Musikarchiv NRWEine Reise in den Rockpalast der Kölner Musikszene

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Egbert Kapischke (l.) und Matthias Schumacher vom Musikarchiv NRW: „Das geht über das bloße Freak-Sein schon weit hinaus.“ 

Köln-Ehrenfeld  – Ehrenfeld. 9. Dezember 1978: Die Nina Hagen Band tritt in der Dortmunder Westfalenhalle auf, das Konzert wird durch den Rockpalast live im Westdeutschen Rundfunk übertragen. Während die exzentrische „Godmother of Punk“ mit schriller Stimme ihre Bühnenshow gibt, geht es auch hinter den Kulissen betriebsam zu: Rockpalast-Regisseur Christian Wagner wirft einen Blick in seine handschriftlichen Pläne, in denen er alle Abläufe des Konzerts notiert hat - wann welcher Song gespielt wird, welche Kamera die einzelnen Musiker filmen soll. Alles läuft nach Plan, stellt der Regisseur zufrieden fest.

Kölner Archiv beherbergt 900.000 Exponate 

Das ist nun schon über 40 Jahre her, Wagners Notizen aber sind bis heute erhalten: Fein säuberlich sortiert und dokumentiert befinden sie sich heute im Musikarchiv NRW auf dem Maarweg. Hier, in direkter Nachbarschaft zum Kölner Karnevalsmuseum, lagern inzwischen circa 900.000 Exponate, die Archivleiter Matthias Schumacher und sein ehrenamtliches Team über die Jahre gesammelt haben: Schallplatten, CDs, Eintrittskarten, Konzertplakate – alles, was mit der Musikszene Kölns und NRWs in Verbindung steht: „Würden wir diese Dinge nicht aufbewahren, dann würden sie verloren gehen“, sagt Schumacher, „und das wäre ein kulturelles Desaster.“ Schließlich sind die Exponate des Archivs nicht nur für Musikfans interessant - vielmehr handelt es sich bei ihnen um historische Dokumente.

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Vinyl soweit das Auge reicht: Das Musikarchiv NRW beherbergt tausende von Tonträgern.

So ist etwa auch die Reklametafel des legendären Kölner Rockclubs „Basement“, in dem die Band Joy Division 1980 ihr erstes Deutschland-Konzert gab, Teil der Sammlung: „In ganz NRW gibt es kein anderes Archiv, dass die Musikszene so bewahrt wie wir“, erklärt Schumacher. Seine Leidenschaft für jene Szene entwickelte der 50-Jährige bereits im Kindesalter.

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Ein musikalischer Kosmos 

Schumachers erstes Konzert, an das er sich erinnern kann, war der Auftritt der Kölner Band „D’Accord“ auf dem Roncalliplatz 1976. Da war er gerade einmal fünf Jahre alt. Später arbeitete Schumacher als Toningenieur, gewann durch seinen Beruf immer tiefere Einblicke in den musikalischen Kosmos. Seine private Sammlung an Tonträgern und Erinnerungsstücken wuchs stetig. Wie das in Köln häufiger der Fall ist, entstand die Idee zu einem Musikarchiv nach „ein paar kühlen Getränken“, wie Schumacher mit einem verschmitzten Grinsen verrät.

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Im Jahr 2010 begann er dann mit seiner archivarischen Tätigkeit, sammelte alles, was er zur Kölner Musikszene und darüber hinaus in die Finger kriegen konnte. Seine Sammlung brachte er damals noch in den eigenen vier Wänden unter, die immer mehr an Wohnraum einbüßten: „Ich habe eine große Wohnung und eine geduldige Freundin“, sagt er und lacht, „aber auch sie hat drei Kreuze gemacht, als wir endlich andere Räumlichkeiten für das Archiv gefunden haben.“

Seit sechs Jahren am Kölner Maarweg 

Seit 2015 ist die Sammlung nun am Kölner Maarweg beheimatet, die Anmietung eines zusätzlichen Lagerraums war dennoch notwendig. Bei den Dimensionen, in denen Schumacher und seine Mitarbeiter ihrer Sammeltätigkeit nachgehen, ist das wenig verwunderlich. Allein die Rockpalast-Sammlung von Regisseur Christian Wagner musste in vier Lkw-Ladungen herangekarrt werden: Über zwanzigtausend Schallplatten, zwölftausend CDs und unzählige Dokumente mit einem Gesamtgewicht von neun Tonnen.

Musikarchiv NRW, Maarweg 136

Das Archiv kann nach Vereinbarung für Recherchen oder Führungen besucht werden. Während der Corona-Pandemie ist der Eintritt jedoch nur Einzelpersonen gestattet.

www.musikarchiv-nrw.de 

All diese Dinge wollen aber natürlich auch sortiert, beschriftet und digitalisiert werden. Dabei kommt Schumacher seine ehemalige Tätigkeit als Toningenieur zugute, durch die er sich mit der Digitalisierung analoger Tonträger bestens auskennt: „Wir sind in dieser Form das einzige Archiv, das selbst digitalisieren kann.“

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In seinem Studio digitalisiert Archivar Matthias Schumacher die analogen Tonträger selbst. 

Dem großen Arbeitsaufwand müssen Schumacher und seine ehrenamtlichen Helfer dabei in ihrer Freizeit gerecht werden, ohne finanzielle Unterstützung durch Dritte. Ein Mammutprojekt, das ohne die notwendige Passion niemals gestemmt werden könnte: „Das geht über das bloße Fan-Sein schon weit hinaus“, sagt der Archivleiter, während er seinen Blick über die randvollen Regale schweifen lässt. Zum Glück aber gibt es Musikliebhaber wie Matthias Schumacher und sein Team – denn ohne sie würde ein großer Teil der Kölner Geschichte in Vergessenheit geraten.

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