Zyklusorientiertes Leben und Training in Köln„Nach meinem Eisprung bin ich super fokussiert und kreativ“

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Lara Lueg will Kölnerinnen helfen, nach dem weiblichen Zyklus zu leben und zu trainieren. Wissenschaftlich ist dies jedoch kaum bewiesen.

Nur noch wenige Wochen bis zum Boxkampf, denkt sich Lara Lueg. Beim Training fühlt sie sich gut, sie weiß, dass sie den Kampf gewinnen wird. Eine Woche später die gleiche Trainingseinheit, nur „habe ich mich sowas von furchtbar gefühlt, ich habe mich geschämt für meine schlechte Leistung“, sagt die 33-Jährige und erinnert sich noch an jedes einzelne Gefühl. Das war 2017.

Zwei Frauen boxen im Park.

Lara Lueg (rechts) trainiert ihre Kundinnen im Einklang mit dem weiblichen Menstruationszyklus. Für ihre Klientin Paula Engel ist Ausdauersport wie Boxen in der ersten Zyklushälfte perfekt, sagt Lueg.

Sechs Jahre später sagt Lara Lueg: Es ist ihr Menstruationszyklus, mit seinen ganzen Hormonen, der sie im Leben und im Training beeinflusst. „Davor bestand der Zyklus für mich darin, dass ich meine Periode und Bauchschmerzen habe, aber trotzdem genauso gut wie sonst performen muss. Mich hat das einfach immer nur genervt.“

Lara Lueg verbreitet ihr Wissen über den weiblichen Zyklus in ganz Köln

Heute versucht Lueg im Einklang mit ihrem weiblichen Zyklus zu leben, sie lebt ein sogenanntes zyklusorientiertes Leben und trainiert zyklusorientiert. Und genau das gibt die 33-Jährige als ausgebildete Personal Trainerin und Female Coach an ihre Kundinnen weiter und verbreitet ihr Wissen bei Trainings und Vorträgen in Kölner Unternehmen, Vereinen und Frauenfitnessstudios.

Beim zyklusorientierten Leben verfolgt Lueg ihren Menstruationszyklus, der aus vier Phasen besteht –Menstruationsphase, Follikelphase, Eisprung und Lutealphase, und wertet diesen aus. In jeder Phase ticken die Hormone einer Frau etwas anders. „Kreative Phasen, in denen ich weitsichtig planen muss und neue Ideen brauche, versuche ich in meine Lutealphase zu legen, weil ich dort super fokussiert und kreativ bin“, sagt Lara Lueg.

Mir ist es wichtig, dass wir anfangen, Frauen als Individuum zu betrachten.
Lara Lueg, Personal Trainerin und Female Coach

Im zyklusorientierten Training ist ihre Herangehensweise ähnlich, dort unterscheidet Lueg allerdings zwischen der ersten und zweiten Zyklushälfte, angefangen bei der Follikelphase. Alle Sportübungen, mit denen Lueg ihren Unterkörper stärkt, legt sie somit vor allem in die erste Hälfte, „weil ich da vor allem im Kraftbereich viel mobiler bin“.

In der zweiten Phase legt die 33-Jährige den Fokus im Krafttraining auf den Oberkörper, „alle Intensität nehme ich aus dem Unterleib heraus und meinem Körper gebe ich Ruhe, wenn er es braucht.“

Lara Lueg dehnt das Bein von Paula Engel, die auf dem Rasen im Park liegt.

In der zweiten Zyklushälfte von Paula Engel (liegend) sind ruhige Dehnübungen und Yoga gut. Das treffe auch auf viele andere Frauen zu, sagt Lara Lueg.

Ihr eigenes Wohlbefinden während der unterschiedlichen Phasen im Zyklus kann Lueg aber nicht eins zu eins auf ihre Kundinnen übertragen. „Mir ist es wichtig, dass wir anfangen, Frauen als Individuum zu betrachten.“ Weg von den jahrelangen Stigmatisierungen. Nur weil eine Frau ihre Periode hat, müsse sie sich nicht automatisch schlecht fühlen, sagt Lueg.

Parallelen zwischen den Frauen beobachte sie dennoch. In der zweiten Hälfte ziehen sich viele Frauen gerne zurück, dann sei „langes, moderates Ausdauertraining wie Laufen oder Fahrradfahren super.“ Denn in dieser Zeit funktioniere die Fettverbrennung besser.

Biologe der Sporthochschule Köln sieht zyklusorientiertes Training skeptisch

Das sei richtig, sagt Patrick Diel, der Unterschied durch die Hormon-Schwankungen im Körper sei aber nur „sehr gering.“ Der Professor der Sporthochschule Köln ist Biologe, Biochemiker und Endokrinologe und forscht seit mehr als 30 Jahren zum Thema Hormone und weiß, dass zyklusorientiertes Training noch nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Es gibt zwar ein paar wenige Studien, die zum Beispiel aussagen, dass Training an der Beinpresse in der Follikelphase effektiver ist, aber „die sind von schlechter Qualität“, sagt Patrick Diel.

Das Problem: „Studien sind super aufwendig und kompliziert“, sagt Diel. Man müsse zum einen Frauen in ihrem Zyklus begleiten und sie zum anderen von äußeren Einflüssen abschotten. Denn vor allem Essen, Psyche, Schlafqualität, aber auch das Wetter spielen bei der Leistungsfähigkeit eine wichtige Rolle.

Professor Dr. Patrick Diel schaut freundlich in die Kamera.

Professor Dr. Patrick Diel forscht seit mehr als 30 Jahren zum Thema Hormone.

Auch Lara Lueg weiß das und integriert deshalb die Tagesform der Frauen in ihr Training. Für sie ist zyklusorientiertes Leben und Training sowieso mehr als Wissenschaft, sondern eine Lebensweise. „Ich glaube, dass jede Frau einen Zyklus in sich spürt.“

Ich möchte mich für Frauen starkmachen und über das Thema zyklusorientiertes Leben aufklären
Lara Lueg, Personal Trainerin und Female Coach

Zudem gibt es auch in der Studienlage eine Ausnahme, „die aber in der Diskussion zu zyklusorientiertem Training nicht vorkommt: die Verletzungsgefahr“, sagt Diel. Da gebe es konkrete Untersuchungen. „Wir wissen, dass das Bindegewebe durch die Hormone beeinflusst wird. Im Zyklus schwanken die Schwangerschaftshormone und die höchste Konzentration hat man in der zweiten Zyklushälfte nach dem Einsprung.“ Und genau das könne zu mehr Bänderdehnungen und anderen Verletzungen führen, wenn die Frauen in dieser Phase zum Beispiel zu viel springen.

Auch wenn die Wissenschaft demnach noch am Anfang ist, glaubt Lueg an ihre Trainingsform. „Ich möchte mich für Frauen starkmachen und über das Thema zyklusorientiertes Leben aufklären.“ Und am Ende sei es einfach wichtig, dass Luegs Arbeit den Frauen ein gutes Gefühl gibt und ihnen hilft.

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