„Dieser Schmerz betrifft uns alle“Kölner Mahnmal für die Opfer des Genozids an den Armeniern darf stehenbleiben

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Mahnmal aus Metall

Gedenkfeier für die Opfer des Genozids an den Armeniern an der Hohenzollernbrücke in Köln.

Das Mahnmal für den Völkermord an Armeniern kann vorübergehend auf dem Kurt-Rossa-Platz in Köln stehenbleiben.

Das Mahnmal „Dieser Schmerz betrifft uns alle“, das an den Völkermord an den Armeniern 1915/16 erinnert, kann vorerst an dem Ort stehen bleiben, wo es für die Gedenkfeier der Armenischen Gemeinde Köln anlässlich der Genozid-Gedenktags am Montag aufgestellt worden ist: auf dem Kurt-Rossa-Platz, dem linksrheinischen Zugangsbereich der Hohenzollernbrücke, nahe dem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms II.

Der Verein „Recherche International“ als Träger und Sprachrohr der Initiative „Völkermord erinnern“ hatte am 20. April einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung der stählernen Stele für die Dauer von drei Jahren gestellt; darauf war zunächst eine Genehmigung für einen Monat erteilt worden, heißt es in einem Sachstandsbericht für die Sitzung der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt an diesem Donnerstag. In einem nächsten Schritt werde das Amt für Integration und Vielfalt die zuständigen Stellen zu einem gemeinsamen Gespräch einladen, um möglichst bis zum 24. Mai „eine einheitliche Verwaltungsmeinung herbeizuführen und Möglichkeiten einer rechtssicheren Form für eine weitere Aufstellung des Mahnmals zu erarbeiten“.

Initiative „Völkermord erinnern“ stellt Mahnmal an die Hohenzollernbrücke

Seit 2018 hatte die Initiative „Völkermord erinnern“ es mehrmals am genannten Ort aufgestellt; mangels Erlaubnis war es von der Stadt immer wieder abgeräumt worden. Die Initiatoren möchten, dass die Stele so lange stehen bleibt, bis eine Lösung dafür gefunden ist, eine dauerhafte Gedenkstätte zu schaffen. Dabei bekommen sie Unterstützung von der BV. Diese votierte Ende März einstimmig dafür, „an zentraler, prominenter Stelle der Stadt“ an die „genozidalen Verbrechen an den Armeniern und die Verantwortung Deutschlands zu erinnern“. Dafür solle eine Findungskommission eingerichtet werden. Bis zum Ergebnis, über das der Stadtrat zu befinden hat, solle die Stele auf dem Kurt-Rossa-Platz an den Völkermord zu erinnern.

Vahridsch am Mikrofon

Pfarrer Vahridsch Baghdasaryan sprach das Eröffnungsgebet der Feier

In einem Antrag, über den die BV nun abstimmen will, wird die Verwaltung beauftragt, eine Sondernutzungserlaubnis für ein Jahr zu erteilen. Am Montag lagen an der Stele viele Blumensträuße, und auf dem Sockel standen Schwarzweiß-Fotografien und Grablichter. Shakeh Zeynalian, Vorsitzende der mehr als 6000 Mitglieder zählenden Armenischen Gemeinde Köln, begrüßte gut 200 Gäste, darunter Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Innenstadt, und Bettina Baum, Leiterin des Amtes für Integration und Vielfalt. Pfarrer Vahridsch Baghdasaryan sprach das Eröffnungsgebet der Feier, die der Komitas-Chor der Gemeinde und Solisten musikalisch gestaltete.

Köln: Mahnmal für die Opfer des Genozids an den Armeniern darf stehenbleiben

Wie nah heutigen Armeniern der Völkermord geht, der im Osmanischen Reich mit Beteiligung des Deutschen Kaiserreichs geschah, wurde bei der Ansprache deutlich, die Stella Kaldirim vom Jugendausschuss der Gemeinde hielt: Wiederholt kämpfte sie mit den Tränen. Zahlreiche Berichte dokumentiertem, dass bei Massakern und Todesmärschen rund 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen seien. Sie sei froh, dass die Interessen der Gemeinde und der Initiative „Völkermord erinnern“, der sie für ihren jahrelangen Einsatz dankte, endlich Gehör fänden.

„Nicht nur angemessen, sondern dringend notwendig“ sei es, dass „unser Schmerz, der von Generation zu Generation tradiert wird“, seinen Ausdruck an diesem Platz und in dieser Form finde. Auch Rainer Will vom Katholischen Bildungswerk Köln hob hervor, dass die jungtürkischen Nationalisten ihre „systematische Vernichtungspolitik“ mit Wissen und unter dem Schutz des verbündeten Deutschen Kaiserreichs verfolgt hätten. Die letzte Verantwortung dafür habe „jene Person“ gehabt, „auf deren Reiterstandbild wir hier schauen“. Auch deshalb gebe es in Köln keinen „evidenteren Ort“, um an der Völkermord zu erinnern.

„Dieser Schmerz betrifft uns alle“

Die „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen“, zu deren Vorstand er gehört, habe im Juni 2022 einstimmig beschlossen, den Aufruf der Initiative „Völkermord erinnern“ zu unterstützen. Man fordere die Fraktionen im Stadtrat und die Oberbürgermeisterin auf, dem Mahnmal  hier „einen permanenten Platz zu verschaffen“, solange keine „befriedigende Gesamtlösung“ zum Umgang mit dem kolonialen Erbe gefunden sei.

Mit individuellen Geschichten erinnerte Talin Kalatas, Geschäftsführerin der Naturfreunde NRW, an das Leid weiblicher Opfer. Sie kenne „keine einzige armenisch-stämmige Familie, die nicht ihre eigene Geschichte aus der Zeit des Völkermords hat“. Diese Geschichten würden immer noch viel zu selten mit der Mehrheitsgesellschaft geteilt, und so bleibe der Schmerz der Nachfahren „bei ihnen selber“.

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