„Kalif von Köln“Warum Metin Kaplans Sohn auf 50.000 Euro in bar schlief

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Metin Kaplan_2005

Metin Kaplan auf einem Foto aus dem Jahr 2005

Köln – Die Razzia Ende Juni in der Wohnung in Köln-Seeberg zielte auf eine prominente Person in der Islamisten-Szene ab: Als die Beamten um sechs Uhr morgens Fatih Kaplan, 42, aus dem Schlaf rissen und ihm einen Haftbefehl präsentierten, reagierte dieser sichtlich überrascht. Bei der Durchsuchung der Wohnung wurden die Ermittler bald fündig. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ entdeckten die Kripo-Beamten in einer Plastiktüte unter seinem Bett 50.000 Euro in bar. Geld, das mutmaßlich aus Spenden der Mitglieder des verbotenen extremistischen Kaplan-Verbandes (ICCB) stammt.

Der Tatverdächtige ist der Sohn eines Hasspredigers, der Ende der 1990er-Jahre als einer der führenden Republikfeinde galt: Metin Kaplan, türkischer Staatsbürger, besser bekannt als der „Kalif von Köln“. Insgesamt durchstöberten die Staatsschützer im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz 50 Objekte, drei Beschuldigte wanderten in Untersuchungshaft, ermittelt wird gegen 41 Funktionäre aus sechs Bundesländern. Im Kern geht es um den Verdacht, dass die Tatverdächtigen den verbotenen Islamisten-Verband wieder zu alter Größe aufbauen wollen.

Sohn des „Kalifen von Köln“ im Visier der Ermittler

Vor 22 Jahren hatte der Düsseldorfer Staatsschutzsenat seinen Vater wegen eines Mordaufrufs gegen einen Rivalen zu vier Jahren Haft verurteilt. Halil Ibrahim Sofu starb in Berlin durch etliche Schüsse. Der Täter wurde nie gefasst. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erließ das Verbot gegen die Kaplan-Vereinigung. Die Behörden schoben das Oberhaupt nach verbüßter Haftstrafe in seine türkische Heimat ab. Dort machte ihm die Justiz erneut den Prozess – und zwar wegen Hochverrats.

Kaplan soll großangelegte Anschlagspläne ausgeheckt haben. Erst im Jahr 2016 kam der an Krebs erkrankte „Kölner Kalif“ wieder frei, weil ein türkisches Gericht entschied, an den Vorwürfen sei nichts dran. Seither, so die Ermittlungen, soll Kaplan wieder die Geschicke der deutschen Sektionen lenken. Dabei soll sein Sohn eine herausragende Rolle spielen. Laut Strafverfolger soll Fatih Kaplan als Mittler zwischen dem Vater und den Sympathisanten in Deutschland fungieren, die ihrem Anführer auch nach dem zeitweiligen Niedergang die Treue hielten.

Weitreichendes Islamisten-Netzwerk

Vermerke der rheinland-pfälzischen Staatsschützer, die dieser Zeitung vorliegen, offenbaren ein weitreichendes Netzwerk. Längst träumen die Kalifatsanhänger wieder vom Koran als einzigem gesellschaftlichen Leitfaden, die Scharia (islamische Gesetzessammlung) gilt als einzige Richtschnur, das Kalifat (weltliche und geistliche Herrschaft über alle Muslime) als einzig selig machende Staatsform. An der Spitze steht laut der Ideologie der Kaplan-Eiferer ihr abgeschobenes Oberhaupt. Er soll die auf mehrere hundert Anhänger geschätzte Radikalen-Organisation über Live-Stream-Predigten oder über seine Vertrauten von der Türkei aus lenken.

In Deutschland sollen den Ermittlungen zufolge bis vor einem  Jahr drei Männer die Geschicke der Verschwörer organisiert haben. Die drei Hocas (geistliche Lehrer) agierten demnach von Göttingen, Duisburg und Eschweiler aus. Unterhalb der Führungsebene sollen sogenannte „Regional-Kommandanten“ die Bezirke wie Köln, Aachen, Duisburg gesteuert haben. Fatih Kaplan soll hierbei Spenden eingesammelt und als Vertrauter seines Vaters dessen Willen ausgeführt haben. Laut Staatsanwaltschaft war er deutschlandweit der „Ansprechpartner für verschiedenste Anliegen der Kalifatsstaats-Mitglieder“. Auf Anfrage dieser Zeitung gab der Anwalt Fatih Kaplans zu Protokoll man wolle sich zu keinem der Vorwürfe äußern.

Telefonate der Islamisten abgehört

Abgehörten Telefonaten zufolge soll der selbsternannte Kalif auch von der Türkei aus immer noch die Zügel in Deutschland in der Hand gehalten haben. Doch nach und nach wuchs offenbar die Kritikerschar. Im Mai 2020 vollführte etwa die Gruppe „Im Auftrag des Islam“ den offenen Bruch mit Kaplan. In einem vierstündigen Video bezweifelten die Verfasser, dass Metin Kaplan noch fähig sei, einen islamischen Staat zu führen.

Im Jahr darauf erfolgte das große Reinemachen: Nachdem sein Sohn ihm den Ermittlungen zufolge eingeflüstert hatte, dass es etliche weitere Kritiker in den eigenen Reihen gebe, ordnete Metin Kaplan demzufolge an, die Führungsspitze in Deutschland zu entfernen. Ein Telefonat jagte das andere. Der Verbandschef soll die Anweisung gegeben haben, auch die drei Deutschland-Chefs von ihren Aufgaben zu entbinden. Anschließend soll es darum gegangen sein, eingesammeltes Spendengeld in sechsstelliger Höhe bei den Abtrünnigen wieder auszulösen.

Fatih Kaplan soll das Geld eingesammelt haben

In Telefonaten sprachen die Protagonisten stets von „geliehenem Gut“. Viele dieser Zuwendungen soll Fatih Kaplan kassiert haben. Das Geld könnte dann an seinen Vater geflossen sein. Bewiesen ist das bisher aber nicht. Fatih Kaplans Anwalt äußert sich auch zu diesem Vorwurf nicht.

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Am 27. Juni 2021 jedenfalls soll Fatih Kaplan den Ermittlern zufolge „ein Treffen der Bosse“ in einer Moschee in Bad Kreuznach organisiert haben. Vermutlich ging es um eine Neuausrichtung des illegalen Kaplan-Verbandes. Zuvor hatte sich wohl eine Front gegen den Sohn des Kölner Kalifen gebildet. Demnach soll Fatih Kaplan bei seinem Vater gegen Führungskräfte mit falschen Aussagen intrigiert haben. In einem belauschten Telefonat mokierten sich Anhänger darüber, dass Fatih unfähig sei.

„Dann brennt hier der Baum“

Von „falschen Informationen“ ist die Rede, die den obersten Hodscha in der Türkei zu falschen Entscheidungen veranlasst hätten. Die NRW-Staatsschützer haben den Türken Fatih Kaplan inzwischen zum Prüffall zwecks Aufnahme in die Gefährder-Datei gelistet. Ungleich mehr fürchtet die Anti-Terror-Abwehr vor allem eines: „Und zwar, wenn der Vater unbemerkt zurückkehrt, und wir das nicht direkt mitbekommen.“ Für Metin Kaplan gilt zwar ein Einreiseverbot. Was aber, wenn der Fundamentlist still und heimlich im Bus oder im Auto unerkannt nach Köln fährt? „Dann brennt hier der Baum“, meint ein Ermittler.

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