Kebekus, Schönenborn und Ehlenbeck zu Weiberfastnacht„Dieses kölsche Gefühl, das man nirgends sonst kriegt“

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Andrea Schönenborn, Irina Ehlenbeck und Carolin Kebekus (v.l.) beim Gespräch unter Wievern.

Andrea Schönenborn, Irina Ehlenbeck und Carolin Kebekus (v.l.) beim Gespräch unter Wievern.

Köln – An Weiberfastnacht feiert die ganze Stadt die Eröffnung des Straßenkarnevals. Dann wird sechs Tage lang richtig Gas gegeben, so habe ich es in den letzten fünf Jahren, die ich in Köln wohne, erlebt. Aber wie feiern echte Kölner, die hier aufgewachsen und auch als Künstler im Karneval aktiv sind? Um das herauszufinden, habe ich mich mit mit diesen drei kölschen Wievern getroffen:

Ein Gespräch unter Weibern zu Weiberfastnacht.

Mädels, ihr seid alle in Köln aufgewachsen. Was bedeutet Weiberfastnacht für euch und wie feiert ihr? 

Irina Ehlenbeck: Ich komme aus einer komplett jecken Familie und bin mit dem Straßenkarneval groß geworden. Ab Oktober bestelle ich tausend Stoffe, schneidere mir jedes Jahr ein neues Kostüm und mache am Abend vor Weiberfastnacht sogar Probe-Schminken, damit auch ja alles sitzt. Am Donnerstag selbst gehe ich dann regelmäßig mit einer Freundin in eine urkölsche Kneipe in Klettenberg, weil dort so richtig schöne kölsche Musik gespielt wird. Dort senken wir den Altersdurchschnitt zwar gewaltig, aber das macht uns nix. Viele denken, dass wir uns wie viele andere in unserer Generation nur besaufen wollen, aber das stimmt nicht. Wir trinken schön gemächlich im Wechsel zwei Kölsch und ein Wasser. Das schöne Gefühl soll ja den ganzen Tag halten und nicht schon um elf Uhr vorbei sein, weil man in der Ecke liegt. Dieses Jahr muss ich zum ersten Mal komplett umplanen: Bühne statt Kneipe.

Alles zum Thema Carolin Kebekus

Carolin Kebekus: Zu Teenager-Zeiten ging es für mich tatsächlich nur ums Saufen. Da bin ich mit meinen Freunden aus der Schule getürmt, wir sind ab zum Fischmarkt am Rheinufer und haben da gesoffen wie die Eimer. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass meine Freunde und ich damals das Komasaufen erfunden haben. Die ganzen abgestürzten Kids aus den Boulevardreportagen sind alles bloß billige Nachahmer von uns.

Spaß beiseite: Karneval hat eben auch eine ekelhafte Seite und die hat sich in den letzten Jahren nochmal deutlich verschärft. Nicht umsonst fahren viele Leute, die in der Altstadt oder auf der Zülpicher Straße wohnen, über Karneval weg, weil an den Tagen einfach nur Berge von Erbrochenem vor ihrer Haustür liegen. Das ist nicht mehr schön. 

Und wie feierst du heute?

Carolin: Karneval ist bei mir im Kalender komplett geblockt. An den sechs Tagen arbeite ich nicht, sondern will nur feiern und alte Freunde wiedertreffen, die zurück in die Stadt kommen. An Weiberfastnacht treffen wir uns in großer Runde bei einer Freundin zum Frühstück und versacken dann auch meistens dort. Es ist viel schöner mit Freunden und guter Musik eine Haus-Party zu feiern, als von einer vollen Kneipe zur nächsten zu ziehen, nirgendwo reinzukommen und am Ende gefrustet zu sein, weil man die Hälfte der Gruppe unterwegs verloren hat. Und inzwischen hat es sich an Weiberfastnacht zu einer schönen Tradition entwickelt, dass dort vor dem Haus meiner Freundin alle Generationen zusammenkommen. Meine Eltern sind dabei, Freunde haben ihre Babys im Schlepptau. Für mich ist das einer der emotionalsten Momente im Karneval, dieses kölsche Gefühl, dass man nirgendwo sonst kriegt und das man nicht beschreiben kann. 

Irina: Hach ja, wenn ich das so höre, blutet mir auch ein bisschen das Herz, weil ich dieses Jahr nicht mit meiner Familie feiern kann. Wir haben vier Auftritte an Weiberfastnacht, was für Newcomer schon echt viel ist. Aber ich packe für den Tag dann ein Karnevals-Lunch-Paket inklusive Mettbrötchen, Frikadellen und Käsehappen.

Wie viele Auftritte haben die Funky Marys als etablierte Kölner Band an Weiberfastnacht?

Andrea Schönenborn: Wir haben zehn oder elf Auftritte, aber das ist für uns völlig normal. Ich liebe die Open-Air-Veranstaltungen an Weiberfastnacht und kenne das auch nicht anders. Seit meinem fünften Lebensjahr verbringe ich Weiberfastnacht auf der Bühne. Wenn ich dann zum Alter Markt komme und die Jecken sehe, die da seit fünf Uhr morgens mit Schnittchen und Schnäpschen in der ersten Reihe stehen, dann bin ich total gerührt. Das ist für mich wie nach Hause kommen.

Ich freue mich übrigens die ganze Session auf Weiberfastnacht, auch wenn man da als Künstler in der Regel am allerschlechtesten verdient, weil man an diesem Tag viele Auftritte ohne Gage macht. Die Künstler schlagen sich beispielsweise darum, auf dem Wilhelmplatz in Nippes auftreten zu dürfen. Die Stimmung dort ist einmalig, da will jeder Musiker am liebsten auf der Bühne dabei sein.

Weiberfastnacht markiert ja den Übergang vom Sitzungs- zum Straßenkarneval. Wie waren die Sitzungen dieses Jahr bisher für euch?

Carolin: Ich bin ja eher im alternativen Karneval unterwegs und hab da meine eigene Sitzung, bei der ich Präsidentin bin. Das ist was ganz anderes als die traditionellen Sitzungen.  Die kann man meiner Meinung nach nur aushalten, wenn man sich vorher schon komplett abschießt – aber nicht mit Kölsch, sondern mit Schnaps!

Mir wird speiübel, wenn ich mir vorstelle, ich müsste im Maritim bei einer Frack-Sitzung oder so auftreten. Die einzige halbwegs klassische Sitzung, zu der ich gehe, ist die FC-Sitzung. Aber das ist die Ausnahme.

Andrea: Ich bin seit mehr als 30 Jahren im traditionellen Karneval unterwegs und sage dir: Früher war der noch steifer als heute. Inzwischen gibt es immer mehr Partys und Bälle, die Einfluss auf die traditionellen Sitzungen nehmen. Klar gibt es noch die steiferen Sitzungen mit Damen im Ballkleid und Herren im Frack. Ich persönlich würde da eher nicht hingehen sondern viel lieber auf ausgelassene Kostümsitzungen. Übrigens sind auch viele Herrensitzungen lockerer, die Männer wollen Party machen und Spaß haben.

Lesen Sie im folgenden Abschnitt, welche Rolle Frauen heute im Karneval spielen und wie sie dabei verdienen.

Was war die coolste Sitzung, auf der ihr dieses Jahr wart?

Andrea: Also Vettweiß war schon super. Fünf Mädchensitzungen im Zelt à 2000 Wiever, die allesamt komplett ausrasten. Das war total geil!

Carolin: Aus eurer Sicht glaube ich das sofort. Aber ich kenne auch Jungs-Bands, die echt blass werden, wenn sie von der „Hölle von Vettweiß“ erzählen. Ich nenne jetzt keine Namen, aber das muss schon krass sein.

Irina: Die Frauen dort bilden eine Art Gasse im Saal, mit den Händen zur Mitte, wo die Bands auf ihrem Weg zur Bühne durchmüssen. Die Gasse wird „Höllentunnel“ genannt, weil die Jungs da überall begrabbelt werden, wirklich überall. Also auf Karnevalssitzungen sind Frauen im Gegensatz zu Männern oft die krasseren Machos.

Wie hat sich der Sitzungskarneval für die Funky Marys verändert?

Andrea: Die leisen Töne gehen leider verloren. Inzwischen wirst du als Künstler daran gemessen, wie viel Party du in einen Saal bringst. Wenn der ganze Saal steht und johlt, wird das als Zeichen für eine gute Band gewertet. Mit Balladen hat man heute keine Chance mehr, gebucht zu werden. Das war früher anders.

Immerhin gibt es inzwischen mehr Frauen auf den Karnevalsbühnen als früher, oder?

Carolin: Ja, trotzdem ist der Karneval immer noch ein komplett von Männern dominiertes Geschäft. Pro Sitzung wird maximal eine Frauen-Band gebucht, auch wenn gleichzeitig fünf Jungs-Bands im Programm sind.

Verdieden Frauen schlechter als Männer im Karneval?

Carolin: Na klar, wie überall. Wenn man als Frau karriereorientiert ist und mehr Gehalt für einen Job fordert, wird man schnell als zickig und schwierig abgestempelt. Wenn ein Mann diese Forderungen stellt, wird das als Durchsetzungsvermögen gewertet. Da unterscheidet sich der Kölner Karneval nicht von irgendeiner anderen Branche.

Andrea: Aus meiner Sicht richtet sich die Höhe der Gage nach der Qualität der Band nicht nach dem Geschlecht. Aber es ist sicher so, dass pro Veranstaltung nur eine Frauenband gebucht wird und es deswegen weniger potenzielle Auftrittsmöglichkeiten gibt. Der Preis eines Musikers wird aber auch definitiv davon bestimmt, ob du live spielst oder nicht. Der Kölner Karneval ist ein Live-Geschäft, das seinesgleichen in Deutschland sucht. Dass die Funky Marys mit Halb-Playbacks singen, macht sie zu Exoten in der Szene und reduziert die Auftrittsmöglichkeiten noch einmal. Viele Veranstalter im traditionellen Karneval bestehen halt auf Live-Bands, was ich auch verstehen kann. Deswegen bieten die Funky Marys auch an, auf Wunsch mit Kapellen-Begleitung zu singen. Aber oft sind die Kapellen dann einfach nicht gut genug.

Was entscheidet über den Erfolg einer Band im Karneval?

Andrea: In jedem Fall die Kontinuität. Wenn die Besetzung einer Band zu oft wechselt, ist das schlecht. Die Leute brauchen feste Gesichter, an die sie sich erinnern können.

Carolin: Seit es „Loss mer singe“ gibt, sind auch die Texte viel entscheidender als früher. Das Karnevalspublikum hat ein scharfes Gehör und seit der Mitsingabende setzen die Jecken sich noch viel genauer mit den Liedtexten auseinander. Für die Musiker hat das den tollen Effekt, dass die Leute nahtlos mitsingen können.  Ich stand neulich mit den Imis auf der Bühne und wir haben zum ersten Mal unser Lied „Zurück noh Kölle“ live performt. Wenn die Leute dann jede Zeile mitsingen können, ist das ein unglaubliches Gefühl.

Andrea: „Loss mer singe“ hat in den letzten Jahren auch enormen Einfluss auf den Sitzungs-Karneval genommen. Wir wollten mit den Funky Marys beispielsweise auch mal einen rockigen Party-Song machen. Und jetzt ziehen wir mit „Ich will danze“ durch die traditionellen Sitzungs-Säle und knallen das Lied auch den alten Herren um die Ohren. Witzigerweise funktioniert das super, selbst auf elitären Sitzungen überträgt sich unsere Feier-Stimmung auf das Publikum.

Irina: Genau genommen sind die ganzen aktuellen Hits der jungen Bands ja gar keine klassischen Karnevals-Lieder. In keinem Lied von Kasalla oder Cat Ballou geht es um die jecken Tage. Trotzdem sind die im Karneval erfolgreich.

Ist dann die einzige Qualifikation für eine Band im Karneval: Hauptsache kölsch singen?

Irina: Nicht nur kölsch singen, vor allem kölsch sein und das kölsche Gefühl leben!

Lesen Sie im folgenden Abschnitt, wie die Frauen zu dem abgesagten Charlie-Hebdo-Wagen des Kölner Festkomitees stehen.

Hätte zum kölschen Gefühl eurer Meinung nach auch ein Charlie-Hebdo-Wagen im Rosenmontagszug gehört?

Carolin: Absolut! Im Vergleich zu vielen anderen Wagen, die zur Wahl standen, war dieser ja nun auch wirklich harmlos. Nicht mal eine Mohammed-Karikatur war zu sehen, da wurde niemand beleidigt. Der Wagen war einfach ein Statement für die Meinungsfreiheit, wer kann da etwas dagegen haben? Niemand. Und gerade für die Stadt Köln und den Kölner Karneval, die sich mit Toleranz und Meinungsvielfalt brüsten, wäre diese Botschaft in Form eines Wagens im Zoch das Mindeste gewesen. Ich wäre sofort auf dem Wagen mitgefahren. Mit der Absage hat der traditionelle Karneval sich den größten Bock der Welt geschossen. Diese ganze Nummer war einfach nur unfassbar peinlich.

Irina: Warum werden die Wagen überhaupt vorher bekannt gegeben? Die Abstimmung war doch reine Publicity fürs Festkomitee. Die hätten einfach einen Wagen bauen und den fahren lassen sollen. Köln steht für die Einstellung: „Arsch huh – Zäng ussenander“, der Wagen hätte super in den Zoch gepasst, viele Kölner hätten das geil gefunden und wären stolz gewesen.

Andrea: Ich habe von vielen Leuten gehört, dass sie Angst vor einem Anschlag hatten. Und solche Bedenken muss man ernst nehmen, finde ich. Allerdings hätte das Festkomitee sich vorher über die Sorgen der Menschen Gedanken machen müssen. Man kann nicht eine derartige Story ankündigen, die PR absahnen und dann einen Rückzieher machen. Das ganze Projekt war ein unüberlegter Schnellschuss.

Das Gespräch führte Merle Sievers

34 Jahre, Komikerin und Kabarettistin, ist im Karneval als Präsidentin der alternativen Sitzung „Deine Sitzung“ und als Sängerin der Band „De Imis“ aktiv.

26 Jahre, Gründungsmitglied der kölschen Drei-Mädchen-Band „La Mäng“, die seit dieser Session im Karneval auftritt. Außerdem singt sie in verschiedenen Kölner Ensembles wie den „Beer Bitches“.

38 Jahre, Frontfrau der „Funky Marys“ und seit der Kindheit im Karneval auf der Bühne aktiv. Außerdem moderiert sie an Karneval in TV und Radio.

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