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„Liebe zur deutschen Sprache“Diese Kölnerin macht Kunst aus Zeitungspapier

Lesezeit 3 Minuten
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Eileen van Hell 

Köln – Ukraine-Krieg, Pandemie, Afghanistan-Krise: Wenn das Zeitgeschehen einen überrollt, dann kann man sich unter der Fülle der Informationen erdrückt fühlen – oder daraus Kunst schöpfen. Für diesen Weg hat sich die Künstlerin Eileen van Hell, bürgerlich Hellwig, entschieden. Seit Beginn der Pandemie beschäftigt sich die 35-Jährige fast ausschließlich damit, politische und gesellschaftliche Ereignisse, die sie bewegen, auf Papier zu bringen. Und zwar auf Zeitungspapier.

„Das ist meine Art, Dinge und Themen zu konservieren. Ich hatte schon immer ein Faible für Zeitschriften, habe auch eine Zeit lang für eine geschrieben. Ich liebe es, darauf zu malen“, so van Hell, die von sich sagt, noch von der „alten Schule“ zu sein.

Sprich, gerne Anfang und Ende eines Artikels überblicken möchte, statt mit dem Daumen auf einem Bildschirm zu scrollen. Auch die „Liebe zur deutschen Sprache“ hat sie dazu motiviert, Collagen mit den Stilmitteln der Popart zu schaffen. Van Hell hat Deutsche Sprache und Literatur studiert und ist überhaupt wortaffin: Bevor sie sich ausschließlich der Kunst gewidmet hat, arbeitete sie für einen Verlag und als freie Autorin für das Radio.

Eileen van Hell im Studio 10 in Köln-Nippes

Im Studio 10 in Nippes, einem Atelier, in dem derzeit rund zwölf Künstlerinnen und Künstler arbeiten und ihre Werke zeigen, hängen van Hells Collagen: ein großer, eingerahmter Mädchenkopf, eine Frau mit Kopftuch und kleinere Arbeiten, die vor allem Tiermotive wie einen Tiger oder einen Panda enthalten.

Aufeinandergeschichtete Zeitungsartikel bilden den gemeinsamen Nenner. „Bei dem kleinen Mädchen ist es so, dass ich fast ausschließlich Texte über kleine Kinder hinterlegt habe, die Wünsche und Sorgen thematisieren. Das sind 15 Artikel.“ In der Mitte prangt die Überschrift: „Was Kinder hoffen.“

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Collage: Mädchen-Porträt, im Hintergrund Berichte über Sorgen und Wünsche der Kinder

Auch die gewaltsame Übernahme Afghanistans durch die Taliban hat van Hell beschäftigt: Die Frau im Porträt blickt auf eine aus den Fugen geratene Weltkugel, im Hintergrund die Berichterstattung zu Afghanistan.

Neben Feminismus, Rassismus und der Impfdebatte setzt sich van Hell auch ausgiebig mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. „Upcycling war schon immer mein Ding. Meine Wohnung ist ein  wilder Mix aus den Achtzigern und heute. Alles ist secondhand und aufgewertet.“

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Rechts: Afghanische Frau. Die Kölner Künstlerin Eileen van Hell hat sich hier mit der Afghanistan-Krise auseinandergesetzt.

Für ihre Bilder greift sie zu ausrangierten Leinwänden, die sie vom Sperrmüll entdeckt oder im Secondhand-Laden aufspürt. Auch ihr Bruder bringt ihr öfters Leinwände vorbei, wenn im Freundeskreis mal wieder jemand ausgemistet hat. „Es ist mir wichtig, Dinge wiederzuverwerten, nicht nur die Zeitung, sondern auch andere Materialien.“

Präsenz auf Instagram: Austausch mit anderen Künstlern

Für ihre Zeichnung verwendet van Hell alles, was ihr in die Finger gerät: Acryl, Lack, Kohle. Ihr Traum ist es, ihre Bilder in großem Rahmen zu präsentieren, sodass sie irgendwann einmal von ihrer Kunst leben kann. Bisher bekommt sie ihr Feedback vor allem über Social Media. Über Instagram finde ihre Kunst Anklang und das positive Feedback habe sie dazu motiviert, weiterzumachen.

Über die Plattform ist sie auch mit Künstlern, vor allem aus der Streetart-Szene aus Köln und Bonn, vernetzt. „In gewisser Weise fühle ich mich mit der Streetart verwandt, außerdem mache ich sehr gerne Streetart-Touren mit und schaue mir an, was es in Köln so gibt.“

Dass ihre Kunst durch das stark alternde Zeitungspapier dem Verfall eher zugeneigt ist als andere Bilder, findet sie nicht schlimm. „Ich finde das sogar schön, weil ich diesen used look und das Grobe spannend finde, gerade auch, weil nicht absehbar ist, wie es zerfallen wird.“ Zeitungspapier wird mit der Zeit dunkler. Van Hell zieht bei Fertigstellung eines Bildes noch einen UV-Filter drüber. Dennoch verändert es sich langsam. „Das Bild lebt“, sagt van Hell.