Kessler-Zwillinge„Die Schwulen lieben uns einfach"

Lesezeit 3 Minuten
Ellen (l.) und Alice Kessler

Ellen (l.) und Alice Kessler

Köln – Sehen die zwei toll aus! Wenn Alice und Ellen Kessler vor einem stehen, möchte man nicht glauben, dass die Show-Zwillinge im August 76 Jahre alt werden. Elegant gekleidet, charmant und in Plauderlaune freuten sich die Sängerinnen und Tänzerinnen im Hotel Hilton auf ihren Auftritt beim CSD am Sonntag. „Die Schwulen lieben uns einfach, und wir lieben sie“, sagt Ellen Kessler. Sie und ihre Schwester halten ihre Figur mit Sport. „Wir machen jeden zweiten Tag Gymnastik und spielen auch Golf, sagt Alice, die Ellen dazu antreibt. Ihr Handicap: 28. „Wir haben aber auch viel Glück. Wir sind nervöse Typen, bei uns muss alles schnell, schnell gehen, und wir verbrennen das Essen auch leicht“, sagt Ellen. „Unsere Musical-Kostüme von 1976 passen uns jedenfalls noch“, sagt Alice.

In der kommenden Woche drehen die Kesslers eine Dokumentation über ihre Anfänge im Showgeschäft im Lido. 1954 kamen die beiden gebürtigen Sächsinnen nach Paris, um im weltberühmten Revue-Theater ihre Karriere zu beginnen. Wir waren noch gar nicht selbstständig und sprachen auch kein Wort Französisch“, sagt Ellen. „Wir waren brav und folgsam. Andere haben sozusagen das Denken für uns übernommen“, sagt Alice und erzählt, dass ihnen immer gesagt wurde, was sie anziehen sollten: Bikini-Kostüme mit Riesenfedern, Weißfuchsbesatz. „Wir waren nicht wirklich angezogen, aber auch nicht ausgezogen“, sagt Ellen mit einem spitzbübischen Lächeln. „Wir waren damals die Jüngsten dort. Unsere Chefin hatte immer ein Auge darauf, wo wir waren. Wenn wir ausgingen, war es mit Schwulen. Also bestand keine Gefahr für uns“, sagt Ellen und lacht.

Im Lido wurden auch prominente Besucher auf die hübschen Geschwister aufmerksam. John Wayne etwa ließ über einen Mitarbeiter ausrichten, er wolle sie auf einen Drink einladen. „Doch wir sagten höflich, wenn er uns einladen wolle, müsse er das selbst tun“, sagt Alice und nimmt einen Schluck von ihrem Aperol Spritz. Auch Elvis Presley konnte nicht bei ihnen punkten. Der Sänger kam während seiner Armeezeit in Frankfurt öfters ins Lido. „Aber wir haben ihn verunsichert, weil wir zurückhaltend waren. Wir sind cool geblieben. Das hat ihn irritiert, und er wurde uns gegenüber sehr verklemmt“, so Ellen. „Den haben wir abgesägt“, sagen die Zwillinge, die nicht nur synchron tanzen, sondern zwischendurch gleichzeitig das Gleiche sagen.

Alles zum Thema Christopher Street Day

Wer hingegen Eindruck auf die Kesslers machte, war Fred Astaire, mit dem sie später in den USA den gleichen Choreographen teilten. Mit Astaire, der früh seine erste Frau verloren hatte, trafen sie sich häufig und kochten zusammen. An ihm schätzten sie seine Bodenständigkeit. Künstlerisch halten sie von Sammy Davis junior viel, der verschiedene Instrumente beherrschte und auch noch steppte. „Wenn er bloß schön gewesen wäre“, scherzen beide.

Rückblickend sagen Alice und Ellen, dass sie zu Beginn ihrer Karriere als Künstlerinnen schon emanzipiert gewesen sind. „Frauen wie wir haben schon ihr eigenes Geld verdient und Erfolge gefeiert. Dass hatten wir den Frauen voraus, die in den 60ern mit Alice Schwarzer auf den Straßen für mehr Gleichberechtigung demonstrierten.“

Auch privat leben die Zwillinge eng beieinander. Im Münchner Viertel Grünwald wohnen sie in einem Haus mit getrennten Bereichen, in denen sie dennoch meistens gemeinsam zu Mittag essen. Doch was unterscheidet die Zwillinge bei so vielen Gemeinsamkeiten? „Alice denkt zu viel nach, und ich gar nicht. Aber wir ergänzen uns gut“, sagt Ellen und lacht wieder.

KStA abonnieren