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Wo andere Urlaub machenAls Leichtmatrose dreimal täglich an der Köln-Kulisse entlang

Lesezeit 5 Minuten
15.05.2025, Köln: Wo andere Urlaub machen Bajram Allkja jeden Tag eine Rheinfahrt vor Kölns Kulisse. Er ist Binnenschiffer-Auszubildender auf der MS Rheinland erzählt. Foto: Arton Krasniqi

Bajram Allkja auf Deck der „MS Rheinland“

Der 18-jährige Bajram Allkja macht eine Ausbildung zum Binnenschiffer auf den Ausflugsbooten von Köln-Tourist.

Eines der wichtigsten Werkzeuge eines Leichtmatrosen ist der Putzlappen. Bajram Allkja (18) ist in seinem ersten Ausbildungsjahr zum Binnenschiffer auf den Ausflugsbooten von Köln-Tourist. Heute geht es dreimal auf die 90-minütige Panorama-Fahrt von Mülheim bis Rodenkirchen. Bajram ist eine Stunde vor dem ersten Start um 11 Uhr an Bord der „MS Rheinland“ und putzt. Erstmal im Maschinenraum. Der ist eigentlich blitzsauber. „Aber durch das Abwischen gehe ich sicher, dass auch nirgendwo auch nur der kleinste Tropfen Öl oder etwas anderes austritt“, sagt er. „Nach der Formel W-O-L-K-E schaue ich nach, ob mit Wasserstand, Öl, Luft, Kraftstoff und Elektrik alles in Ordnung ist.“

Leichtmatrose, diese altmodisch klingende Bezeichnung gibt es noch immer für die Berufsanfänger. Bringt irgendwie auch ein Stück Romantik auf den Rhein. Wie ist Bajram darauf gekommen, Binnenschiffer zu werden? „Als Kind habe ich immer Piratenfilme geguckt. Und mein Cousin ist Kapitän und fährt auf dem Meer. Griechenland, Amerika, Japan. Das finde ich krass.“ Um Kapitän zur See zu werden, muss man allerdings Abitur haben. Das hat Bajram Allkja nicht und wird nun erstmal Binnenschiffer.

Leinen los: Bajram Allkja muss auf den schmalen Vorsprung am Schiff.

Leinen los: Bajram Allkja muss auf den schmalen Vorsprung am Schiff.

Eine halbe Stunde vor dem Ablegen balanciert er auf dem schmalen Vorsprung draußen am Schiff entlang, nimmt den Trinkwasserschlauch ab. Ein Leichtmatrose muss beweglich und angstfrei sein. Über eine Gegensprechanlage informiert er den Schiffsführer Michael Schmitz über die Arbeitsschritte.

Eingangstor wird mit Spezialknoten gesichert

Um 10.45 Uhr kommen die Fahrgäste. Nun ist Bajram für das Scannen der Tickets zuständig, Papier hat kaum noch jemand. „Moin, moin“, sagt ein älterer Herr. Bajram lächelt. „Willkommen.“ Dann wieder Klettern: Er löst die Leinen und verschließt dann das Eingangstörchen mit einem Spezialknoten. „Ich bin hier auch für die Sicherheit zuständig.“ Es komme durchaus schon mal vor, dass neugierige Gäste da mal raus wollen, um Fotos zu machen.

Die Passagiere genießen ihren ersten Kaffee oder schon einen Aperol Spritz. Bedienen muss Bajram nur in Ausnahmefällen, wenn Not am Mann ist. Stattdessen greift er wieder zum Putzlappen. Diesmal ist die Metallverkleidung der Schiffsführerkabine dran, in der Michael Schmitz sitzt. Die Putzerei sei keineswegs eine Schikane – wie in Piratenfilmen oft suggeriert. „Man muss den Dreck von den Schweißnähten entfernen, damit die Farbe nicht kaputt geht. Außerdem sieht man dann sofort, wenn es irgendwo rostet.“

15.05.2025, Köln: Wo andere Urlaub machen Bajram Allkja jeden Tag eine Rheinfahrt vor Kölns Kulisse. Er ist Binnenschiffer-Auszubildender auf der MS Rheinland erzählt. Foto: Arton Krasniqi

Die Schiffsglocke muss immer glänzen.

„Mein Zimmer zuhause putze ich nie“, erzählt Bajram ganz offen und lacht. Er wohnt noch bei seinen Eltern in Gummersbach. „Aber das Schiff ist wie mein eigenes Haus und da empfange ich Gäste und deshalb soll es auch gepflegt sein.“ Das hört der Chef natürlich gern. Das Familienunternehmen Köln-Tourist ist neben der Köln-Düsseldorfer der zweitgrößte Anbieter von Ausflugsfahrten auf dem Rhein. Obwohl Binnenschiffer nicht gerade ein Modeberuf ist, habe er keine Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden, sagt Michael Schmitz. Und die aktuellen Azubis sind gerade für ihren Videoblog über ihre Arbeit mit einem Preis des Bundesverkehrsministeriums ausgezeichnet worden.

Die Kölner Häfen als Lieblingsziel

Er genieße jede Fahrt, sagt Bajram. „Köln ist eine schöne Stadt.“ Am liebsten ist er bei der großen Hafenrundfahrt vom Köln-Tourist dabei, wo man in die wichtigsten Kölner Häfen einfährt. „Da wo die großen Containerschiffe liegen.“ Die dann vielleicht weiter über die Weltmeere schippern.

Bajram ist seit August in der Ausbildung, das Schiff fahren darf er noch nicht. „Dazu muss er erst den Rhein gut kennen. Erst wenn er jedes Ufer und jeden Grund auswendig kennt, darf er das Schiff fahren“, sagt Michael Schmitz. Wie heißt der Stadtteil, der gerade passiert wird, wie die Brücke, wie viele Pfeiler hat sie und wo stehen sie? Wo sind Gefahrenstellen wie etwa die Deutzer Platte, auf der sich vor kurzem ein Frachtschiff festgefahren hat? So weit ist der Leichtmatrose noch nicht. Deutlich lokalisieren kann er auf jeden Fall den Skaterpark im Rheinauhafen, da ist er nämlich oft in seiner Freizeit.

Bajram muss beim Ab- und Anlegen viele Handgriffe übernehmen.

Bajram muss beim Ab- und Anlegen viele Handgriffe übernehmen.

„Hörst du, was da plätschert?“, fragt der Chef. Das geschulte Gehör nimmt auch die kleinste Anomalie wahr. Ein Blick auf den Strom zeigt: Bajram hat vergessen, vor dem Abfahren die „Reibhölzer“, die als Stoßschutz beim Festmachen dienen, einzuholen. Das muss er jetzt machen. Dann fährt Schmitz auffällig nah am Ufer. Und erklärt Bajram warum. „Du siehst an der Kräuselung des Wassers, dass hier weniger Widerstand ist als in der Strommitte. Damit fahren wir hier ruhiger und sparsamer.“ Wann Bajram einmal selbst fahren darf? „Das liegt an ihm“, sagt der Chef.

Leichtmatrosen müssen ihre Arbeit selbstständig suchen

Überhaupt ist der Azubi angehalten, selbstständig zu sein. „Man sollte einen Kapitän nicht nach Arbeit fragen. Das muss man selbst sehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man doofe Aufgaben bekommt, wenn man fragt“, sagt Schmitz.

Im Maschinenraum gibt es jeden Morgen eine aufwändige Prüfung.

Im Maschinenraum gibt es jeden Morgen eine aufwändige Prüfung.

Natürlich haben auch Binnenschiffer-Azubis Berufsschule und zwar im Blockunterricht. Während dieser Zeit wohnt Bajram auf einem Schulschiff in Duisburg in einer Zweierkabine – ohne Hängematten. Auf dem Schiffer-Berufskolleg geht es viel um Mathe, die Berechnung von Ladung und Tiefgang. Das ist eher für die Kollegen auf den Frachtschiffen wichtig, aber ein Teil der Ausbildung ist für alle gleich. „Ich bin gut in Mathe, das ist kein Problem.“ Das Gehalt im ersten Lehrjahr beträgt durchschnittlich 1000 Euro.

Dann putzt er weiter, Möwen haben Spuren auf dem Oberdeck hinterlassen. Dann kommt die Schiffsglocke dran, die muss immer glänzen. Beim Anlegen unterhalb des Musical Domes klettert Bajram wieder draußen herum, macht die Leinen fest, löst den Knoten am Eingangstor. Und verabschiedet die Gäste.

Seinen Freunden hat Bajram erzählt, er würde Kapitän. „Das glauben sie auch immer noch.“ Vielleicht hole er ja auch das Abitur irgendwann mal nach. Jetzt geht es aber erstmal in den Hauptbahnhof zum Mittagessen. Und dann noch zweimal auf Panorama-Fahrt. Seekrank sei er noch nie geworden, sagt Bajram. „Aber wenn ich nach der Arbeit an Land gehe, dann schwankt alles.“