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Kölns älteste TanzgruppeSekt im Bus und Tanz auf der Straße – Eine Nacht mit den „Hellige Knäächte un Mägde“

Lesezeit 5 Minuten
Die Traditionstanzgruppe Hellige Knäächte un Mägde auf Tour im Karneval. In Holweide tanzen sie spontan vor dem Haus der Mutter einer Magd.

Spontanauftritt auf der Straße in Holweide: Die Hellige Knäächte un Mägde.

Was macht eine Tanzgruppe aus? Wir haben Kölns älteste eine Nacht lang im Bus begleitet. Vom Fertigmachen im laufenden Kneipenbetrieb bis zum Spontantanz auf der Straße.

Sie sind die älteste Tanzgruppe im Kölner Karneval: Seit 200 Jahren nehmen die „Hellige Knäächte un Mägde“ am Rosenmontagszug teil. Wir haben sie in ihrem Jubiläumsjahr eine Nacht lang begleitet. Mit dem Bus ging es aus der Kölner Innenstadt zu einem Auftritt nach Leverkusen. Zwischen Gesangseinlagen im Bus, Aufwärmen in der Stadthalle, zwischen Mettbrötchen und Kölsch und einem Tanz auf der Straße bei Minusgraden wird klar, was die Tanzgruppe ausmacht.

Vorbereitung in Kölner Kultkneipe Bei d'r Tant

19.30 Uhr: Bei d’r Tant, Cäcilienstraße Ins obere Stockwerk der Kneipe zu gelangen kann an einem Freitagabend ein paar Minuten in Anspruch nehmen. Bei laufendem Betrieb machen sich die Mägde hier vor jedem Auftritt fertig. Neben Kölschstangen stehen Make-Up-Koffer, in denen zwischen Lippenstift und Puder auch Nadeln und Gaffa-Tape herumfliegen. Die gestärkten und gebügelten Schürzen, Kragen und Ärmel müssen sich gegenseitig angezogen werden. „Alleine geht das nicht“, sagt Elena.

20.03 Uhr: Im Bus vor dem Rautenstrauch-Joest-Museum Abfahrt. Die Mägde haben sich im Bus auf ihre Koffer gesetzt, um sich die Röcke nicht plattzudrücken. Präsident Thomas Andersson warnt die Truppe vor: „Für alle Nachteulen: Morgen um zehn Uhr - morgens! - fährt der Bus wieder ab!“ In den letzten Wochen der Session sind die „Helligen“ gut gebucht.

Kölsch-Stopp an der Malzmühle und Anstoßrituale auf der Autobahn

20.11 Uhr: Im Bus, Kölner Innenstadt Vom Feiern hält die Warnung niemanden ab. Jule ist für die Musik verantwortlich, zwischen Karnevalsliedern laufen Partyschlager und 80er-Songs. Es folgt das Anstoßritual: „Un mer dun et jään, immer noch, Prost! Auf das was wir lieben, auf uns!“

20.16 Uhr: Malzmühle Ein paar Minuten nach Aufbruch bleibt der Bus das erste Mal stehen. An der Malzmühle holen die Knäächte traditionell Kölsch ab. Aus dem Maritim gegenüber kommen Blaue Funken, aus der Malzmühle Bürgergardisten. „Was gibt es heute für Snacks?“, fragt Jule. „Schnitzel von Mama Berger!“, ruft Lena zurück. Tupperdosen voll Käsespieße und Pizzaschnecken machen die Runde. Und die „Nie-mehr-leer-Dose“, die mit immer neuen Süßigkeiten gefüllt wird.

20.40 Uhr: Auf der Autobahn, irgendwo zwischen Köln und Leverkusen Die Reporterin wird über die Gepflogenheiten der Gruppe aufgeklärt. Jung-Knäächte tragen in ihrem ersten Jahr noch einen Plastikorden, bevor sie einen Richtigen bekommen. Im Bus müssen sie für den Sektnachschub bei den Frauen sorgen. Die Mägde tragen eine besondere Kette. Tut das beim Tanzen nicht weh, wenn sie immer wieder auf den Brustkorb schlägt? „Ach, das merke ich schon gar nicht mehr“, sagt Sophia.

Tim unterbricht mit einer Ansage vom Bus-Mikrofon das Gespräch. „Leute, seid ihr bereit?“ Das Jubiläumslied, angelehnt an die Flippers, wird abgestimmt. Der Bus grölt. „Wir sagen Dankeschööön, 200 Jahre die Hellige...“ Rote Leuchtstäbe werden geschwungen. Danach läuft Udo Lindenberg.

Warmmachen zwischen Mettbrötchen und schnauzbärtigen Karnevalisten

21.02 Uhr, Bushaltestelle Opladen Ankunft. Im Bus geht das Licht an. Lena hat noch schnell ihren Schuh mit Klebeband notdürftig repariert. Der Lippenstift wird nachgezogen, die Schweißbänder eingepackt.

21.10 Uhr, Stadthalle Opladen Im Vorraum des Saals drängen sich neben der Tanzgruppe ein Leverkusener Spielmannszug, Männer mit wuchtigen Schnauzbärten hauen auf die Trommel, alles vibriert. Mettbrötchen werden verteilt, zwischen Sporttaschen und Instrumenten machen die Helligen Kniebeugen und Dehnungen.

„Wir machen keinen Spagat. Dann passt das schon“

21.35 Uhr, Vorrraum „Die Bühne ist Mini“, sagt Maxi nach einem Blick in den Saal. „Das Rednerpult kommt noch weg, dann können wir mit fünf Paaren vorne tanzen“, antwortet Fabio. „Wir machen es so, dass sich alle sicher fühlen.“ „Wir machen dann am Ende keinen Spagat, sondern gehen aufs Knie. Dann passt das schon“, sagt Lena.

21.45 Uhr, im Saal Musik ab, Einzug. „Jetzt tanzen für euch, auf urkölsche Art, die Hellige Knäächte un Mädgde!“, ruft der Sitzungspräsident. Die Gruppe tanzt drei Nummern, jede Drehung, jede Hebung, jedes Lächeln ist abgestimmt. Zwischen den Tanzenden sind teils nur Zentimeter Platz. Doch es passt. Zum Tanz zu Willi Ostermanns „Heimweh noh Kölle“ erhebt sich das Leverkusener Publikum zum Schunkeln. Ältere Damen wischen sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Euphorischer Applaus, Auszug.

22.14 Uhr, zurück im Bus Die Wollstrumpfhosen werden wieder drübergezogen, die letzten Schnitzel von Mama Berger hervorgeholt. „Der Saal war so cool“, sagt Sophia. „Die Leute sind alle aufgestanden.“ Ist das so besonders? „In anderen Sitzungen gehen die Leute manchmal aus dem Saal, wenn die Tanzgruppen kommen“, sagt Sandy.

22.25, auf der Autobahn zwischen Leverkusen und Köln Die Jungknäächte ergreifen das Mikrofon. „Alle Mädels die Becher raus!“ Aperol, Sekt, Orangenscheiben und Eis scheinen tatsächlich seit Stunden im Bus überlebt zu haben. Es läuft Chers „Believe“.

Spontanauftritt auf den Straßen Kölns

22.43 Uhr, Holweide Die Gruppe macht einen Zwischenstopp auf dem Rückweg. Celinas Mutter, eine ehemalige Magd, hat heute Geburtstag. Bei Minus 1 Grad stellt sich die Tanzgruppe auf der Straße auf. Als Überraschung wird die Ostermann-Nummer noch einmal auf der Straße getanzt. Zwei vorbeilaufende junge Männer schauen etwas unglücklich. Celinas Mama ist gerührt. Die Knäächte und Mägde begleiten sich selbst. „Ich mööch zo Fooss noh Kölle jon“, hallt es durch Holweide.

23.17 Uhr, Bei d’r Tant Der Bus ist zurück am Startpunkt, die Knäächte un Mägde verlassen den Bus. Nach Hause geht nur ein kleiner Teil der Gruppe. „Wir gehen noch in die Hofburg feiern!“, sagt Sandy. Morgen um 10 werden sie von der Tant aus zum nächsten Auftritt aufbrechen. Aber bis dahin sind es ja noch ein paar Stunden.

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