Köln früher und heuteAls sich Arm und Reich in der Flora durch ein Guckloch beäugten

Lesezeit 3 Minuten
Floraeingang um 1910 mit AutoBrokmeier

Der Eingang zur Kölner Flora um 1910: Zu dem Zeitpunkt war die Flora noch eine Aktiengesellschaft.

  • In unserer PLUS-Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
  • In dieser Folge geht es um die Flora, wo sich früher alles traf, was in der Gesellschaft Rang und Namen hatte. Allerdings war der Eintritt in das edle Paradies nur für Aktieninhaber frei.
  • Der Rest musste draußen bleiben, wenn er nicht bereit war, einen lächerlich hohen Eintrittspreis zu entrichten.

Es waren ausschließlich gut betuchte Herrschaften, die an den beiden Pförtnerhäuschen vorbeikamen, ohne zahlen zu müssen. Die Flora, der „Botanische Zier- und Lustgarten“ Kölns, war 1864 in Riehl eröffnet worden, nachdem der Botanische Garten am Dom dem Hauptbahnhof weichen musste. Gestaltet wurde das 5,6 Hektar große Grundstück unmittelbar neben dem Zoo vom damals berühmten Gartenkünstler Peter Joseph Lenné.

Im Zentrum der Anlage erhob sich ein palastartiger Wintergarten aus Gusseisen und Glas, entworfen von den Kölner Architekten Max Nohl und Joseph Felten. Die Finanzierung übernahmen Mäzene des gehobenen Bürgertums, allen voran der Kölner Bankier Eduard von Oppenheim.

„Die Flora war eine Aktiengesellschaft“, sagt Stephan Anhalt, Direktor des Botanischen Gartens. Das heißt: Nur für Aktieninhaber war der Eintritt in das Paradies aus Elementen des französischen Barocks, der italienischen Renaissance und des englischen Landschaftsgartens frei. Der Rest musste draußenbleiben oder einen Eintrittspreis von umgerechnet 70 Euro entrichten. Allerdings war dies nur an bestimmten Tagen möglich. „In die Flora ging nicht die normale Arbeiterschaft“, sagt Anhalt: „Das war eine sehr exklusive Veranstaltung.“ An der nur teilnehmen durfte, wer die kleinen Kassenhäuschen passieren durfte.

Alles zum Thema Cafes

Die ursprünglichen Pförtnerhäuschen wurden im Krieg zerstört

Die feine Gesellschaft verlustierte sich auch im Festhaus, das von den Kölnern kurz Flora genannt wurde. „Bei den Veranstaltungen und auf der Terrasse mit seinem Café präsentierten dann die Eltern ihre Töchter und hofften, dass ein schmucker Leutnant ein Auge auf sie warf“, sagt Joachim Brokmeier, Experte für die Riehler Stadtteilgeschichte.

Die heutigen Pförtnerhäuschen an der Stammheimer Straße in Riehl sehen zwar aus wie diejenigen von 1864, in denen die Kutscher auf die Rückkehr ihrer flanierenden und dinierenden Herrschaften warteten und sich mit einem Tee aufwärmten. Sie stammen jedoch aus der Mitte der 1990er Jahre, als die Kölner Zimmerer-Innung die Initiative übernahm, sie möglichst originalgetreu wiederherzustellen. Beteiligt an dem rund 200 000 D-Mark teuren Projekt waren außerdem die Baugewerks-, die Elektro-, die Straßenbauer- und die Dachdecker-Innung sowie die Stadt Köln. Genutzt werden die Häuschen heute für Kunstausstellungen und für Einführungen in botanische Ausstellungen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die ursprünglichen Pförtnerhäuser waren im Zweiten Weltkrieg zerstört worden, als Kassen hatten sie aber schon damals längst ausgedient. Die Aktiengesellschaft wurde bereits 1920 nach einer langen Zeit der Verlustwirtschaft von der Stadt übernommen. „Ab dann kostete es keinen Eintritt mehr“, sagt Stephan Anhalt. Passé war damit auch die strikte Trennung zwischen der Flora und dem botanischen Garten, den die Stadt zwischen 1912 und 1914 nördlich der Flora anlegen ließ. Weil hier der Eintritt von Anfang an frei war, hielten sich in dem Lehrgarten vor allem die normalen Bürger auf. Stephan Anhalt spricht von einer „klaren Trennung zwischen Haute Volee und der Arbeiterschaft“. Flora und botanischer Garten seien durch eine Mauer getrennt gewesen. Aber Arm und Reich beäugte sich und ihre Mode durch ein Guckloch in der Mauer, zu erreichen über Sandsteintreppchen auf beiden Seiten. Eine kuriose Situation.

Auch das im Krieg zerstörte Tor zwischen den Pförtnerhäuschen ist mittlerweile wiederhergestellt. Der Freundeskreis Botanischer Garten Köln finanzierte den Nachbau, der 1998 fertiggestellt war und rund 150 000 D-Mark kostete. Stephan Anhalt ist zufrieden mit dem neuen alten Entree. „Das ist ein Stück der Wiederherstellung der historischen Schönheit, das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass sich die Stadt dazu entschlossen hat, auch das Flora-Veranstaltungsgebäude zu sanieren.“

KStA abonnieren