Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Geld für Anlegestelle fehltKein Anleger fürs „Müllemer Böötche“ – Nie mehr Heidewitzka in Köln?

Lesezeit 5 Minuten

Ein Bild aus besseren Tagen: Ein „Müllemer Böötche“ steuert die Anlegestelle in Mülheim an. 

Das „Müllemer Böötche“ fährt nicht mehr nach Mülheim. Stadt und KD wollen kein Geld für eine neue Anlegestelle ausgeben.

Das „Müllemer Böötche“ gehört zu Köln wie der Dom und der FC – eine der ganz besonderen identitätsstiftenden Spezialitäten der Stadt, geadelt durch das vielleicht beste kölsche Lied aller Zeiten: „Heidewitzka, Herr Kapitän! Mem Möllemer Böötche fahre mir su jähn!“ Karl Berbuer setzte dem Schiff und der Tour von Mülheim zum Drachenfels 1936 ein einmaliges, musikalisches Denkmal. Es gibt wohl kein anderes Verkehrsmittel in Köln, das positivere Gefühle auslöst.

Nicht nur wegen des wilden Ausflugs ins Siebengebirge bei „Windstärke 11“ und einer Spitzengeschwindigkeit von „hundert Knüddele“, wie Berbuer textete. Mit dem „Müllemer Böötche“ verbindet sich auch die über 150 Jahre alte Fährverbindung zwischen dem rechtsrheinischen Mülheim und der linksrheinischen Kölner Altstadt. Doch damit scheint es nun vorbei zu sein.

KD-Chef gab Bestandsgarantie

Bis 2019 legten noch drei Schiffe in Mülheim an, danach sollte das Ausflugsschiff MS Willi Ostermann die traditionsreiche Aufgabe allein fortführen. Dabei sollte es auch bleiben, als die Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt – kurz KD – den kleinen Wettbewerber „Dampfschifffahrt Colonia“ übernahm. Trotz der wirtschaftlichen Probleme während der Corona-Zeit gab es vom damaligen KD-Chef Achim Schloemer eine Bestandsgarantie: Er wisse um die besondere Tradition und die „emotionale Bedeutung“. 

Den Worten folgten keine Taten: Nachdem ein manövrierunfähiges Tankschiff im Dezember 2019 den Landesteg unterhalb des Mülheimer Kohlplatzes gerammt und dabei die Uferbefestigung beschädigt hatte, wurde die Anlegestelle nicht erneuert, obwohl eine Versicherung für den Schaden zahlte. 

Bis 2019 fuhr auch noch das Schiff Colonia 6 - hier zu sehen bei der Mülheimer Gottestracht 2010 - das Mülheimer Rheinufer an.

Seit Jahren kämpfen Bürger und Bürgerinnen dafür, dass der Anleger erneuert und die Schiffsverbindung wieder hergestellt wird. Einstimmige Beschlüsse der Mülheimer Bezirksvertretung werden im Rathaus ignoriert. Man habe das Gefühl, dass Mülheim nicht als Teil der Stadt angesehen werde, sagt der Vorsitzende der Bürgervereinigung Mülheim, Helmut Zoch. „Die Innenstadt wird vergoldet und für uns ist nichts übrig.“

Der Bürgerverein unterstützt eine Initiative „Rhein-Anleger Mülheim“, die nun im Internet Unterschriften für eine Petition sammelt. Sie fordert, dass die alte Anlegestelle wieder eingerichtet wird und von Ausflugsschiffen angesteuert werden kann. „Wir wollen den Anschluss zurück – an den Fluss, an die Stadt, an die Zukunft“, heißt es im Aufruf. Helmut Zoch sieht die Stadt in der Pflicht.

„Wirtschaftlich nicht darstellbar“

Fragt man in Mülheim nach dem Stand der Dinge, hört man Klagen über fortlaufende Missachtung. Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs hätte gerne kurz vor dem Ende seiner letzten Wahlperiode nach 35 Jahren Amtszeit die Wiederaufnahme der Verbindung verkündet. „Doch seit fünf Jahren hören wir nichts außer dem Hinweis auf eine schwierige Konstellation bei den Zuständigkeiten.“ Dabei ist die Sache alles andere als kompliziert: Stadt und KD möchten kein Geld ausgeben.

Auf die Wünsche nach einer Wiederaufnahme der Verbindung wird oft mit einer schwierigen Genehmigungslage für einen neuen Steg verwiesen. Das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt mache Probleme, heißt es. Auf Anfrage teilt das Amt mit, dass ein neuer Anleger grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Bisher habe aber niemand einen Antrag gestellt, den man genehmigen könnte, schreibt die Kölner Dienststelle des Amtes auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Die Stadt hält sich nicht für zuständig. Aktuell sei kein Ausbau geplant. Die Anlegestelle – die es faktisch nicht mehr gibt – sei Eigentum der KD. Die Stadt vermiete lediglich den Zugang zum städtischen Ufer vom privat betriebenen Anleger. Die KD wäre demnach in der Pflicht, doch das Unternehmen will die Kosten nicht übernehmen. „Das Wiederauslegen und der Betrieb einer Schiffsanlegestelle kommt einer Neugenehmigung mit allen aktuell geltenden Vorschriften für eine schwimmende Anlage gleich und ist für die angedachte Nutzung des Mülheimer Bötchens finanziell nicht darstellbar“, schreibt Unternehmenssprecherin Nicole Becker. Die KD schätzt die Kosten auf bis zu 1,5 Millionen Euro. Das sei deutlich mehr als die Versicherungssumme, die damals nach der Havarie ausbezahlt worden sei.

Das Geld von der Versicherung des Tankschiffs für den zerstörten Anleger wurde nicht in Mülheim ausgegeben. Mit der Übernahme des kleinen Wettbewerbers kam die KD auch in den Besitz von vier weiteren heiß begehrten Anlegestellen auf der linken Rheinseite, die der „Dampfschifffahrt Colonia“ gehörten. Die „MS Willi Ostermann“ wurde in die KD-Flotte integriert. Auf den Internetseiten des Unternehmens wird das 1965 gebaute, schöne Schiff immer noch als „das echte und traditionelle Müllemer Böötchen“ beworben. Doch anlegen kann das Schiff in Müllem nicht mehr.

Vage Hoffnung auf Wasserbus

Etwas Hoffnung verbindet sich mit den hochfliegenden Plänen für ein Wasserbusnetz, das der Kölner Stadtrat beschlossen hat. Doch angesichts des Umgangs mit diesem Beschluss in den vergangenen Jahren glauben nur noch große Optimisten an das Projekt. Bereits 2016 schrieben Grüne und CDU die Wasserbusse in ihren Bündnisvertrag. Außer dem Erstellen einer Machbarkeitsstudie ist seitdem nicht viel passiert. Ein für 2022 angekündigtes „Arbeitsprogramm“ wurde nicht vorgelegt.

Wenn man heute im städtischen Dezernat für Mobilität nach dem Stand der Dinge fragt, werden gar keine Jahreszahlen mehr genannt. Dass der Wasserbus in weite Ferne gerückt ist, hat auch damit zu tun, dass sich der Kölner Stadtrat nicht nur Schiffe, sondern auch eine Seilbahn als Ergänzung des Nahverkehrsangebots vorstellen kann. Der Prüfauftrag für das sogenannte „Rheinpendel“ hat offenbar Vorrang. Außerdem ist unklar, wer die Wasserbusse betreiben soll. Diese und „weitere Fragestellungen und Rahmenbedingungen“ müssten geklärt werden. Das klingt nicht nach besten und vor allem nicht nach zeitnahen Aussichten fürs „Müllemer Böötche“.