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Strafanzeige nach AbschiebeversuchAfghanische Familie erhebt schwere Vorwürfe gegen Kölner Ausländerbehörde

Lesezeit 3 Minuten
Die Flüchtlingsunterkunft in der Herkulesstraße. Dort lebt die afghanische Familie aktuell. (Archivbild)

Die Flüchtlingsunterkunft in der Herkulesstraße. Dort lebt die afghanische Familie aktuell. (Archivbild)

Nach einem Abschiebungsversuch in Köln hat eine Unterstützerin der afghanischen Familie Strafanzeige gestellt.

Bei einem Abschiebeversuch in Köln soll es zu Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung gekommen sein. Damit wenden sich das „Abschiebungsreporting NRW“ und das „Ökumenische Netzwerk Asyl“ in der Kirche NRW an die Öffentlichkeit.

Die Kölner Seelsorgerin Marianne Arndt ist stellvertretende Vorsitzende des Kirchenasyl-Netzwerks. Sie hat am Dienstag (24. Juni) eine afghanische Familie zur Polizei begleitet, um Strafanzeige gegen Mitarbeitende der Kölner Ausländerbehörde zu stellen. Die Vorwürfe lauten auf Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung.

Afghanische Familie schildert den Vorfall als gewaltsam

Hintergrund ist ein Abschiebeversuch vom 13. Mai 2025. Dabei sollte die fünfköpfige Familie in den frühen Morgenstunden aus einer Sammelunterkunft in der Herkulesstraße nach Spanien überstellt werden. Die Dublin-Verordnung besagt, dass das Asylverfahren in dem EU-Land durchzuführen ist, in dem die Einreise zuerst erfolgte. Angeordnet hatte die Abschiebung das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

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Marianne Arndt, hier bei einem Segnungsgottesdienst vor dem Kölner Dom, ist Gemeindereferentin und Seelsorgerin. (Archivbild)

Marianne Arndt, hier bei einem Segnungsgottesdienst vor dem Kölner Dom, ist Gemeindereferentin und Seelsorgerin. (Archivbild)

Die Familie schildert den Vorfall als gewaltsam. Demnach seien die Mutter – die als schwer krank gilt – und ihre zwölfjährige Tochter von Mitarbeitenden der Ausländerbehörde zu Boden gedrückt und fixiert worden. Beide hätten dabei Hämatome im Brustbereich erlitten. Ein herbeigerufener Rettungswagen sei laut Darstellung der Unterstützerorganisation nicht vorgelassen worden. Erst später sei die Mutter im Krankenhaus behandelt worden.

Neunjähriger soll versucht haben, aus dem Fenster zu springen

An dem Morgen waren der Vater und der älteste Sohn der Familie offenbar nicht anwesend. Mutter, Tochter und ein neunjähriges Kind mit Behinderung hätten bei Ankunft der Behördenmitarbeiter noch geschlafen. Im Laufe des Abschiebeversuchs soll versucht worden sein, dem Neunjährigen Handschellen anzulegen. So berichtete es die Familie den Unterstützer-Netzwerken.

Daraufhin habe der Junge laut Schilderungen des Netzwerks versucht, aus dem Fenster zu springen. In Reaktion darauf sei das Jugendamt eingeschaltet worden, die Abschiebung erfolgte nicht. Als der Vater noch am selben Tag bei der Ausländerbehörde vorstellig wurde, sei er allein in Abschiebehaft genommen worden – laut Kritik der Netzwerke entgegen der städtischen Leitlinie, die Familientrennungen vermeiden soll.

Stadt Köln: Die Darstellung weicht von internen Berichten ab

Vom 21. Mai an soll sich die Familie dann im Kirchenasyl einer Kölner Gemeinde befunden haben. Als die sechsmonatige Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren am 3. Juni verstrichen war, sei die Familie wieder in die Herkulesstraße zurückgekehrt. Aktuell lebe sie dort mit einer Aufenthaltsgestattung und warte auf ihre Asylentscheidung. Das Asylverfahren werde nun in Deutschland geführt. Der Vater wurde mittlerweile aus der Haft entlassen.

Die Polizei bestätigte den Eingang der Anzeige. Der Stadt Köln liege eine Strafanzeige bisher nicht vor, weshalb zu dem geschilderten Fall keine Stellung genommen werden könne, heißt es aus der Verwaltung. Doch der Vorwurf der Gewaltanwendung und unterlassenen Hilfeleistung stimmten nicht mit den internen Berichten überein, schreibt ein Stadtsprecher auf Anfrage der Redaktion. Rückführungen würden gesetzeskonform und unter Berücksichtigung des Kindeswohls erfolgen.

Kölner Seelsorgerin sieht „völlig unangemessenes Maß an Gewalt“

„Das Vorgehen der Ausländerbehörde in diesem Fall ist zutiefst erschütternd“, erklärte Dr. Jan Niklas Collet, Vorstand des Kirchenasyl-Netzwerks, in einer Pressemitteilung. Marianne Arndt ist nach eigenen Angaben im engen Kontakt mit der Familie. Sie sagt: „Für äußerst problematisch erachte ich in dieser Angelegenheit die unterlassene Hilfeleistung für Mutter und Kinder seitens der Kölner Behörden sowie ein völlig unangemessenes Maß an Gewalt von behördlicher Seite gegenüber der Familie.“

Sebastian Rose vom „Abschiebungsreporting NRW“ fordert eine unabhängige Aufarbeitung durch die Stadt Köln. „Die Gewalt gegen die Mutter der Familie und ihre minderjährige Tochter ist erschütternd und kann unter keinen Umständen toleriert werden“, schreibt er. Nach Beobachtung seiner Organisation würden bundesweit immer wieder Elternteile minderjähriger Kinder getrennt in Abschiebehaft genommen, mutmaßlich um Druck auszuüben. Das verletze kinderrechtliche Standards.