In einer unguten Situation Kölns ergehen sich die OB-Kandidaten bisher weitgehend in Wohlgefühl.
Elf Wochen vor WahlKölner OB-Kandidaten liefern wohlgefühlige Allgemeinplätze statt konkreter Ideen


Die drei OB-Kandidaten Berivan Aymaz (Grüne), Markus Greitemann (CDU) und Thorsten Burmester (SPD) bei einer Podiumsdiskussion mit Gerald Selch (Chefredakteur Kölner Stadt-Anzeiger, nicht im Bild) und Sarah Brasack (Zweite von links, Stellvertretende Chefredakteurin).
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Es sind nicht einmal mehr drei Monate, dann wählt Köln ein neues Stadtparlament und eine neue Stadtspitze. Die bisherigen Ratsmitglieder und Amtsinhaber, das lässt sich jetzt schon sagen, übergeben die Stadt leider in einem weitgehend wenig erfreulichen Zustand.
Überraschenderweise vermitteln jedoch weder die Parteien noch die Kandidatinnen und Kandidaten, die die Nachfolge von Henriette Reker als Stadtoberhaupt wollen, den Eindruck, dass sie am mittelmäßigen Bild der Stadt allzu viel ändern wollten. Weitgehend vermeiden die OB-Anwärter der großen Parteien – zumindest in den Selbstpräsentationen auf ihren Webseiten und den sozialen Medien – konkrete Situationsbeschreibungen oder gar Lösungsansätze für die drängendsten Probleme wie Verkehr und Baustellen, aus dem Ruder laufende Bauvorhaben, den Klimawandel oder die Verwahrlosung öffentlicher Räume wie dem Neumarkt. Auch unsere Serie „100 Ideen für Köln“ bietet hier jede Menge Anregungen. Stattdessen: viel Luftiges und schöne Worte.
Kölner OB-Kandidaten fehlt es an konkreten Lösungsansätzen
So dichtet Berivan Aymaz, die für die Grünen antritt, auf ihrer Homepage: „Mir ist wichtig, dass das Leben in Köln lebenswert, bezahlbar und im besten Sinne inspirierend bleibt.“ SPD-Kandidat Torsten Burmester will immerhin „zuhören, verstehen, handeln“. Wo genau, bleibt indes bislang weitgehend offen. Schlagworte wie „moderner Wirtschaftsstandort“, „bezahlbarer Wohnraum“, „Sicherheit und Sauberkeit“ ersetzen bislang konkrete Vorhaben und Ideen. Und der Kandidat der CDU, Baudezernent Markus Greitemann? Sein Internetauftritt existiert noch nicht einmal. „Geht bald online“, heißt es auf den Seiten der CDU Köln. Wie gesagt, noch elf Wochen bis zur Wahl.
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Das sind keine allzu guten Aussichten angesichts der Tatsache, dass – bei allem Respekt vor den Bewerbern der kleineren Parteien und den Einzelkämpfern – eine oder einer der drei demnächst die Geschicke der viertgrößten Stadt Deutschlands lenken wird. Das sind aber vor allem keine guten Aussichten, wenn man die aktuell höchst ungute Situation betrachtet, in der sich Köln befindet.
Ein Mentalitätswandel muss her, verbunden mit Problembewusstsein, vor allem aber mit echter Lösungskompetenz
Nur ein kurzer Blick auf die Nachrichten der vergangenen Tage: Die Sanierung der Mülheimer Brücke wird 196 Millionen Euro teurer und verlängert sich um mehr als ein Jahr. Die Verwaltung ist mit der dringend notwendigen Verlängerung der KVB-Linie 4 nach Widdersdorf und Brauweiler komplett überfordert und gibt die Planung an den Rhein-Erft-Kreis ab. Eine trotz eines klaren Ratsbeschlusses fehlende Kaufoption im Mietvertrag für das Technische Rathaus in Deutz kostet Köln Millionen. Und seit gestern ist klar, dass sich die KVB bei den Kosten für 132 dringend notwendige Stadtbahnen um rund 120 Millionen Euro verschätzt hat. Der Gesamtauftrag liegt damit bei rund 700 Millionen.
Probleme in Köln gibt es genug
Dass derweil städtische Dienststellen – insbesondere die Bühnen, in deren Bereich mit der aus dem Ruder gelaufenen Opernhaus-Sanierung (Gesamtkosten zur Zeit: knapp 800 Millionen Euro) das größte Debakel fällt— auf Kosten der Steuerzahler fröhliche Feiern und launige Ausflüge in hoher Taktung machen, fällt finanziell nicht so sehr ins Gewicht. Es zeigt aber, dass sich in der Verwaltung eine ungute Uns-doch-egal-Mentalität eingenistet hat.
Auf das neue Stadtoberhaupt und den neuen Rat wartet also nicht nur unendlich viel Arbeit. Nein, das eigentliche Anforderungsprofil ist noch umfangreicher: Ein Mentalitätswandel muss her, verbunden mit Problembewusstsein, vor allem aber mit echter Lösungskompetenz. Der erste Schritt für jeden Bewerber wäre es aber, beides – die Probleme und eigene Strategien zur Abhilfe – deutlich zu benennen, statt vor allem mit wohlgefühligen Allgemeinplätzen zu werben. Nur dann hätte Köln eine echte Wahl.