Nahaufnahme eines überzeugten NazisBiografie des Gauleiters Josef Grohé erschienen

Lesezeit 4 Minuten
Josef Grohé neben Adolf Hitler

Josef Grohé neben Adolf Hitler

  • Josef Grohé war der ranghöchste Nazi der Stadt Köln.
  • 1931 hat er die militärische Situation im Gau Köln-Aachen geleitet.
  • Historiker Daniel Meis hat nun erstmals das politische Leben des Josef Grohé umfassend beleuchtet.

Köln – Am 6. März 1945 setzt sich Josef Grohé aus Köln ab. In den Tagen zuvor konnte sich der ranghöchste Nazi der Stadt noch in einem Bayenthaler Bunker vor den nahenden US-Truppen verschanzen. Am 6. März ist die militärische Situation im Gau Köln-Aachen, den Grohé seit 1931 leitet, jedoch endgültig entschieden. Der 42-Jährige setzt mit einem Motorboot auf das rechte Rheinufer über und flieht Richtung Osten. Der Zweite Weltkrieg neigt sich seinem bitteren Ende zu und die Karriere eines Nationalsozialisten der ersten Stunde ebenfalls.

In seiner Masterarbeit an der Bonner Universität, die jetzt als Buch erschienen ist, hat Historiker Daniel Meis erstmals das politische Leben des Josef Grohé umfassend beleuchtet. Es ist eine nüchtern-wissenschaftliche, aber trotzdem eindrucksvolle Nahaufnahme eines überzeugten Nazis geworden, der immerhin zur zweiten Riege der NSDAP zählte und als Gauleiter an entscheidender Stelle das Räderwerk des NS-Staats ölte.

Sabotageaktion mit Sprengstoff

Grohé wuchs im Hunsrück in einfachen Verhältnissen auf, zog dann nach Köln, wo er schon 1921 der NSDAP beitrat und zwei Jahre später im „Ruhrkampf“ an einer Sabotageaktion mit Sprengstoff teilnahm. 1925 wurde er trotz schlichter Schulbildung in Köln Schriftleiter des Parteiorgans „Westdeutscher Beobachter“, attackierte als Kölner Ratsmitglied regelmäßig Oberbürgermeister Konrad Adenauer und stieg schließlich als NSDAP-Gauleiter für den Bereich Köln-Aachen zu einer der wichtigsten Stützen von Hitlers Herrschaft auf.

Bisher seien lediglich Versatzstücke über Grohés Wirken im Dritten Reich erschienen, so Meis: „Ich habe mir ein Thema gesucht, über das es so gut wie gar nichts gibt.“ Zum Teil habe er für seine Arbeit neue Quellen heranziehen können, etwa einen Bericht Grohés über sein Untertauchen im Frühjahr 1945, der erst 2015 aus privater Hand in das Archiv des NS-Dokumentationszentrums gekommen sei. Doch die Frage, inwieweit Grohé in die Organisation der Juden-Deportationen oder die Zwangsarbeiterprogramme in seinem Herrschaftsbereich verwickelt war, konnte auch der 26-Jährige nicht klären: „Viele der Unterlagen, die ihn belasten könnten, sind verloren gegangen, vieles hat er absichtlich vernichtet.“

Fest steht, dass die etwa 40 Gauleiter im NS-System eine wichtige Funktion erfüllten. „Einerseits sollten sie die Vertreter des »Führers« in ihren Regionen sein, und zugleich die Vertreter der Region beim »Führer«“, schreibt Meis. Adolf Hitler habe sie als seine „Vizekönige“ bezeichnet, die in ihren Bereichen die politische Führung ganz allein und individuell gestalten konnten. Begrenzt wurde diese selbstständige Führung lediglich durch Hitler persönlich.

Zwei Gesichter

Josef Grohé konnte ein freundliches Familienoberhaupt sein, aber auch arrogant und rücksichtslos zu anderen Menschen. Unterm Strich sei er ein „grauer Bürokrat“ gewesen, der sich in erster Linie akribisch um die Parteiverwaltung gekümmert habe, so Meis: „Wobei man das auf gar keinen Fall unterschätzen darf. Auch ein grauer Bürokrat kann ein harter, brutaler Schreibtischtäter sein.“ Die tausendfachen Deportationen in Ghettos und Vernichtungslager von Köln aus seien zwar in erster Linie von SS und Gestapo organisiert worden, Grohés Einfluss sei hier begrenzt gewesen: „Aber man kann davon ausgehen, dass er wusste, was passiert ist.“ Auch seine Freundschaft mit Gauleiter Karl Hanke lasse keinen anderen Schluss zu. In Hankes Gau lag immerhin Auschwitz und Grohé besuchte ihn mehrfach: „Die Prämisse, es müsse unter zwei antisemitisch eingestellten Gauleitern, von dem mindestens einer so unmittelbar mit der sogenannten „Endlösung“ in Kontakt geriet, nicht zu einem Gespräch hierüber gekommen sein, ist äußerst fraglich“, resümiert Meis.

Das könnte Sie auch interessieren:

Mit der Übernahme der Zivilverwaltung in Belgien bekam Grohé 1944 noch mehr Macht und Ansehen. Von da an pendelte er zwischen Köln und Brüssel. Als im Frühjahr 1945 alles vorbei war und Köln in Schutt und Asche lag, tauchte Grohé unter dem Namen Otto Gruber unter, irrte durch das halbe Reich, um seine Familie zu suchen, unternahm zwei erfolglose Selbstmordversuche und arbeitete schließlich auf einem hessischen Bauernhof. Am 21. August 1946 wurde er dort verhaftet und verbrachte bis 1950 in verschiedenen Internierungslagern.

Unbehelligtes Leben in Brück

Eine persönliche Verantwortung für NS-Verbrechen konnte ihm in mehreren Gerichtsverfahren nicht nachgewiesen werden. So konnte sich Josef Grohé bis zu seinem Tod 1987 in Köln eine neue Existenz als freiberuflicher Handelsvertreter aufbauen, finanziell offenbar gut abgesichert. In Brück lebte er bis zum Schluss zurückgezogen und unbehelligt. „Seine Ansichten haben sich wahrscheinlich nicht geändert“, sagt Daniel Meis.

Daniel Meis: „Josef Grohé (1902-1987) – Ein politisches Leben?“, Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 132 Seiten, 22,80 Euro.

KStA abonnieren