Die Stimme EuropasKölnerin Mina Andreeva ist Sprecherin der EU-Kommission

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Immer alle Hände voll zu tun: EU-Kommissionssprecherin Mina Andreeva.

Immer alle Hände voll zu tun: EU-Kommissionssprecherin Mina Andreeva.

  • Mina Andreeva hat in Brüssel als Sprecherin der EU-Kommission Karriere gemacht.
  • Sie wurde in Bulgarien geboren, aufgewachsen ist die 36-Jährige in Braunsfeld und Zollstock.
  • Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erinnert sie sich an eine historische Sitzung nach dem Brexit.

Köln – Mina Andreeva arbeitet quasi rund um die Uhr. Und deshalb ist die Zeit schon morgens knapp: „In meinem Job habe ich schnell gelernt, effizient zu sein, und Zeit zu sparen – das gilt vor allem morgens im Bad“, erzählt sie. „Während ich unter der Dusche die Nachrichten im Radio höre, überlege ich mir immer zwei Dinge: Erstens, was ist das Thema des Tages, und was werde ich dazu sagen? Und zweitens: was steht auf der Tagesordnung heute, und was ziehe ich dementsprechend an?“

Mina Andreeva ist die neue Chef-Sprecherin der EU-Kommission. Bis November wird sie diese anspruchsvolle Aufgabe erfüllen. Bislang war sie Vize des Chefsprechers der Kommission Margaritis Schinas, doch der wird nun selbst EU-Kommissar.

Mit Kleidung Botschaften senden

Die Kleidung sei nun einmal wichtig. Wenn etwa der Maltesische Premierminister zu Besuch bei Noch-EU-Präsident Jean-Claude Juncker ist, sollte das Outfit passend zu den Farben der Maltesischen Flagge rot und weiß sein, findet sie. Und wenn eine Podiumsdiskussion oder ein Europäischer Gipfel ansteht, dann bevorzuge sie das europäische blau. „Das Outfit ist immer auch eine Botschaft“, sagt sie. Und Botschaften sind ja schließlich ihr Elixier.

„Kanzlerin Merkel trägt ja auch nicht rein zufällig einen grünen Blazer auf dem Klimagipfel oder samtiges Weinrot auf Terminen in der Vorweihnachtszeit.“ Mit Mina Andreeva ist eine Kölnerin nicht nur Dienerin der europäischen Idee, sondern auch Deuterin politischer Entscheidungen der wichtigen EU-Institution. Die 36-Jährige ist in Braunsfeld und Zollstock aufgewachsen. Doch ganz so leicht ist die Sache nicht, wie ihr Name schon verrät. Denn sie ist in Bulgarien geboren.

Eigentlich aber schlägt in ihr das Herz einer echten Europäerin: „Ich habe zwei Pässe: einen bulgarischen und einen deutschen – sie sind für mich aber nicht mehr als Dokumente, denn ich fühle mich als Europäerin.“ Aber eben auch als Kölnerin, immerhin hat sie dort zehn Jahre verbracht und bringt es so auf den Punkt: „Ich bin ein kölsches Mädchen mit einem europäischen Touch.“ Na also.

Die Rolle des Sprechers ist im Hintergrund

Ob Kölnerin oder Europäerin, sie soll den noch mächtigsten Mann der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, so gut positionieren, wie es nur geht. Sie war bereits Sprecherin der bisherigen Justiz-Kommissarin Viviane Reding. Von ihr habe sie gelernt, dass immer ein Gesicht hinter der Politik sichtbar sein muss – was ihr bestens gelang. Für jedermann steht Reding für Roaming, Datenschutz oder die Rechte von Minderheiten. Auch ein Verdienst von Mina Andreeva. „Der beste Sprecher ist der Politiker selbst“, findet sie. Und die Rolle des Sprechers sei ohnedies im Hintergrund zu sehen, nur so gewinne der Politiker die nötige Konturenschärfe.

Einen normalen Tagesablauf gibt es bei ihr nicht – „und das ist das Spannende an meinem Job. Jeder Tag ist anders, und man kann nie genau wissen, was einen erwartet, da der Tagesablauf als Sprecherin der Europäischen Kommission von der Nachrichtenlage bestimmt wird“, sagt sie und zählt gleiche eine Reihe von Beispielen auf: Von Russlands Annexion der Krim, über US-Präsident Trumps Drohungen, europäische Autos mit Zöllen zu belegen, bis hin zu den neuesten Entwicklungen um den Brexit, auf alles müsse man täglich vorbereitet sein.

„Eines bleibt jedoch jeden Tag gleich: ich stehe um 6:30 Uhr mit den Nachrichten auf – ein Blick in die Presselandschaft der 28 EU-Mitgliedstaaten und das Radio stets an –, und der Tag endet meistens gegen Mitternacht mit einem Blick in die E-Papers vom morgigen Tag vorm Schlafengehen.“ Die Presse schlafe nun einmal nie und somit auch sie als Sprecherin kaum. „Aber das Adrenalin und das Verlangen, immer wissen zu wollen, was los ist, und das Weltgeschehen irgendwie mit zu beeinflussen, treiben mich an. Ich bin jeden Tag mit voller Leidenschaft dabei.“

Historische Sitzung nach dem Brexit

Was ihr am meisten Spaß bereite? „Meine Arbeit ist so abwechslungsreich, dass mir alles daran Spaß macht. Am Spannendsten finde ich es allerdings, wenn ich Präsident Juncker bei Dienstreisen begleiten darf. Etwa 2016, beim Europa-Asien Gipfel in Ulan-Bator in der Mongolei, bei dem 53 Staats- und Regierungschefs zusammenkamen, um eigentlich über die Beziehungen zwischen Asien und der Europäischen Union zu reden. Es kam aber alles ganz anders, da es das erste Mal war, dass die Staats- und Regierungschefs der EU nur einen Monat nach dem Brexit Referendum zusammenkamen. Ich erinnere mich an eine historische Sitzung von fünf Politikern, – unter ihnen Präsident Juncker und Kanzlerin Merkel -, die an diesem Abend beschlossen, dass die Europäische Union der 27 nach vorne schauen wird und ihre Zukunft in die Hand nimmt, statt sich nur auf den Brexit zu konzentrieren. Dieser Beschluss, dass der Brexit nicht die Zukunft der EU ist, und diese nicht bestimmen darf, wurde in der Mongolei an diesem Abend getroffen, und ist heute noch Programm.“

Am meisten imponiert hat ihr eine Deutsche. „Mir wird immer in Erinnerung bleiben, wie Kanzlerin Merkel 2015 die Kommission besucht hat, und ich die gemeinsame Pressekonferenz zwischen ihr und Präsident Juncker moderieren durfte. Ich war beeindruckt, wie gut die Kanzlerin alle europäischen Dossiers kannte – als ob sie nicht Kanzlerin Deutschlands, sondern Regierungschefin Europas ist! Und sie war zugleich äußerst menschlich: im Aufzug interessierte sie sich etwa dafür, wieso ich so gut Deutsch spreche, obwohl ich doch eigentlich Bulgarin bin.“

Der Wettbewerb in Brüssel ist hart

Die jetzige Chefsprecherin durchlief ein äußerst anspruchsvolles Prozedere, bis sie zu den leisen Dienern der EU-Kommissare zählte. In Maastricht schloss sie „Europäische Studien“ mit dem Bachelor ab, es folgten Praktika in den USA und Bulgarien, wo sie für die damalige Außenministerin Meglena Kunewa tätig war, die die erste bulgarische EU-Kommissarin wurde. Später studierte sie in Edinburgh Europäisches Recht. „Die klügsten Köpfe kommen in Brüssel zusammen, der Wettbewerb ist hart. Nur die Härtesten überleben.“ Und die Besten. Denn Mina Andreeva gilt stets als äußerst gut vorbereitet.

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Im Pressesaal beantwortet sie alle Fragen mit Präzision. Dort sitzen die Franzosen übrigens immer rechts, die Deutschen links gemeinsam mit den Italienern. „Grüppchen gibt es immer“, sagt Andreeva. Auch die Fragen seien landesspezifisch. „Die Franzosen mögen es, philosophische Fragen zu stellen, und benötigen so oft fünf Minuten, bis sie zum Punkt kommen.“ Die Deutschen hätten eher juristische Schwerpunkte. Sie sieht sich als Teamplayerin. „Ich spiele gerne Tennis, damit habe ich in Dellbrück angefangen, vor allem Doppel mag ich.“ Und sie spielte Handball in der Jugend des 1. FC Köln.

Auch in Brüssel „lese ich immer noch den „Kölner Stadt-Anzeiger“, verrät Mina Andreeva. Und in der Kneipe Maxburg würde sie mit Journalisten schon mal hin und wieder ein Bier trinken gehen. Vor allem deshalb, weil es dort Früh Kölsch gibt. Ein kölsches Mädchen mit europäischem Touch eben.

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