Zwischen Wolke 7 und Psycho-RodeoIn den 80ern startete Niedeckens BAP richtig durch

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BAP im Jahr 1982: Wolfgang Nie­de­cken, Wolli Boecker, Schmal Boecker, Hans Wollrath, Klaus Heuser und Alexander Büchel, verdeckt: Steve Borg (v.l.)

Köln – Es gibt schönere Orte als die Toilette, um die Entwicklung einer Band in eine höhere Umlaufbahn zu befördern. Aber es hilft ja nichts. Wolfgang Niedecken wurde von Klaus Heuser im „Basement“ genau dort angesprochen: „Du bist doch der Sänger von BAP!“

Allerdings ging es dem Gitarristen nicht darum, seine Bewunderung zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr befand er knapp: „Eure Musik ist Scheiße.“ Zu zahm und zu schwammig sei das Angebot. Immerhin – er war bereit, Hilfe zu leisten. Beim Vorspielen am nächsten Tag machte er tatsächlich großen Eindruck.

So wurde aus Klaus Heuser der „Major“ bei BAP. In der „Goldenen Krone“ in Darmstadt hatte er seinen ersten Auftritt als Sologitarrist der Band. In dem KiWi-Band „Auskunft“ (1990) fasste Wolfgang Niedecken den Wandel in Worte: „Er gab sofort den Ton an, prägte den Sound der Band. Wir waren vorher wirklich so eine Art wildgewordene Liedermacherkapelle gewesen, keine Rockband, aber jetzt ging die Post richtig ab.“

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BAP wechselt die Plattenfirma 

„Affjetaut“ kam 1980 als zweites Album heraus. Die Hälfte der Songs könnte es noch heute in jedes Best-of-Programm der Band schaffen. Der Zugriff des Gitarristen ist dramatisch. Da fliegen dem Publikum die ersten fünf Songs aufs Schönste um die Ohren. Das geht los mit „Ne schöne Jroos“. Eine fabelhafte Klatsche für alle – Sie können hier gerne mitsingen – „die unfählbar sinn, / Vun nix en Ahnung hann, die ävver immerhin / Su dunn als ob, weil op Fassade, do stonn se halt drop.“ Gleich danach „Wat ess“, „Anna“ und „Häng de Fahn eruss“. Dann so ziemlich in der Mitte des Albums der grandiose Aufbau-Blues „Helfe kann dir keiner“. Schließlich noch das komische Thekenduett mit der „ruut-wieß-blau querjestrieften Frau“. Von dieser „Wahnsinnsfrau“ erfährt der Sänger, was sie von der Band hält: „Mir wöhren unjeheuer proletarisch. / Die Relevanz der Texte exemplarisch. / Ich saach: »Jenau, Clemens, dunn uns zwei Schabau!«“

Die Band will weiter und wechselt die Plattenfirma. Vom vertriebsschwachen Eigelstein geht es zur großen EMI Electrola. Schon 1981 kommt das nächste Album heraus: „BAP für usszeschnigge!“ Selbst wenn es darauf nur den ersten Song gäbe, hätte sich die Veröffentlichung gelohnt. Er steht wie kein anderer für BAP: „Verdammp lang her“. Über die öffentliche Zwiesprache mit seinem Vater sagte uns Wolfgang Niedecken einmal: „Ein Stück, das ich immer sehr intensiv erlebe. Das ist mir noch nie auf den Wecker gegangen.“ Kurioserweise habe es der Song „einst nur mit Mühe aufs Album geschafft“.

Als Vorband für die Rolling Stones in Köln gespielt 

Steht „Verdammp lang her“ auf der Setlist, ist es der ultimative Höhepunkt des Konzerts. Auch im Sommer 1982. Da spielt BAP im Vorprogramm der Rolling Stones im Müngersdorfer Stadion. Man kann es nicht anders sagen: Das Stadion kochte. Das hat auch Mick Jagger mitgekriegt. Verwundert fragte er im Backstage-Bereich Fritz Rau, den Manager: „What the hell is this?“ Schließlich waren es doch die Stones, die dem Stadion den Rest geben sollten.

Ein Sommer wie wenige andere für Wolfgang Niedeckens BAP. Zuvor schon war die Band am 10. Juni mit Joseph Beuys auf den Bonner Rheinwiesen aufgetreten, um gegen die Aufrüstung der Nato-Staaten zu demonstrieren. Vor 300 000 Demonstranten. Das Gastspiel Ende August im „Rockpalast“, als erste deutsche Band in der Eurovisionssendung, ist ein weiteres Gütesiegel.

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Wolfgang Niedecken im Gespräch mit Heinrich Böll 1986

Dann erscheint im selben Monat – wir sind immer noch im Sommer 1982 – schon das vierte Album. „Von drinne noh drusse“ löst „Für usszeschnigge“ vom ersten Platz der LP-Charts ab. Zwei Songs ragen bis heute heraus. „Kristallnaach“ ist der anhaltend aktuelle Aufschrei gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus. Und „Du kanns zaubre“ ist zwar nicht der bekannteste BAP-Song, denn den Platz haben wir ja schon vergeben, aber möglicherweise der beliebteste. Immer mit dieser effektvollen Mini-Pause im Vers: „Mem Rögge zur Wand --- spaßend“.

Kölner Band tritt in China und Sowjetunion auf

Bei den Live-Auftritten zeigt die Band ihre ganze Power. Die Tourneen werden immer länger. Sie führen 1984 zwar doch nicht in die DDR, aber 1987 nach China und 1989 in die Sowjetunion. Alles im Lot? Nein. Intern brodelt es bald gewaltig. Kritik wird laut am Umfang der Texte, auch am autobiografischen Fokus. Die Fraktion um Klaus Heuser neigt zu internationalem Pop-Standard, jene um Wolfgang Niedecken zu kölsch-basierter Rockmusik. Ausdruck des Zwists ist das vergleichsweise leblose Album „Ahl Männer, aalglatt“ (1986) – und vor allem das nachfolgende Soloalbum von Wolfgang Niedecken.

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„Schlagzeiten“ (1987) hat er mit alten Vertrauten und neuen Bekannten eingespielt, seinen „Complizen“. Was dem Songschreiber Niedecken generell zugutekommt, wird in „Nie met Aljebra“ benannt. In der Übersetzung liest sich das so: „Du hattest es nie mit Algebra, Formeln, Zahlen / Nur was passiert ist, hat dir wie einem Elefant / So unauslöschlich seinen Stempel eingebrannt / Dass du oft meinst, du hättest fast jedes Detail behalten.“ Die Erinnerung als nie versiegende Quelle für neue Songs.

Die 80er Jahre sind für Wolfgang Niedeckens BAP ein Jahrzehnt zwischen Wolke 7 und Psycho-Rodeo. Ist das der Anfang vom Ende?

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