Köln nimmt AbschiedDoğan Akhanlı bleibt ein Hoffnungsträger

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Trauer um Doğan Akhanlı

Köln – Als er erfuhr, dass er sterben wird, sagte Doğan Akhanlı, dass er in Köln bestattet werden wolle, obwohl er vor zwei Jahren zu seiner Freundin nach Berlin gezogen war. „Ich bin ganz angekommen, weil ich jetzt weiß, dass ich völlig freiwillig in Köln lebe“, hatte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt, nachdem sich im Jahr 2010 viele Menschen aus der Stadt für seine Freilassung eingesetzt hatten. Von der „überwältigenden, glücklich machenden Solidarität vom Kölner Oberbürgermeister bis zum Obdachlosen“ hatte er gesprochen. 

In der Türkei inhaftiert worden war Akhanlı, als er seinen todkranken Vater besuchen wollte. Der Vater starb, als der Sohn noch im Gefängnis war. Später machte sich Doğan Akhanlı Vorwürfe, weil er gegen den Rat seiner Kinder in die Türkei gereist war.

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Trauerzug auf Melaten

Wie wichtig Solidarität ist für Menschen, denen von Unrechtsregimen ihre Heimat und Freiheit entrissen wird, kann wohl nur ermessen, wer je davon betroffen war. 

Für viele Menschen, die selbst Unrecht erfahren haben, war und bleibt der Schriftsteller Doğan Akhanlı ein Hoffnungsträger: Weil er über tabuisierte Themen wie den Genozid an den Armeniern schrieb, weil er für „transnationale Erinnerungsräume“ warb, während vielen schon das nationale Gedenken zu schwer war. Weil er trotz selbst erlittenen Unrechts lieber Fragen stellte als Antworten zu geben, lieber versöhnen wollte als spalten.

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Viele, die selbst Unrecht erfahren hatten, kamen auch zu Doğan Akhanlıs Trauerfeier: Die erst kürzlich aus der Haft in der Türkei freigekommene Sängerin Hozan Canê und ihre Tochter Gönül Örs fühlen sich Akhanlı ebenso verbunden wie Selami Gürel, der als junger Kommunist mit ihm in den Untergrund gegangen war.

Seine Trauerfeier am Donnerstagabend in der Alten Feuerwache und die Beisetzung am Freitag auf Melaten hätten dem Kosmopoliten Doğan Akhanlı gefallen: Aleviten waren da, Kurden und Armenier, Muslime, Christen, Juden, Atheisten und Agnostiker, viele Hundert, in Trauer um ihn, den großen Aufklärer und Versöhner, vereint. Der große Saal der Alten Feuerwache reichte nicht aus – die Trauerfeier wurde im Hof auf Leinwand übertragen und im Restaurant.

OB Reker schätzte Akhanlı 

Akhanlıs Bruder Erkan erinnerte an die Kindheit mit vielen Büchern in der türkischen Provinz, Publizist Osman Okkan an die Anfänge mit dem Kulturforum Türkei Deutschland in der Alten Feuerwache, Freund Albrecht Kieser an Akhanlıs Traum, ein Mahnmal für den Völkermord an den Armeniern könnte eines Tages das Reiterdenkmal für Kaiser Wilhelm II. am Heinrich-Böll-Platz ersetzen. Von seiner „Großherzigkeit“ sprach Eva Schaaf, eine Freundin, die Akhanlı im Allerweltshaus in Ehrenfeld kennengelernt hatte.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprach nicht, war aber da, weil sie Akhanlı schätzte. Dutzende Menschen schrieben im Hof der Alten Feuerwache Wünsche auf, die zu einem Buch zusammengefasst werden sollen. Eingedenk eines Lieblingssatzes des Erinnerungskünstlers Doğan Akhanlı von Gabriel García Márquez, der auf einer Postkarte zu Ehren des Verstorbenen abgedruckt war: „Nicht was wir gelebt haben, ist das Leben, sondern das, was wir erinnern und wie wir es erinnern, um davon zu erzählen.“ 

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