Kritik am Impfzentrum„Könnten alle Kölner in den Praxen binnen zwei Wochen impfen“

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Impfzentrum Wartebereich

Auch fünf Wochen nach der Fertigstellung noch leer: Der Wartebereich im Kölner Impfzentrum.

Köln – Eine Einbahnstraße über zwei Etagen, 25 Ärzte, 5000 Impfungen pro Tag. In Deutz wurde ein imposantes Impfzentrum errichtet. Angekündigt als Exit-Strategie, gefeiert als Anfang vom Ende der Pandemie. Die Stadt setzt große Hoffnungen in Halle 4 der Messe. Hier soll die rasante Verbreitung des Coronavirus in Köln endlich ihr Ende nehmen – am besten noch in diesem Jahr. Aber wäre der Aufwand wirklich nötig gewesen? Die Kölner Hausärzte stellen das nun fundamental infrage. Das Zentrum sei mehr Problem als Lösung, sagen sie.

Vor allem mit Blick auf die über 80-Jährigen, die nun als erste in Deutz geimpft werden sollen. Der Weg zum Impfzentrum stelle in vielen Fällen „Belastungen für die ältere Bevölkerung“ dar, weil dieser oftmals länger sei als der zur eigenen Hausarztpraxis, sagt Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein. Zudem sei die Arzt-Patienten-Beziehung sehr wertvoll und schaffe Vertrauen. „Im Impfzentrum fällt sie weg“, so Funken dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gegenüber. „Wir hören daher von vielen älteren Patienten, dass sie lieber warten, bis das Mittel in ihrer Arztpraxis angekommen ist.“

Corona-Impfstoff: Neue Erkenntnisse

Dass eine Impfung außerhalb des Zentrums aktuell überhaupt möglich scheint, liegt an neuen Erkenntnissen, die es über das Vakzin der Hersteller Biontech und Pfizer gibt. Zunächst hieß es, der Impfstoff müsse bei rund minus 70 Grad transportiert und gelagert werden. Auch aus diesem Grund wurden die Impfzentren aufgebaut: Zentrale Transporte und sichere Lagerungen als große Vorteile. Doch wie aus neuen Handlungsempfehlungen von Biontech hervorgeht, kann der Impfstoff auch schon als fertige Dosis in der Spritze bis zu sechs Stunden bei zwei bis acht Grad transportiert werden. Die Einschätzung basiert auf neuen Daten zur Stabilität des Impfstoffes.

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Die Stadt hält an der Vorgabe des Landes fest und bereitet sich auf die Inbetriebnahme vor, „solange es keine gegenteilige Aussage des Landes gibt“, sagt eine Sprecherin. Nach Kenntnis des Gesundheitsamtes prüfe das Land derzeit noch, „ob und unter welchen Rahmenbedingungen kurzfristig Impfungen in niedergelassenen Praxen angeboten werden können“.

Kölner Kassenärzte sind skeptisch

„Im Nachgang ist man immer klüger“, sagt Hausarzt Funken. Ihm gehe es nicht um einen Vorwurf, dass die Impfzentren überhaupt geplant wurden. Das sei Ende des vergangenen Jahres ein guter Plan gewesen. Mit dem neuen Wissensstand allerdings „sollte man umdenken – und das geschieht bislang nicht.“ Sein Argument: Die Arztpraxen „organisieren jedes Jahr erfolgreich die Grippeimpfungen.“ Stehe irgendwann genug Impfstoff zur Verfügung, könne man alle erwachsenen Kölner in den Arztpraxen binnen zwei Wochen impfen. „Das wäre ein Kraftakt, aber es wäre möglich. Die Bereitschaft der Ärzte ist da“, so Funken.

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Dem steht Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln, kritisch gegenüber. „Ich rekonstituiere den Impfstoff selbst und weiß, dass das nicht trivial ist. Es ist für jeden Arzt theoretisch machbar, praktisch ist es aber hochkompliziert“, sagt er. In den Arztpraxen gebe es niemanden, der den korrekten Umgang mit dem Impfstoff überprüft – anders als im Impfzentrum, wo die notwendigen Kontrollmechanismen vorhanden seien.

„Ist in den 0,3 Millilitern Impfstoff Luft, was sehr schnell passieren kann, ist der Impfstoff unwirksam“, so Zastrow. Hinter der Forderung der Hausärzte stehe auch eine wirtschaftliche Forderung nach mehr Aufträgen. Zastrow selbst ist als Vertreter der Kassenärzte am geplanten Betrieb des Impfzentrums beteiligt.

Impfung in Arztpraxen: Zustimmung von Kölner Apotheken

Die Kölner Apotheken hingegen stünden dem Vorschlag offen gegenüber. „Wir sehen keine Probleme, falls in Arztpraxen geimpft werden sollte“, sagt ihr Kölner Vorstand Thomas Preis. Seiner Einschätzung nach könnten Praxen und Apotheken „das Mittel ohne Probleme in eine impffertige Form bringen.“

Auch organisatorisch wäre es machbar: „Schon heute werden die Altenheime direkt aus einem zentralen Impfstoff-Lager für NRW beliefert.“ Auf der anderen Seite bestünde das Risiko, „dass einzelne Ärzte nach eigenem Ermessen impfen und sich womöglich nicht an die vorgegebene Impf-Priorisierung halten.“ Dieses Argument spreche für ein Festhalten am Impfzentrum, „sonst allerdings nicht mehr viel“.

Kölner Infektiologin plädiert für Einbindung der Hausärzte

Auch Prof. Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln, hält es für „erstrebenswert, die Hausarztpraxen direkt mit in den Impfprozess einzubinden, um möglichst einen großen Teil der Bevölkerung zügig impfen zu können“. Das Ziel solle nun sein, den logistischen Aufwand der Kühlkette weiter zu vereinfachen. „Der vertraute Kontakt zum Hausarzt und dem Personal vereinfacht die Akzeptanz der Covid-Impfungen“, sagt Lehmann , die selbst eine Studie zum Curevac-Impfstoff leitet, der dem Mittel von Biontech ähnlich ist. Es sei zwar theoretisch möglich, dass der Biontech-Impfstoff seine Wirksamkeit bei unaufmerksamer Zubereitung verliert. Dies gelte allerdings für jedes Arzneimittel.

Den Hausärzten zufolge ist es nicht zu spät, umzusteuern.„Der Aufwand für den Aufbau der Zentren war nicht klein, aber die Folgekosten sind in den Impfzentren um ein Vielfaches höher“, sagt Oliver Funken. „Diese könnte man mit Impfungen in den Praxen vermeiden.“

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