Beobachtung durch PolizeiPolitiker lehnen Videoüberwachung in Köln-Kalk ab

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An der Kalker Hauptstraße sollen Kameras installiert werden.

Köln-Kalk – Die Kalker Grünen schlagen Alarm: Ab Anfang März hängt die Polizei auf der Kalker Hauptstraße im Abschnitt zwischen den Arcaden und der Kapelle, sowie auf Teilen der Kalk-Mülheimer-Straße und der Trimbornstraße  insgesamt 26  Überwachungskameras auf. Dies schüchtere  Menschen unnötig ein, meinen die Grünen: „Jede Person muss sich grundsätzlich frei im öffentlichen Raum bewegen können, ohne Sorge zu haben, dass sie oder er dabei beobachtet wird – beim Einkaufen, beim Unterhalten mit Bekannten oder beim Eis essen.“

Straftaten lassen sich durch die Überwachung in Kalk nicht verhindern

Auch verfehle die Polizei mit der „lückenlosen Beobachtung auf den wichtigsten Fuß- und Radwegen Kalks“ das eigentliche Ziel. Denn Straftaten ließen sich auf diese Weise nicht verhindern, die Täter würden lediglich in die nicht überwachten Wohnstraßen in der Umgebung abgedrängt.

Vorurteile werden geschürt

Zudem zementierten die Videokameras bestehende Vorteile dem migrantisch geprägten Stadtteil gegenüber. Berivan Aymaz, Landtagsabgeordnete der Grünen und Direktkandidatin im Wahlkreis Kalk-Innenstadt, sieht gar „die Gefahr rassistischer Diskriminierungsmuster bei der Strafverfolgung“.

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Dass in Kalk Überwachungskameras aufgehängt werden sollen, ist nicht neu: Im Dezember fand eine Kundgebung unter dem Motto „No Cams in Kalk“ statt, der sich auch einige Bezirkspolitiker  angeschlossen hatten.

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Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer (SPD) berichtet, dass man bereits im Sommer 2020 im Rahmen der Gespräche des Kalker „Kriminalpräventiven Rats“, zu dem sich Vertreter der Politik, der Polizei und der Verwaltung in unregelmäßigen Abständen treffen, informiert worden sei. Eine Verpflichtung zur Beteiligung der Kommunen oder auch nur zur  detaillierten Information aber bestehe bei solchen Überwachungsmaßnahmen  laut § 15a des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen nicht. Es erlaubt der Polizei die eigenständige „Datenerhebung durch den offenen Einsatz optisch-technischer Mittel“.

Kalker CDU möchte die Überwachung nicht als Dauerzustand

Auch die CDU-Fraktion in der Kalker Bezirksvertretung (BV) ist nicht glücklich mit dieser Situation. Zwar stehe man „hinter unserer Polizei. Wir sehen keinerlei Anlass, unserer Polizei zu misstrauen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Gero Fürstenberg. Kalk sei nun mal ein „Kriminalitätshotspot“ geworden. „Wir mahnen allerdings gleichzeitig mehr Transparenz gegenüber dem Bürger und den politischen Vertretern an.“ Eine Videoüberwachung des öffentlichen Raumes dürfe auch „nicht zum Dauerzustand werden“, sondern müsse nach drei oder vier Jahren evaluiert werden.

Claudia Greven-Thürmer möchte sich  der grundsätzlichen Ablehnung der Grünen ebenfalls nicht anschließen: „Gerade ältere Menschen erzählen mir in der Bürgersprechstunde häufig von einem  Gefühl der Unsicherheit, wenn sie sich in den genannten Bereichen aufhalten. Wenn  Kameras dazu beitragen, dass sich Passanten  sicherer fühlen, ist schon etwas gewonnen.“ Allerdings sei sie „nicht überzeugt, dass uns das weiterhilft, lieber wären mir zusätzliche Polizeibeamte auf der Straße.“ Auch die Bedenken der Grünen, dass sich potenzielle Täter von  Videokameras nicht abschrecken ließen und in die Nebenstraßen auswichen, hält sie für nachvollziehbar. „Und wie die Grünen denke ich, dass wir nach einem Jahr Bilanz ziehen und genau untersuchen sollten, ob das wirklich etwas gebracht hat.“

Polizei sieht in Videoüberwachung probates Mittel zur Aufklärung

Polizeihauptkommissarin Annemarie Schott von der Pressestelle der Kölner Polizei bestätigt, dass die „Bewertung einer Örtlichkeit als Kriminalitätsschwerpunkt“ Voraussetzung für die Prüfung einer Videoüberwachung sei: „Dies gilt für die genannten Bereiche in Kalk“. Zwar könne „eine abschließende Aussage, dass ausschließlich die Videobeobachtung zu einer bestimmbaren Veränderung in bestimmten Deliktfeldern oder Einsatzbereichen führen werden, bisher nicht getroffen werden“. Dennoch zeige die Analyse von Überwachungsmaßnahmen mittels Videokamera, dass sie „insgesamt einen Rückgang der Fallzahlen sowie eine Erhöhung der Aufklärungsquoten“ bewirke.

Nach 14 Tagen werden die Daten gelöscht

Auf der Online-Seite der Polizei Nordrhein-Westfalen ist nachzulesen, dass seit Ende 2016 „die stationäre Videobeobachtung zur Verhinderung von Straftaten und Gefahrenlagen“ im Bereich Dom/Hauptbahnhof sowie auf der Partymeile Ringe“zwischen Rudolfplatz und der Parkanlage Kaiser-Wilhelm Ring eingesetzt wird. Seit Oktober 2019 kamen sukzessive Ebertplatz, Breslauer Platz, Neumarkt und Wiener Platz hinzu. Die Kalker Überwachungskameras wären die ersten ihrer Art außerhalb des Innenstadt-Bereichs.

Insgesamt  seien in Köln derzeit 73 Videokameras zur öffentlichen Videobeobachtung jeweils 24 Stunden im Einsatz. Sieben weitere Kameras am Breslauer Platz mussten nach einer einstweiligen Verfügung des Verwaltungsgerichts Köln vom Januar 2021 abgeschaltet werden. Die Polizei Köln habe dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt.

Die Videobilder würden in der Videozentrale und Leitstelle der Kölner Polizei „durch speziell geschulte Mitarbeiter“ jeden Tag „rund um die Uhr live beobachtet und bewertet“. Ziel sei es, „sich anbahnende Straftaten oder Gefahrenlagen“ frühzeitig zu erkennen und durch schnelle Entsendung von Einsatzkräften zu verhindern. Die Videodaten würden „gespeichert und nach 14 Tagen automatisch gelöscht, sofern sie nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren dienen“.Im Übrigen informierten Hinweisschilder über die Videobeobachtung, und bei friedlichen Versammlungen in den Beobachtungsbereichen finde keine Videobeobachtung statt. Seit November 2020 würden in solchen Fällen die fest installierten Kameras „durch herunterfahrbare Rollos sichtbar verdeckt und die drehbaren Kameras in den betreffenden Videobereichen erkennbar weggeschwenkt.“ (hwh) http://koeln.polizei.nrw/artikel/polizeiliche-videobeobachtung-in-koeln

Der Kalker Ortsverband der Linken hatte anlässlich der Kundgebung im Dezember auf anderslautende  Untersuchungen hingewiesen, die darauf hindeuteten, dass „die Kameras für Straftäterinnen und Straftäter nicht abschreckend wirken.“ Angesichts des erheblichen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei der Einsatz von Kameras unverhältnismäßig: „Dort, wo die Kameras aufgehängt werden, zeichnen sie auf, wer sich welche Zeitung am Kiosk kauft oder wo er einen Döner bestellt. Damit kann man sogar in Wohnungen hineinschauen. Das ist alles gesetzlich verboten “, sagt Heinz Peter Fischer, Fraktionsvorsitzender der Linken in der BV Kalk.

Die Linke will zur Videobeobachtung eine Anfrage an das Innenministerium stellen

Fischer hat Verständnis für das Argument von der „gefühlten Sicherheit“. Die Kalker Hauptstraße sei nun mal dreckig, auch hielten sich dort viele Menschen mit Problemen auf, einige verkauften Drogen, andere konsumierten Alkohol, auf den Gehwegen seien Wohnungslose und bettelnde Menschen unterwegs, es werde zu viel gepöbelt. „Aber diese Probleme können nicht polizeilich bearbeitet werden. Das ist pure Sozialpolitik, hier geht es um Armut, Wohnungsnot, hohe Mieten, Mangel an Sozialarbeit und psychologischer Hilfestellung.“

Die Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz kündigt an: „Zu den Hintergründen der Videobeobachtung in Köln-Kalk werde ich eine Kleine Anfrage an das Innenministerium stellen.“

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