iPads in der GrundschuleDas wischende Klassenzimmer von Köln

Grundschüler arbeiten mit dem iPad, im Hintergrund Schulleiterin Anne Lena Ritter
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Köln – Jacub sucht Clownfische. Trotz der um ihn herum schwirrenden Mitschüler ist der Siebenjährige in die Aufgabe vertieft. Er guckt sich Bilder von Fischen auf dem Tablet-Computer an, um sie später auf ein Plakat zu malen. „Ich finde es toll, Sachen im Internet rauszusuchen und neue Ideen zu sammeln“, sagt der Erstklässler und wischt mit dem Finger über das Gerät.
In der Michael-Ende-Grundschule in Ehrenfeld geht es in einer Projektwoche um die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Man kann sich zu Hexen und Druiden ausbilden lassen oder sich gleich mit der Entstehung der Welt befassen.
Beim Modellprojekt zum Einsatz der Tablet-Computer haben Schulen aller Schulformen teilgenommen. Für die Grundschulen war die Schule in der Mainzer Straße in der Südstadt dabei. Die Leistungsfähigkeit der technischen Rahmenbedingungen muss erhöht werden, damit unter Umständen Hunderte Schüler gleichzeitig einen Computer nutzen und ins Internet gehen können. Netcologne übernimmt als Partner der Stadt die technische Begleitung.
Es gibt zwei Modelle zum Einsatz: So gibt es einige Schulen, die Klassensätze an iPads haben, die in der Schule herumgereicht werden. Beim „Boyd“-Modell („Bring your own device“) bekommen alle Schüler ein eigenes Gerät, das sie auch mit nach Hause nehmen. Bislang zahlen die Eltern für die Anschaffung. Bei Menschen mit geringerem Einkommen gibt es Zuschüsse vom Verein „Neue Medien für Kölner Schüler“ und gegebenenfalls vom Förderverein der Schule. Perspektivisch sollen Eltern durch ein geringeres Büchergeld wieder etwas entlastet werden, weil immer mehr digitale Schulbücher entstehen werden.
Das Argument, dass eigentlich doch die Stadt und der Staat das neue Lernmittel bezahlen solle, konnte sich bislang nicht durchsetzen. (fra)
Überall kommt die Technik zum Einsatz. Schüler erstellen mit dem iPad Comics, entwickeln eigene Geschichten. Eine Gruppe, die „einen Vulkan bauen“ will, guckt zur Vorbereitung hochkonzentriert ein Video zu einem Experiment an, das die einzelnen Arbeitsschritte beschreibt. Die Zweitklässlerin Galadriela filmt ein Rollenspiel ihrer Mitschüler. Hinterher machen sie sich ein Bild über die eigenen Leistungen. Alles, was die Kinder in dieser Woche geleistet haben, wird für ein für ein E-Book zusammen gefasst.
Am letzten Tag der Projektwoche können so Schüler, Eltern und Lehrer sehen, was die Kinder erarbeitet haben. Die moderne Technik sei eine „Ergänzung und Verstärkung“, sagt Lehrer Simon Rudolph, der als „Medienbeauftragter“ der katholischen Grundschule den Einsatz der iPads und der dazu gehörenden Präsentationstechnik begleitet. Die Technik solle nichts ersetzen, sorge aber für zusätzliche Möglichkeiten und Motivation. „Das Lernen macht einfach mehr Spaß“, bestätigt ein Schüler.
Weg in die Zukunft
Die Michael-Ende-Grundschule hat sich alleine auf den Weg in die Zukunft gemacht. Ihre Erfahrungen nach den ersten Monaten sind ähnlich wie die der acht Schulen, die an einem einjährigen Modellprojekt im Rahmen einer Forschungs- und Entwicklungskooperation von Stadt und Universität mitgemacht haben. In der nächsten Sitzung des Schulausschusses Ende April wird der Direktor des Instituts für Physik und ihre Didaktik, André Bresges, den Abschlussbericht vorstellen. „Das Fazit ist positiv.“ Er wirbt dafür, dass die Kooperation weiter geht. Jede Schule, die mitmacht, soll von einer studentischen Hilfskraft begleitet werden.
Die beteiligten Schulen berichten von vielen neuen Möglichkeiten: In nahezu allen Fächern eröffnet der Tablet-Computer eine bessere individuelle Förderung, gute Präsentationen von Lernergebnissen, effektive Selbstlernkontrolle oder Recherchen zu allen möglichen Themen. Die Einsatzmöglichkeiten scheinen unbegrenzt, immer neue Anwendungsprogramme kommen hinzu.
Aber es bleiben auch offene Fragen: Die Abhängigkeit von Computer-Großkonzernen ist genauso ein Problem wie die Finanzierung des teuren Lernmittels für alle. Und auch die Einführung ist nicht ohne Tücken. Der Einsatz der Technik im Unterricht sei eben etwas anderes als damit Abends auf dem Sofa zu sitzen, so Bresges. „Man muss genau hinschauen und ausprobieren, wie man das iPad sinnvoll in den Unterricht integriert“, sagt auch Lehrer Simon Rudolph. „Wir sind alle noch keine Experten.“
Gemeinsam lernen
Schüler und Lehrer lernen gemeinsam – eine ungewohnte neue Erfahrung. „Manchmal kennen sich die Kinder sogar besser aus“, so Schulleiterin Anne Lena Ritter. Mittlerweile seien alle Lehrer im Kollegium vom Nutzen und Sinn des iPad-Einsatzes überzeugt. Jedes Kind könne besser nach seinen persönlichen Fähigkeiten gefördert werden.
Außerhalb der Schule gibt es durchaus noch Zweifel, bei Grundschulen sind sie noch größer als bei anderen Schulformen. Ritter und Rudolph glauben, dass man unbedingt Rücksicht aufs Alter nehmen muss. So sind beide dagegen, dass jeder Schüler ein eigenes iPad bekommt und dieses auch mit nach Hause nimmt. Manches sei in der Grundschule einfach noch „zu früh“, so Rudolph. Das spreche aber nicht dagegen, die neue Technik auch in Grundschulen einzusetzen – aber eben gezielt.
Ein weiterer gravierender Kritikpunkt verbindet sich mit der Frage nach dem schlechten baulichen Zustand vieler Schulen. Der ist auch bei der Ehrenfelder Schule ein Problem, zudem fehlt ihr nichts Geringeres als eine Turnhalle. „Man darf das nicht gegeneinander aufrechnen“, sagt Rudolph. „Wir wollen in allen Bereichen die Talente der Kinder fördern.“
Neben den Möglichkeiten im Unterricht eröffnet die digitale Technik eine weitere spannende Perspektive: Der Austausch von Erfahrungen und Unterrichtsmaterialien, der in der Michael-Ende-Schule zur Zeit noch im Lehrerzimmer stattfindet, könnte durch die Vernetzung aller mitmachenden Schulen bald in viel größerem Rahmen laufen. Bresges hofft auf ein „Kompetenznetzwerk“, das die Unterrichtsqualität für alle Schüler verbessern wird.