Köln früher und heuteAls der Gürzenich zum Festsaal einer feierfreudigen Stadt wurde

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Gürzenich Köln

Das Gürzenich-Gebäude, wie wir es heute kennen.

  • In unserer PLUS-Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
  • In dieser Folge geht es um den Gürzenich, das sich seit dem Mittelalter zumindest äußerlich kaum verändert hat.
  • Im unteren Geschoss befand sich früher eine Kaufhalle, im oberen amüsierten sich die Adligen und wohlhabenden Bürger der Stadt.

Köln – Ursprünglich waren es nur die schmaleren Seiten des Gürzenich, die nicht von umstehenden Gebäuden verdeckt waren. Die Fassaden zur Martinstraße und zum Quatermarkt sind deshalb aufwendig gestaltet, während die längere Südfassade sehr schlicht daherkommt. Der einfache Grund: Man konnte sie lange Zeit nicht sehen. Erst im frühen 20. Jahrhundert wurden die längeren Seiten freigestellt.

Die Aufnahme des Fotografen Hugo Schmölz zeigt die südwestliche Ecke des spätgotischen Festbaus, der im 15. Jahrhundert auf dem Grundstück der Patrizierfamilie „von Gürzenich“ errichtet wurde, weil den feierfreudigen Kölnern der Hansasaal des Rathauses zu klein geworden war. Im unteren Geschoss befand sich eine Kaufhalle, im oberen amüsierten sich die Adligen und wohlhabenden Bürger der Stadt bei Banketten, Karnevalssitzungen und Tanzveranstaltungen. Innen gab es kein Treppenhaus, nur von außen waren die Etagen zu erreichen.

Kölner Gürzenich im Mittelalter in bunten Farben

Das Ecktürmchen der südwestlichen Ansicht ruht auf Konsolen mit Maskenköpfen an den Enden. Darunter entspannt sich ein gotisches Gitterwerk, in dem sich eine schräge Fläche befindet. „Die war früher mit dem Kölner Wappen bemalt“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. Man müsse sich den mittelalterlichen Gürzenich insgesamt in bunten Farben vorstellen. Ebenso das Kölner Rathaus und viele Kirchen zu dieser Zeit. Das Mittelalter war zumindest in architektonischer Hinsicht keine finstere Epoche.

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Die Fassade von Kölns „guter Stube“ hat sich seitdem kaum verändert. Äußerlich befinde sich der Gürzenich zu 80 Prozent in ursprünglichem Zustand, so Ulrich Krings. Im Zweiten Weltkrieg traf es vor allem sein Innenleben hart. Der im 19. Jahrhundert entstandene prachtvolle Festsaal aus Holzkonstruktionen brannte aus. Der Gürzenich musste neu erfunden werden. Rudolf Schwarz und Karl Band schufen zusammen mit Hans Schilling und Kölner Künstlern in den 1950er Jahren neue Festräume, dazu ein elegantes Treppenhausfoyer.

Gürzenich in Köln: Trauer und Lebensfreude liegen nah beieinander

Seitdem bilden auch die ebenfalls im Krieg zerstörte Kirche Alt St. Alban im Norden des Komplexes und der Gürzenich eine Einheit. Die Ruine der ehemaligen Pfarrkirche wurde zum Mahnmal für die Toten der Weltkriege und der NS-Diktatur gestaltet. Trauer und Lebensfreude liegen im Gürzenich nah beieinander.

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Blick auf den Gürzenich aus Richtung Süden. Die markanteste Veränderung am Gebäude ist der gläserne Aufzug, der außen angebaut wurde, um die Innenarchitektur der 50er Jahre zu erhalten. 

Im 19. Jahrhundert mauserte sich der Festbau zum Zentrum des musikalischen Lebens in Köln. Sängerfeste, Opern, Uraufführungen: Der Gürzenich avancierte zum Vorläufer der Philharmonie. Ab 1857 gab das Gürzenich-Orchester Konzerte, auch der Gürzenich-Chor hat hier seine Ursprünge. Giuseppe Verdi, Johannes Brahms und James Conlon gehörten zu den berühmten Persönlichkeiten, die vor den Sängern den Taktstock schwangen.

Aufzug mit gläserner Brücke

Als 1986 die Philharmonie eröffnet wurde, war die Zeit der Konzerte vorbei. Der Gürzenich wurde zum Kongresszentrum umfunktioniert. Ulrich Krings kann sich vor allem an den gläsernen Aufzug erinnern, der von außen an die Südwestfassade gesetzt wurde, um die Verbindung des großen Saals und der neuen Bühne mit den Lagerräumen im Tiefgeschoss zu gewährleisten. „Der sollte erst im Inneren gebaut werden, das hätte aber die ganze 1950er-Jahre-Gestaltung zerstört“, sagt Krings.

Lange Verhandlungen habe es um den Aufzug gegeben, bis schließlich die Idee geboren wurde, eine Art Bypass zu setzen: Der Aufzug wurde nach außen verlegt, von ihm führt heute eine gläserne Brücke zur Bühne des Festsaals. „Die passt genau“, so Krings: „Man musste nur ein Kreuz aus einem Fenster nehmen.“ Und so sei der Gürzenich noch immer einer der kostbarsten Profanbauten der Stadt.

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