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Köln bei NachtImmer mehr Geschäfte verlängern Öffnungszeiten

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Innenstadt und Ehrenfeld sind nachts besonders belebt.

Köln – Seit vier Jahren kommt Barbara Barth hierher, in den Friseursalon Headlounge am Chlodwigplatz. Sie sei wie viele andere, sagt die 56-Jährige Informatikerin, arbeite täglich bis 17, 18 Uhr, manchmal auch länger. „Da ist es praktisch, wenn der Friseur auch spät noch geöffnet hat“, sagt Barth. Bis 22 Uhr schneidet das Headlounge-Team in der Kölner Südstadt Haare – von montags bis freitags. Nur samstags macht der Salon um 18 Uhr dicht.

Vor zehn Jahren sei das in der Branche noch umgekehrt gewesen, sagt Salonleiterin Ronak Nikbakht. „Da hatten die meisten Läden nur einen langen Tag in der Woche und an den anderen spätestens um sechs zu.“ Die Abendtermine sind in der Headlounge immer zwei bis drei Tage vorher ausgebucht.

Nachtschwärmer, Taxifahrer und Schichtarbeiter

Supermärkte wie Lidl, Netto und Rewe verkaufen in Ballungsräumen seit einigen Jahren bis 22 Uhr oder gar länger. Auch viele Tankstellen bieten mittlerweile zu jeder Tag- und Nachtzeit frische Lebensmittel an. Ebenso viele Imbisse: In der Kölner Südstadt etwa der Nimet Grill. Wer spät noch Sport machen will, kann das in Köln in den Fitnessstudios Xtrafit und McFit tun, die täglich 24 Stunden geöffnet sind. „Unseren Mitgliedern ist Flexibilität in Bezug auf die Öffnungszeiten sehr wichtig“, sagt Xtrafit-Geschäftsführer Gabriel Vogel. Bis ein Uhr nachts sei das Studio gut besucht, sagt der 35-Jährige. Danach kämen noch Nachtschwärmer, Taxifahrer und Schichtarbeiter.

Es sind also längst nicht nur Theater und Musicals, Bars und Kneipen, die nach Einbruch der Dunkelheit Geld verdienen. Das Geschäft in der Nacht brummt in verschiedensten Branchen. Das weiß auch Jakob Schmid. Zusammen mit seinem Kollegen Thomas Krüger hat der Stadtplaner aus Hamburg den wachsenden Wirtschaftszweig, die Nachtökonomie, in einer Studie untersucht. Dafür haben die beiden Forscher die Umsatzsteuerstatistiken deutscher Großstädte wie Köln, Berlin und München analysiert und interessante Zahlen, etwa zum Alkoholkonsum und zu Kinobesuchen, herausgerechnet.

So konnten Schmid und Krüger ermitteln, dass der Umsatz von Theatern und anderen Spielstätten in Berlin im Jahr 2012 bei durchschnittlich 171 Euro pro Einwohner lag, in München bei 243 Euro und in Köln sogar bei 284 Euro. Allein für Getränke in Bars und Clubs zahlten die 18 bis 35-Jährigen Kölnerinnen und Kölner 2014 pro Kopf im Durchschnitt etwa 600 Euro. „Vor allem in Städten mit einer jungen und aktiven Bevölkerung, beobachten wir eine wachsende Bedeutung der Nachtökonomie “, sagt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums NRW. „Für viele Kunden ist Einkaufen heute nicht mehr nur das Besorgen des Nötigen, sondern auch Erlebnis und Freizeitbeschäftigung.“

Kultureinrichtungen und Kneipen als Werkzeug

In Großbritannien ist die Nachtökonomie schon seit Anfang der 1990er Jahre Thema. Viele Briten arbeiteten damals in der Stadt, lebten aber auf dem Land. Entsprechend leer waren die von Bürogebäuden durchzogenen Bezirke nach Feierabend. Stadtplaner entdeckten Kultureinrichtungen und Kneipen daraufhin als Werkzeug, um Bezirke zu beleben und so die lokale Wirtschaft anzukurbeln.

Das „Berghain“ in Berlin-Friedrichshain, einer der bekanntesten Nachtclubs der Welt, lockt jährlich Tausende Besucher in die Hauptstadt. St. Pauli und Hamburg ohne Reeperbahn und Musicals undenkbar. Einstige Problemviertel wie Berlin-Neukölln oder sogar ganze Städte wie Leipzig erleben durch den Zuzug junger Menschen seit Jahren einen Aufschwung, gelten heute als hip und urban und damit als beliebte Wohn- und Ausgeh-Orte.

„Ein schillerndes Nachtleben ist für Städte ein wichtiges Standortargument – zum Beispiel im Werben um Studenten oder Touristen“, sagt Schmid. Für die Städte bedeutet das einen Spagat: Von einem belebten Nachtleben profitiert die lokale Wirtschaft. Andererseits folgen daraus Konflikte – vor allem in Hinblick auf die Lärmbelästigung.

In Köln ist das seit Jahren am Brüsseler Platz im Belgischen Viertel zu beobachten: Am Abend wird der regelmäßig zum Treffpunkt Feierfreudiger. Die Anwohner fühlen sich gestört. Konflikte wie diese werden sich in Zukunft noch verschärfen, erwartet Schmid. Auch, weil sich das Leben noch mehr in die Nacht- und Abendstunden verschieben werde. „Dem sind aber auch gewisse Grenzen gesetzt“, sagt der Stadtplaner. „Auch der Mensch folgt letztlich einem Biorhythmus.“