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Cold CasesDiese 11 Kindermorde in NRW sind bis heute ungeklärt

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Die elfjährige Claudia Ruf aus Grevenbroich bei Düsseldorf.

Die damals elfjährige Claudia Ruf aus Grevenbroich bei Düsseldorf verschwand im Jahr 1996 beim Gassigehen. Später wurde ihre Leiche gefunden. (Archivbild)

Diese elf Kinder und Jugendlichen aus NRW wurden Opfer von Gewalt. Ihre Morde sind bis heute ungeklärt, aber nicht vergessen.

In Nordrhein-Westfalen gibt es mehrere Mordfälle an Kindern und Jugendlichen, die seit Jahrzehnten ungelöst sind. Trotz moderner Ermittlungsmethoden, DNA-Analysen und öffentlicher Aufmerksamkeit konnten die Täter bis heute nicht gefasst werden. Für die Angehörigen bedeutet das keine Gewissheit, keine Gerechtigkeit – und die Hoffnung, dass die Polizei die Cold Cases doch noch aufklärt.

Mord an Zeynep I. (1986, Sauerland)

Im November 1986 verschwand die fünfjährige Zeynep I. aus der Wohnung ihrer Familie in Neuenrade im Sauerland. Am nächsten Morgen wurde sie nur rund 100 Meter vom Elternhaus entfernt tot an einem Weidezaun gefunden – teils entkleidet und mit Stichverletzungen im Halsbereich. Die Kripo Hagen leitete umfangreiche Ermittlungen ein. 

Foto von Zeynep.

Die damals fünfjährige Zeynep wurde 1986 unter rätselhaften Umständen ermordet. (Archivbild)

Am Tatort wurden ein rotes Taschenmesser und ein Paar dunkle Motorradhandschuhe entdeckt. Trotz zahlreicher weiterer Spuren blieb der Fall jahrzehntelang ungelöst und zählt zu den bekanntesten Kindermorden in NRW. 2025 rollte die Polizei den Fall mit moderner Technik neu auf. Auch „Aktenzeichen XY … ungelöst“ widmete sich erneut diesem Cold Case. Bis heute fehlt jede Spur zum Täter.


Mord an Seckin Caglar (1991, Köln-Poll)

Dieser Fall gehört zu Kölns bekanntesten Cold Cases: Seckin Caglar war 16 Jahre alt, als sie am 16. Oktober 1991 auf dem Heimweg von ihrer Ausbildungsstätte in Köln-Poll ermordet wurde. Gegen 18.40 Uhr stieg sie an der Haltestelle „Poll-Salmstraße“ in die KVB-Linie 7 und zwei Minuten später an „Poll-Autobahn“ wieder aus. Normalerweise holte die Familie sie dort ab, an diesem Abend wartete ihr Vater jedoch vergeblich.

Seckin Caglar Passbild

Der Mord an der 16-jährigen Seckin Caglar aus Köln-Poll ist seit 34 Jahren ungeklärt. (Archivbild)

Am nächsten Morgen wurde Seckins Leiche in der Nähe der Haltestelle in einem Gebüsch gefunden. Sie war sexuell missbraucht und erdrosselt worden, der Fundort gilt als Tatort. Die Polizei verfügt über ein DNA-Profil des Täters, doch es gab lange keinen Treffer in der Datenbank. Ein großangelegter Massenspeicheltest im Jahr 2023 brachte keinen Durchbruch; das Ergebnis wurde 2025 veröffentlicht. Die Ermittlungen laufen weiter gegen Unbekannt.


Mord an Marion H. und ihrem zweijährigen Sohn Tim (1989, Dortmund)

Am 27. Januar 1989 verschwanden die 35-jährige Marion H. und ihr zweijähriger Sohn Tim, nachdem sie in Dortmund spazieren waren. Am Abend entdeckte ein Jogger bei Menden-Schwitten zunächst einen Geländewagen, kurz darauf stand ein VW Passat in Flammen. In dem Wagen fanden Feuerwehrleute die verkohlten Leichen von Mutter und Kind, zunächst deutete alles auf einen Unfall hin. Doch bald stellte sich heraus, dass es ein Mord war. 

Der Ehemann, mit dem es Eheprobleme gab, geriet ins Visier, doch sein Alibi hielt stand. Die Kripo Hagen ging zahlreichen Hinweisen nach, besonders nach einer Ausstrahlung bei „Aktenzeichen XY“ im Jahr 2019. Rund 160 Hinweise gingen ein, einige führten in das familiäre Umfeld und ins organisierte Milieu, doch konkrete Ergebnisse blieben aus. Bis heute ist der grausame Doppelmord ungeklärt, die Ermittlungen dauern an. 2023 nahm sich auch „WDR Lokalzeit MordOrte“ dem rätselhaften Fall an.


Tod des Säuglings „Dominik“ (2003, Oberberg)

In der Vorweihnachtszeit 2003 machte eine Frau im oberbergischen Reichshof-Eckenhagen eine entsetzliche Entdeckung: In einem Hauseingang lag ein Neugeborenes, nur in eine bunte Babydecke gewickelt. Sie rief sofort den Notarzt, doch für den kleinen Jungen kam jede Hilfe zu spät – er war stark unterkühlt und starb wenig später im Krankenhaus. Niemand wusste, wer seine Eltern waren oder warum er dort zurückgelassen wurde.

Babyjacke auf Tisch.

Mithilfe der damals gesicherten Kleidungsstücke hofft das Ermittler-Team Zeugen zu finden. (Archivbild)

Damit er nicht anonym beerdigt werden musste, gaben ihm die Ermittler den Namen „Dominik“. Obwohl die DNA der Mutter gesichert werden konnte, führte keine Spur zu ihr oder zum Vater. Auch eine groß angelegte Reihenuntersuchung blieb ohne Ergebnis. Mehr als zwanzig Jahre später versuchen die Ermittler der Mordkommission „MK Eckenhagen“ erneut, das Rätsel zu lösen, und suchen Zeugen, die Angaben zur auffälligen Babydecke oder zur Kleidung machen können. Bis heute ist unklar, wer den kleinen Jungen aussetzte – und warum er nicht leben durfte.


Mord an der zehnjährigen Martina M. (1986, Kreis Wesel)

Am 20. Mai 1986 verschwand die zehnjährige Martina M. aus Neukirchen-Vluyn spurlos, nachdem sie vor dem Elternhaus beim Spielen gesehen worden war. Am nächsten Tag fand ihr Bruder die Leiche der kleinen Schwester in einem Gebüsch nahe der A 40. Das Mädchen war sexuell missbraucht und erdrosselt worden. Zeugen berichteten von einem Mann mit Schnurrbart in einem grünen Auto, möglicherweise einem Ford Granada oder Taunus, der Martina angesprochen hatte.

Solarpark bei Neukirchen-Vluyn an der A40 – in der Nähe des Ortes, an dem die Leiche von Martina M. gefunden wurde.

Solarpark bei Neukirchen-Vluyn an der A40 – in der Nähe des Ortes, an dem die Leiche von Martina M. gefunden wurde. (Symbolbild)

Trotz intensiver Ermittlungen der Kripo Duisburg und einer Belohnung von 25.000 Euro konnte der Täter nie gefasst werden. Ein Hausmeister, der später wegen anderer Sexualdelikte verurteilt wurde, stand im Verdacht, doch die Beweise reichten nicht für eine Anklage. Der Fall wurde mehrfach in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ behandelt, zuletzt in einem Cold-Case-Spezial im Jahr 2020. 


Mord an der elfjährigen Claudia Ruf (1996, Grevenbroich)

Die elfjährige Claudia Ruf verschwand am 11. Mai 1996 während eines Spaziergangs mit dem Hund eines Nachbarn in Grevenbroich-Hemmerden. Zwei Tage später fand ein Jogger ihre Leiche auf einem Feld bei Euskirchen-Oberwichterich. Das Mädchen war missbraucht, mit Benzin übergossen und angezündet worden. Trotz umfangreicher Ermittlungen, DNA-Analysen und einer Ausstrahlung bei „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ im Jahr 1997 konnte der Täter bis heute nicht identifiziert werden.

Die Akte umfasst über 140.000 Seiten – einer der größten Ermittlungsfälle in NRW. 2019 startete die Polizei Bonn gemeinsam mit dem LKA eine groß angelegte DNA-Reihenuntersuchung, 1.900 Männer wurden zur Speichelprobe gebeten. Seit 2023 läuft eine neue, erweiterte Untersuchung, die auch Verwandtschaftsbeziehungen bis zum dritten Grad erfassen kann. Der Fall Claudia Ruf gilt als einer der bekanntesten Cold Cases Deutschlands – und die Ermittler hoffen weiter auf einen entscheidenden Treffer.


Der Mord an Lydia Schürmann (1962, Rheda-Wiedenbrück)

Der Fall liegt mehr als sechs Jahrzehnte zurück und wurde zuletzt in der 13. Folge des „Aktenzeichen XY ... Unvergessene Verbrechen“-Podcasts mit dem Titel „Überraschende Mord-Beichte“ aufgegriffen. Im April 1962 verschwand die 13-jährige Lydia Schürmann aus Rheda-Wiedenbrück spurlos aus dem elterlichen Haus, nachdem sie dort Hausarrest hatte. Zeuginnen beobachteten, wie das Mädchen durch ein Dachfenster entkam und wenig später an einer Landstraße trampte.

Ein belgischer Lkw-Fahrer nahm sie bis Bottrop mit und setzte sie dort vor der Grenze ab – danach verliert sich ihre Spur. Monate später fanden Pilzsammler ihre vergrabene Leiche in der Wistinghauser Senne bei Bielefeld. Der sogenannte „Hochwald-Mörder“ wurde trotz internationaler Ermittlungen nie gefasst. Bis heute zählt der Mord an Lydia Schürmann zu den ältesten ungelösten Kindermorden in Nordrhein-Westfalen.


Der Mord an Sandra Zimmermann (1992, Bad Salzuflen)

Fast 30 Jahre nach ihrem Tod ist der Mord an der 17-jährigen Sandra Zimmermann aus Bad Salzuflen noch immer ungelöst. Am 15. März 1992 wollte sie nach einem Besuch bei ihrem Freund in Bünde per Anhalter nach Hause fahren – doch dort kam sie nie an. Zwei Monate später fand ein Spaziergänger ihre Leiche in einem Wald bei Hüllhorst, unweit der Freilichtbühne „Kahle Wart“. Sandra war vergewaltigt und erwürgt worden, ihr Rucksack und ein Schuh fehlten.

Mehrere Verdächtige wurden überprüft, darunter ihr Freund, ein mehrfach vorbestrafter Mann und ein Briefschreiber namens „Boris“ – doch alle wurden wieder entlastet. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen, weil erstmals in Deutschland eine Zeugin unter Hypnose befragt wurde. Auch spätere Geständnisse eines notorischen Hochstaplers erwiesen sich als falsch. Sowohl „Aktenzeichen XY“ als auch die Kabel-1-Reihe „Verbrechern auf der Spur“ berichteten über den Fall. 2024 entstand mithilfe ihres Bruders Andreas die Podcast-Folge „Sandra Zimmermann - Wer hat meine kleine Schwester ermordet?“ für „Licht ins Dunkel“.


Mord an Arnhild U. (1975, Hamm)

Die 12-jährige Arnhild U. hielt sich am 13. August 1975 in einem Jugendzentrum in Hamm auf und trank dort mit einer Freundin eine Cola. Nachdem die Freundin gegangen war, sprach Arnhild noch mit mehreren jungen Männern an einem Tisch. Gegen 20 Uhr machte sie sich allein auf den Heimweg. Zeugen sahen sie später in Begleitung eines etwa 18-jährigen Mannes.

Ein Spielplatz liegt auf dem Gelände des Bürgerparks in Köln-Kalk.

Arnhild U. wurde ermordet; ihre Leiche fand man auf einem Spielplatz. (Symbolbild)

Zu Hause kam Arnhild nicht mehr an. Am nächsten Tag wurde ihre Leiche auf einem Spielplatz in der Nähe ihrer Wohnung gefunden. Sie war schwer misshandelt und anschließend erdrosselt worden. Der Fall blieb ungeklärt und wurde am 20. Mai 1977 in „Aktenzeichen XY… ungelöst“ zusammen mit dem bis heute medial sehr beachteten Verschwinden der zwölfjährigen Monika F. aus Bayern vorgestellt, von der weiterhin jede Spur fehlt. 2019 berichtete die „Bild“, dass zwischen den Fällen trotz des gleichen Alters der Opfer kein Zusammenhang besteht.


Mord an der neunjährigen Marijana Krajina (1993, Essen)

Im Februar 1992 wurde in Essen-Altenessen die neunjährige „Stefanie“ (Name seinerzeit geändert) von einem unbekannten Mann in einen weißen Kastenwagen gelockt. Der Täter betäubte, missbrauchte und verletzte das Mädchen schwer, hielt sie offenbar für tot und ließ sie später bewusstlos bei Düsseldorf-Kaiserswerth liegen. Stefanie überlebte mit schweren Kopfverletzungen. Eineinhalb Jahre später, im August 1993, verschwand die ebenfalls neunjährige Marijana Krajina, die ihre Sommerferien bei ihrem Vater in Essen verbrachte.

Marijana Krajina Passbild

Marijana Krajina wurde 1993 ermordet. (Archivbild)

Sie hatte zuvor mit einem Mann gesprochen, der sich freundlich mit ihr und ihrem Freund unterhalten und ein Treffen für das Freizeitbad „Oase“ verabredet hatte. Drei Tage nach ihrem Verschwinden wurde Marijanas Leiche 300 Kilometer entfernt bei Scheeßel gefunden – sie war sexuell missbraucht und erstochen worden. Die Polizei geht davon aus, dass derselbe Täter beide Mädchen angesprochen und eines von ihnen getötet hat.

Trotz jahrzehntelanger Ermittlungen und neuerlicher Fahndung über „Aktenzeichen XY“ im Jahr 2022 blieb der Fall ungeklärt. Ende 2025 teilte die Polizei Essen mit, dass inzwischen Täter-DNA vorliegt und eine Rasterfahndung läuft. Auch der Polizei-Podcast „Pottcast ungelöst“ griff den Fall erneut auf und unterstrich, dass die Ermittlungen weitergehen.


Mord an Lydia Sch. („Hochwald-Mörder“) (1962, Raum Rheda-Wiedenbrück/Bielefeld)

Der Fall zählt zu den ältesten ungeklärten Kindermorden in Nordrhein-Westfalen und beschäftigt die Ermittler bis heute. Kürzlich wurde er im „Aktenzeichen XY… Unvergessene Verbrechen“-Podcast erneut aufgegriffen. Die 13-jährige Lydia Sch. verschwand am 26. April 1962 aus der Nähe von Rheda-Wiedenbrück. Zwei Zeuginnen sahen, wie sie trotz Hausarrests aus dem Fenster stieg, über das Dach kletterte und in Richtung Autobahn ging.

Ein Lkw-Fahrer beobachtete später, wie sie offenbar in einen roten Sattelschlepper einstieg. Der Fahrer – ein Belgier – wurde gefunden, gab an, Lydia bis zur Raststätte „Bottrop“ mitgenommen, ihr dort eine Suppe bezahlt und sie nahe der Grenze wieder abgesetzt zu haben. Seine Angaben galten als glaubwürdig, er wurde ausgeschlossen. Wie Lydia in den Großraum Bielefeld zurückkam, blieb unklar.

Monate später entdeckte ein Pilzsammler ihre vergrabene Leiche in der Wistinghauser Senne, nachdem ein Fuchs die Stelle freigescharrt hatte. Trotz neuer Spuren und eines falschen Geständnisses blieb der Mord ungeklärt. Der Fall wurde nach seiner ersten Ausstrahlung 1968 mehrfach in „Aktenzeichen XY… ungelöst“ behandelt, zuletzt 2007 und 2008 – ohne Erfolg.