Rentner totgefahrenKölner Richterin übersieht Vorstrafen und fällt ein mildes Urteil

Lesezeit 3 Minuten
fahrlässige_tötung_köln (1)

Die Angeklagte mit Verteidiger Michael M. Lang, rechts Richterin Nadine Reimer.

Köln – Mit einer irritierenden Aussage hat eine Kölner Amtsrichterin am Donnerstag eine milde Geldstrafe für eine Autofahrerin begründet, die einen Senior auf einem Zebrastreifen überfahren hatte. Der Mann starb einige Tage später in der Klinik. Die vorhandenen Vorstrafen der Angeklagten hätten „keinen Bezug zum Straßenverkehr“ und könnten somit auch nicht strafschärfend gewertet werden, sagte Richterin Nadine Reimer. Dabei war die Dame aufgrund von Verkehrsdelikten bereits verurteilt.

Anwalt: Nicht mit dem Handy gespielt

Im April 2019 war die beschuldigte Arzthelferin und mobile Altenpflegerin mit ihrem Auto auf der Bachemer Straße unterwegs, als sie im Bereich des Hildegardis-Krankenhauses für einen Moment abgelenkt war. Warum, das wisse sie nicht mehr, erklärte ihr Verteidiger Michael M. Lang, „sie sagt aber, sie habe nicht telefoniert und nicht mit dem Handy gespielt.“ Vielleicht habe sie etwas am Straßenrand beobachtet. „Ich höre noch das Quietschen der Reifen und den Aufprall“, habe die Mandantin erklärt.

Der 73-jährige Fußgänger wurde von dem Auto an der linken Körperhälfte erfasst und mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Er erlitt Knochenbrüche im Gesicht und eine Hirnblutung, wurde operiert und kam auf die Intensivstation. Aufgrund eines erhöhten Stresslevels bildeten sich in der Folgezeit Löcher in der Luftröhre des Patienten. Es kam zu erheblichem Blutverlust, der letztlich rund drei Wochen nach dem Unfall zum Tod des Mannes führte.

Fußgänger mit 30 Stundenkilometern erwischt

„Meine Mandantin leidet ganz erheblich unter dem Geschehen“, so Verteidiger Lang. Die 46-Jährige könne die Bilder von Zeit zu Zeit ausblenden, aber sie kämen immer wieder hoch. Lang sprach von einer Verkettung von unglücklichen Umständen, zu denen das Stresssymptom in der Klinik zähle und auch, dass das Unfallopfer wohl fast taub war und dadurch das herannahende Auto nicht gehört habe. Allerdings hatte die Angeklagte laut Staatsanwaltschaft eine freie Sicht auf die Straße.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Autofahrerin hatte noch eine Vollbremsung getätigt, den Senior aber noch mit etwa 30 Stundenkilometern getroffen, wie ein Verkehrsgutachter aufgrund der Bremsspuren rekonstruiert hatte. Demnach hatte die Autofahrerin mindestens 1,2 Sekunden nicht auf die Straße geachtet, ansonsten hätte der Unfall verhindert werden können. „Es war ein Augenblicksversagen“, sagte der Verteidiger. Jeder Autofahrer kenne solche brenzligen Situationen, die oft gut ausgingen.

Auszug aus Vorstrafenregister aus Akte verschwunden

Richterin Reimer wollte dann die Vorbelastungen der Angeklagten prüfen. Doch der Auszug aus der Verkehrssünderkartei lag nicht vor. Dazu war der Auszug aus dem Vorstrafenregister aus der Akte verschwunden. „Ich habe noch einen, aber der ist zwei Jahre alt“, sagte der Staatsanwalt.

Immerhin fanden sich dort mehrere Betrugstaten. Und eine Geldstrafe wegen dreifacher Urkundenfälschen und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Weiter erörtert wurde das trotz Anregung des Staatsanwalts aber nicht.

Bereits aufgrund von Verkehrsdelikten verurteilt

Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte die Angeklagte mehrfach falsche Nummernschilder für ihr Auto verwendet und war nach Entzug des Führerscheins weiter ins Auto gestiegen. 2700 Euro Geldstrafe hatte das Amtsgericht Bergisch Gladbach im Januar 2019 dafür ausgesprochen, nur wenige Monate vor dem tödlichen Unfall. Bewusst war das der Kölner Amtsrichterin offenbar nicht, als sie die Angeklagte als tadellose Autofahrerin darstellte.

Richterin Reimer verhängte am Ende eine Geldstrafe von 7200 Euro (180 Tagessätze zu je 40 Euro). Die Autofahrerin habe sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, die „schlimmstmöglichen Folgen“ seien eingetreten. „Der Grund für den Unfall war nicht mehr aufzuklären“, so Reimer. Der Staatsanwalt hatte eine Strafe von sechs Monaten Haft auf Bewährung gefordert. Das kontrovers erscheinende Urteil wurde nicht rechtskräftig, Berufung oder Revision sind noch möglich.

KStA abonnieren