegen für einige bis heute ein Thema: „Wenn wir mit der Familie in die Türkei gefahren sind, wo wir eine Wohnung haben, wurde ich immer wieder gefragt, ob es in Deutschland keine türkischen Männer gebe“, sagt Naide Findeisen. „Und einige meiner Patienten wundern sich bis heute, warum ich einen deutschen Nachnamen habe und Türkisch spreche.“ Als es ums Heiraten ging, wusste sie schnell, dass sie den Familiennamen ihres Mannes annehmen möchte: „Das ist zum Beispiel für die Wohnungssuche leider bis heute von Vorteil – und einen Doppelnamen Findeisen-Türkmen wollten wir beide nicht.“

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