Vergifteter Arzt aus KölnWarum die Haushälter einen Muffin verschwinden ließen

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Muffin

Symbolbild.

Köln – Mit der Vernehmung der Haushälter wurde am Dienstag der spektakuläre Prozess um einen vergifteten Mediziner aus dem Kölner Westen fortgesetzt. Die beiden Angestellten hatten den Senior in einem komatösen Zustand auf dem Sofa seines Hauses entdeckt. Und direkt Verdacht geschöpft. Im Zeugenstand erklärten sie in Saal 112 des Landgerichts, warum sie einen Muffin vom Tatort verschwinden ließen.

„Eine menschliche Hülle, wo kein Hirn mehr drin ist“

Seit 30 Jahren hatte sich ein Ehepaar um die Belange des Arztes gekümmert, sein Haus und seinen Garten in Schuss gehalten, für ihn gekocht und Besorgungen gemacht. Der „Herr Doktor“ habe bis zuletzt zwölf Stunden am Tag in seiner Praxis gearbeitet, sei fit und lebensfroh gewesen, so drückte es der Zeuge aus. Heute sei der Mann nur noch „eine menschliche Hülle, wo kein Hirn mehr drin ist.“

Den Tag, der alles änderte, beschrieb der Zeuge so: Er habe einen Anruf von seiner Frau bekommen. „Ich bekomme den nicht wach“, habe sie über den Doktor gesagt. „Ich habe mich aufs Fahrrad geschwungen und war ein paar Minuten später im Haus“, schilderte der Angestellte. Er habe den Senior angebrüllt, ihm auf die Arme geschlagen. Doch keine Reaktion. Dann habe er Hilfe geholt.

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Haushälter schöpfen Verdacht

Stutzig habe das Ehepaar gemacht, dass ihr Chef mit seiner Kleidung vom Vortag und mit einer Serviette in der Hand in dem Wohnzimmer saß, in dem er für gewöhnlich nur mit Gästen sitze. „Auf dem Tisch stand ein Teller mit einem Muffin drauf“, schilderte der Zeuge. Man habe den Verdacht gehabt, dass das Gebäckstück mit dem Zustand des 80-Jährigen in Verbindung stehen könnte.

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Die Angeklagte mit Verteidiger Jürgen Graf beim Prozessauftakt im Landgericht.

Also packte das Haushälter-Paar den Muffin weg, um ihn später der Polizei als mögliches Beweisstück zu übergeben. Doch das Küchlein war sauber, eine Laboruntersuchung förderte keine Spuren von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen zutage. Doch vergiftet wurde der Senior laut Anklage der Staatsanwaltschaft schon. Mit einer Überdosis Insulin, die ihn zum Pflegefall gemacht hat.

Schwiegertochter soll Senior vergiftet haben

Als Täterin hat die Staatsanwaltschaft die Schwiegertochter ausgemacht. Sie war am Vortag zu Besuch und hatte die Muffins mitgebracht. Dann soll sie den Mediziner mit Tavor ruhiggestellt und die fast tödlichen Insulin-Spritzen gesetzt haben. Auffällig erscheint auch, dass nach ihrem Besuch die Alarmanlage der Villa nicht wieder scharf gestellt worden sein soll.

Der Zeuge berichtete, die Angeklagte habe ihrem Schwiegervater in der Vergangenheit ein Campari-Mixgetränk und einen Eiskaffee gereicht, wonach diesem schlecht geworden sei. Laut Anklage soll sie ihm bei der Tat das Beruhigungsmittel in ein Getränk gemischt haben. Doch ein Glas oder eine Tasse sahen die Haushälter laut eigener Aussage am Morgen des Auffindens in dem Wohnzimmer nicht.

Angeklagte googelte nach „Perfekter Mord mit Insulin“

Da der Senior aber laut ärztlichem Gutachten Koffein konsumiert hatte, hätte sich zumindest eine gebrauchte Kaffeetasse in der Nähe befinden müssen. Ob die Angeklagte diese womöglich hat verschwinden lassen, muss der weitere Prozess zeigen. Die Immobilienmaklerin belastet auch ihr Google-Verlauf im Handy, so hatte sie nach  „Perfekter Mord durch Insulin“ gesucht. Sie erklärte das damit, dass sie sich grundsätzlich auch immer wieder mit der Tötung ihrer eigenen Person beschäftigt habe. Tatsächlich hat sie mehrere Selbstmordversuche hinter sich.

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Den Koffeinwert will die Verteidigung als entlastendes Indiz gewertet wissen. Denn der sei so hoch gewesen, dass der Geschädigte noch morgens habe Kaffee trinken müssen. Was jedoch nicht sein mutmaßliches Outfit vom Vortag erklären würde; der Senior galt als äußerst penibel, was frische Kleidung angeht. Auch habe der Doktor jeden Morgen ausschließlich Tee getrunken, sagte sein Haushälter.

Haushälter spricht mögliches Motiv an

Die Angeklagte hatte bei ihrer Aussage auch einen möglichen Selbstmordversuch seitens des Schwiegervaters ins Spiel gebracht, er habe nicht als Pflegefall enden wollen. Doch Zeugen aus dem Umfeld des Seniors berichteten von dessen Lust auf das Leben und die Arbeit. So habe er etwa seinen 80. Geburtstag groß in einem Gourmetrestaurant feiern wollen, was Corona verhindert habe.

Einzig das Motiv, das die Schwiegertochter gehabt haben soll, scheint unklar. Doch auch hier hatte der Haushälter eine Theorie. So soll es der Wunsch der Angeklagten gewesen sein, die seit einem Jahr in Haft sitzt, mit ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern in die Villa des Schwiegervaters zu ziehen, sozusagen die Häuser zu tauschen. Das habe der Senior abgelehnt. Der Prozess geht weiter.

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