„Es ist wie eine Droge“Köln ist ein Paradies für Ampel-Jongleure

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An der Inneren Kanalstraße sind fast zu jeder Zeit Ampel-Jongleure anzutreffen. Wir haben mit zweien von ihnen gesprochen.

Daniel ist ein Freigeist. Er lebt von Tag zu Tag, Stunde zu Stunde und von Ampelphase zu Ampelphase – denn Daniel arbeitet seit 20 Jahren als Straßenkünstler. An einem heißen Freitagnachmittag steht der 36-Jährige aus Honduras im Schatten von Bäumen auf einer kleinen Verkehrsinsel an der Inneren Kanalstraße. Neben ihm steht Hector, auch Ampel-Jongleur, auf der Straße balanciert ein dritter auf einem Einrad und lässt Kegel gekonnt durch die Luft wirbeln.

Daniel ist seit zwei Monaten in Köln, ob er kommende Woche noch hier sein wird, weiß er nicht. Vielleicht probiert er dann sein Glück in Berlin. In Köln gefällt es ihm aber gut: „In anderen Städten kommt schon nach fünf Minuten die Polizei und schickt einen weg.“ An der Inneren Kanalstraße dagegen könnten die Straßenjongleure weitgehend ungestört arbeiten.

40 Euro für einen Tag Ampel-Jonglage – Stadt Köln sieht kein Grund für Verbot auf Innerer Kanalstraße

„Ampel-Jonglage ist in Köln nicht verboten“, heißt es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ von einer Sprecherin der Stadt. Die Stadt Köln würde nur eingreifen, wenn es sich um „aggressives Betteln“ handeln würde. Sollte wiederum der Verkehr durch Ampel-Jongleure beeinträchtigt werden, ist die Polizei zuständig. „Das Jonglieren stellt aus polizeilicher Sicht unter dem Aspekt ‚negative Wirkung auf die Verkehrssicherheit‘ kein auffälliges Phänomen dar“, sagt Polizeihauptkommissar Christoph Gilles auf Anfrage. Heißt: Ampel-Jongleure können in Köln problemlos arbeiten – solange sie bei Grün wieder am Straßenrand stehen und niemanden belästigen.

Die Kreuzung in der Nähe des Herkulesbergs ist beliebt, denn die Rotphase ist vergleichsweise lang und es kommen viele Touristen, nicht nur Kölnerinnen und Kölner. Wechselndes Publikum sei lukrativer; wer jeden Abend Ampel-Jongleure sieht, ist nicht mehr leicht zu beeindrucken. Aber wie viel verdient ein Straßenjongleur überhaupt? „Es reicht zum Essen und Reisen“, erzählt Daniel, der in der ganzen Welt unterwegs ist und dabei im Zelt oder bei Freunden schläft. Auf Nachfrage präzisiert er: An einem Tag mit fünf bis sechs Stunden Jonglieren kämen rund 40 Euro bei ihm zusammen.

Ampel-Jongleure: Timing ist Übungssache

Mit dem Jonglieren angefangen hat Daniel mit 15 Jahren, als er einen Jongleur auf der Straße sah. Erst habe er dann mit Orangen geübt, später habe er immer mehr Tricks von anderen Straßenjongleuren gelernt, erzählt er. Heute jongliert Daniel mit Feuer: Sobald die Ampel auf der Nebenspur umspringt, taucht er seine drei Stäbe in eine Brennflüssigkeit, entzündet sie und tritt auf die Straße.

Das Feuer wirbelt durch die Luft, fliegt hoch und Daniel fängt alles geschickt wieder auf. Wenn er merkt, dass es Zeit für den Abschluss ist, pustet er die Flammen aus und geht durch die wartenden Autos. Vereinzelt fahren Autofenster runter, eine Hand hält Daniel einen Geldschein hin. Kurz bevor die Ampel auf Grün springt, steht er wieder auf der Verkehrsinsel. Das perfekte Timing sei reine Übungssache: „Ich habe eine feste Routine, an einer neuen Straße probiere ich einfach aus und kürze dann nach Bedarf, bis es genau passt.“

Köln: Ampel-Jongleure vernetzen sich auf der Straße oder über Instagram

Ein richtiges Netzwerk von Ampel-Jongleuren gebe es nicht. Das sei auch schwierig, weil ein Großteil wie Daniel immer umherreise. Aber mit manchen Jongleuren sei er über Instagram vernetzt und neue kennenzulernen sei auch kein Problem – „man hilft sich gegenseitig.“ Hector zum Beispiel hat Daniel gerade eben erst an der Straße kennengelernt.

Der 28-Jährige ist quasi noch Ampel-Jongleur-Schüler. Und seine Schule ist die Straße. Vor acht Monaten ist der Kolumbianer nach Deutschland gekommen, weil seine Familie hier lebt. Seitdem kommt er bei seiner Schwester in Köln unter. Vor vier Monaten sind ihm die Ampel-Jongleure aufgefallen, seitdem übt er mit roten Bällen und tritt auch schon mal selbst auf der Straße auf.

Ampel-Jongleure in Köln: „Es ist wie eine Droge“

In seiner Heimat hat Hector Film und Fernsehen studiert. Er hofft, dass er irgendwann auch in Deutschland wieder in der Branche arbeiten kann, aktuell ginge das aufgrund der Sprachbarriere nicht. Seit seiner Ankunft in Köln arbeitet Hector deshalb fleißig an seinen Deutschkenntnissen und bald möchte er eine Stelle in der Altenpflege antreten.

Das Jonglieren im Takt der Ampel möchte er dann aber trotzdem noch nicht aufgeben. Warum? „Dinero“, antwortet Hector auf Spanisch, das bedeutet Geld. Aber das Jonglieren mache ihm auch einfach Spaß. „Es ist wie eine Droge“, ruft der erfahrenere Ampel-Jongleur Daniel dazwischen. Hat man einmal angefangen, könne man nicht mehr aufhören.

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