Karneval im UmlandKölner Redner berichtet über Pöbeleien bis hin zur Morddrohung

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JP Weber steht als Horst Muys auf der Bühne.

JP Weber trat bei der Proklamation als Horst Muys auf.

Der Kölner Redner JP Weber hat am Wochenende nach eigenen Angaben einen Auftritt abgebrochen. Im Umland komme es immer wieder zu schlimmen Entgleisungen.

„Bitte bleibe bei deinen Vorträgen, weiterhin nicht ganz so stromlinienförmig wie viele Kollegen und erfreue uns mit Musik, Späßen und besonders Kritik an der politischen Situation!“ Der Absender dieses Kommentars auf Facebook ist aus Düsseldorf, Adressat ist JP Weber. Der Kölner Musiker und Redner hat nämlich nach eigenen Angaben ein Wochenende hinter sich, das selbst für einen gestandenen Profi nicht leicht zu verdauen ist.

Bei gleich mehreren Auftritten im Umland sei es zu verbalen Entgleisungen gekommen, sagt Weber im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, hörbar bewegt. Es habe eine Morddrohung und persönliche Beleidigungen gegeben, Gläser seien in Richtung Bühne geflogen. Wer der Gesellschaft den Spiegel vorhalte, müsse auch einstecken können, weiß Weber, aber was bei einigen seiner Auftritte zuletzt im Umland passiert sei, habe eine Grenze überschritten.

JP Weber bricht Auftritt in Ratingen ab

„Außerhalb von Köln ist das für uns Künstler vielerorts eine Art Gladiatorenkampf“, sagt Weber. Das sei auch in der Vergangenheit schon so gewesen. Am Wochenende aber habe bei einem Auftritt jemand im Publikum „ich bring' dich um“ gerufen. Er sei zuvor niemanden verbal angegangen, betont Weber. Die Frage nach dem Warum beantwortet Weber unter anderem mit Alkoholkonsum. „Wenn die Leute nach Köln kommen, dann sind sie liebevoll eingeschüchtert durch den Dom. Aber in ihrem Heimatort fühlen sie sich mächtig und spielen diese Macht unter Alkohol aus.“ Gerade der Alkohol sei jene Droge, die häufig zur Eskalation führe. So sei er in Leverkusen schon öfter als „Scheiß-Kölner“ beleidigt worden.

Bei den Roten Funken in Ratingen brach Weber den Auftritt nach 20 Minuten ab, wie er erzählt. „Es gab nicht nur Probleme mit dem Licht, das minutenlang aus war. Es war laut - während meines Auftritts fand ein Ordensempfang statt, und der Sitzungspräsident meinte schließlich zu mir: ,Mach Musik – interessiert mich nicht, was du denkst.'“

Volker Weininger führt eine schwarze Liste

Sitzungsleiter und Funken-Präsident Michael Droste bestätigt den Abbruch des Auftritts, schildert die Genese jedoch völlig anders. Weber sei schon mit schlechter Laune und offenbar genervt auf die Bühne gekommen. Es sei zunächst laut im Saal gewesen – nach einem Musikbeitrag nicht ungewöhnlich. „Ich muss aber mein Publikum in Schutz nehmen, erst recht, wenn es von dem Künstler im Foyer als asoziales Pack beleidigt wird.“  

Auch Volker Weininger, bekannt als „Der Sitzungspräsident“, sah sich gezwungen, in dieser Session einen Auftritt abzubrechen – in Köln. Der Vorfall beim „Petermann Schunkelball“ der KG Ponyhof am 11. Januar sei jedoch eine Ausnahme gewesen: „Das war bisher meine einzige Negativerfahrung in dieser Session.“ Nach rund zehn Minuten verließ Weininger die Bühne. „Die Leute waren einfach nicht bereit, zuzuhören. Da ist man machtlos.“

Der KG, die sich im Anschluss auch bei Facebook entschuldigte, wolle er dabei keinen Vorwurf machen. Der Abbruch eines Auftritts sei die absolute Ausnahme und eine Notlösung. Trotzdem habe er nach vielen Jahren als einer der gefragtesten Redner im Kölner Karneval mittlerweile eine „schwarze Liste“, wie er verrät. Darauf stehen Sitzungen, auf denen er nach Negativerfahrungen nicht mehr auftreten werde.

Besonders wichtig für den Erfolg eines Redners auf einer Sitzung ist auch der Sitzungsleiter, darin sind sich Volker Weininger und Guido Cantz einig. Der müsse sich schon anstrengen, den Saal vor einem Redner zu beruhigen, auch wenn das einige Minuten dauern kann. Und das sei im Umland genauso schwierig wie in Köln, findet Cantz. Unterschiede gebe es eher zwischen den Formaten: „Im Festzelt ist es natürlich schwieriger als im Gürzenich.“ Und zu später Stunde bei höherem Alkoholpegel sei es immer anstrengender, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erlangen und zu halten. Wenn das mal nicht funktioniert, sei Abbrechen für Cantz aber keine Option. „Das ist eben unser Job“, meint er. Und: „Man muss sich im Vorfeld auch darauf einstellen, dass man kämpfen muss und es aushalten muss.“

Bernd Stelter hat genau für solche Situationen, die durchaus vorkommen könnten, auch wenn es selten sei, eine Strategie: „Ich singe im Notfall.“ Wenn das Publikum nicht zuhören wolle, stimme er eben „ich hab drei Haare auf der Brust“ an, das klappt auch im unruhigen Saal. „Abbrechen geht nicht“, findet er. Aber auch er achte grundsätzlich darauf, nicht mehr auf Sitzungen aufzutreten, wo er ein unruhiges Publikum erwartet. Viel schöner seien dann Nischensitzungen wie Janz Höösch der Blauen Funken oder die Flüstersitzung der Großen Kölner, wo das Publikum gezielt für die Reden kommt.

Das Thema sei im Karneval nicht neu, allerdings habe die Unruhe im Saal in den vergangenen Jahren noch mal ein wenig zugenommen, stellt Horst Müller fest. Der Chef der Agentur Event- und Künstleragentur „Go“ sieht die Gefahr, dass es Sitzungen mit dem klassischen Charakter zunehmend schwerer haben werden. Damit meint Müller den stetigen Wechsel zwischen Musik, Rede und Tanz. Bei Flüstersitzungen oder anderen Veranstaltungen hingegen, wo nur Redebeiträge vorkommen, sei die Aufmerksamkeit hervorragend. Ebenso gebe es reine Party-Formate, „die sehr gut laufen“, so Müller.

JP Weber dagegen meint, „eine Karnevalssitzung muss alles sein“. Alte und junge Menschen müssen unter einen Hut gebracht werden. „Um es mit Ludwig Sebus zu sagen: 'Et gilt, et Brauchtum zo bewahre'.“

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