Kölner WohnungsbauInklusive WG zieht in Neubau auf dem Gelände der alten Polizeiwache in Kalk

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Lara Mettendorf und Paul Haurand stehen vor dem Baugerüst

Lara Mettendorf und Paul Haurand an der Baustelle Kantstraße

Einziehen werden vier körperlich beeinträchtigte Menschen, die dort mit vier weiteren Kölnern zusammenleben und voneinander profitieren wollen.

Lara Mettendorf wohnt derzeit in einem Pflegeheim, aber da kann sie sich „nicht entfalten“, wie sie erzählt: „Dort lebe ich hauptsächlich mit geistig eingeschränkten Menschen zusammen. Ich bin aber körperlich eingeschränkt, das hat nichts miteinander zu tun.“ Häufig werde da nicht großartig unterschieden, meint auch Paul Haurand: „Anfangs habe ich sogar eine Schule für geistig behinderte Menschen besucht.“

Weil sie künftig in Wohnverhältnissen leben möchten, die ihren besonderen Bedürfnissen, Wünschen und Möglichkeiten entsprechen, wollen die beiden Studenten im kommenden Jahr zusammenziehen. Und zwar in eine inklusive Wohngemeinschaft (WG), die speziell auf Mitglieder mit körperlichen Einschränkungen zugeschnitten ist.

Inklusive WG in Kalk entsteht auf 380 Quadratmetern

Die GAG macht’s möglich: Derzeit errichtet das Immobilienunternehmen auf dem ehemaligen Grundstück der Polizeiwache an der Ecke Kappellenstraße/Kantstraße einen Neubau nach Passivhausstandard, ausgestattet mit Wärmepumpe und Gasbrennwerttherme. „Hier entstehen insgesamt 29 öffentlich geförderte Wohnungen in unterschiedlichen Größen, von einem bis zu fünf Zimmern. Die inklusive WG liegt im Erdgeschoss und hat gut 380 Quadratmeter“, erklärt GAG-Architekt Richard Kaus.

Das Gebäude in der Außenansicht

So soll das Gebäude mit der inklusiven WG im Erdgeschoss einmal aussehen.

Acht junge Menschen sollen hier einmal einziehen, vier mit körperlichen Einschränkungen. Jeder wird ein Einzelzimmer von 27 Quadratmetern Größe bewohnen, hinzu kommen Gemeinschaftsräume wie ein 32 Quadratmeter großes Wohnzimmer oder der 42 Quadratmeter große Koch- und Essbereich.

Experiment soll Hilfe und Miete verrechnen

Das Ganze ist ein Experiment, denn die nicht-eingeschränkten WG-Mitglieder sollen ihre Mitbewohner unterstützen, im Haushalt, aber auch beispielsweise bei Ausflügen in die Stadt, bei Einkäufen, beim Kinobesuch – wo immer ihnen ein selbstbestimmtes Leben nicht ohne Hilfe möglich ist. Diese Hilfe aber soll honoriert und mit der Miete verrechnet werden: „Mir zum Beispiel steht jetzt schon ein Assistent zu, wenn ich mich außerhalb des Pflegeheims bewege“, erklärt Mettendorf, bei anderen körperbehinderten Menschen sei das ähnlich.

Damit verfügen die körperlich eingeschränkten Bewohner schon mal über ein gewisses Budget. Wie später einzelne Hilfsleistungen genau honoriert und mit den zuständigen Pflegeversicherungen abgerechnet werden, ist jetzt die große Frage. Ihre Beantwortung wird vermutlich einigen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen.

Mitwirkende der inklusiven WG in Kalk: (v.l.). Robert Oswald vom Assistenzdienst für Mettendorf, Lara Mettendorf, Sabine Seitz, Paul Haurand, Monika Schneider, Richard Kaus.

Mitwirkende der inklusiven WG in Kalk: (v.l.). Robert Oswald vom Assistenzdienst für Mettendorf, Lara Mettendorf (Bewohnerin), Sabine Seitz (GAG), Paul Haurand (Bewohner), Monika Schneider (Agentur Wohnkonzepte), Richard Kaus (Architekt).

Jedenfalls haben Lara Mettendorf, Paul Haurand und die beiden anderen körperlich eingeschränkten jungen Leute, die in die WG einziehen werden, schon einmal den Verein „Zusammen. Anders. Wohnen“ gegründet, der zum Beispiel Spenden von Stiftungen akquirieren kann. Für die Anschaffung einer unterfahrbaren Einbauküche oder eines passenden WG-Fahrzeugs beispielsweise. Auch ein Sozialpädagoge oder ein Heilerziehungspfleger soll beschäftigt werden, dafür ist ebenfalls ein Zimmer reserviert. Zusätzlich wird ein Pflegedienst mit der Betreuung pflegebedürftiger Bewohner beauftragt.

In der neuen Kalker WG organisieren die Bewohner alles selbst

„Es war schon optimal, dass die GAG uns frühzeitig in die Planungen der Räume einbezogen hat“, sagt Monika Schneider, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Agentur Wohnkonzepte Schneider, die Wohngemeinschaften für Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf bei der Entwicklung innovativer Wohnkonzepte berät. Auch die GAG betritt Neuland, das Unternehmen hat zwar insgesamt 36 Wohngruppen für Menschen mit Beeinträchtigungen im Bestand, wie Sabine Seitz, zuständige Mitarbeiterin im Sozialmanagement der GAG, berichtet: „Aber die arbeiten fast alle mit Trägern aus dem Bereich Pflege zusammen, hier organisieren die Bewohner alles selbst.“

Wenn alles gut läuft, kann die WG bis Ende August 2024 einziehen, sagt Architekt Kaus unter Vorbehalt: „Wenn es keine Personal- oder Lieferengpässe gibt.“ Bis dahin suchen die vier eingeschränkten Bewohner noch nach vier interessierten „Normalos“: „Es müssen auch nicht unbedingt Studenten sein“, sagt Monika Schneider. Interessenten können sich unter der Telefonnummer 0221/120 80 50 bei ihr melden.

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