Wohnungsnot in KölnSchließung von Baulücken und Aufstockungen als Rettung?

Lesezeit 4 Minuten
Baulücken und Aufstockungspotenzial: In Sülz finden sich viele Gebäude, die Nachverdichtung ermöglichen

Baulücken und Aufstockungspotenzial: In Sülz finden sich viele Gebäude, die Nachverdichtung ermöglichen

Köln – Mit einer detaillierten Recherche hat sich eine Masterstudentin der Technischen Universität (TU) Darmstadt auf die Suche nach Wohnungsbaupotenzialen in Sülz gemacht. Die Forschungsarbeit von Julika Wilken hat im Stadtteil ein Areal mit mehr als 1500 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern untersucht. Ihr Ergebnis: 41 existierende Gebäude und Freiflächen eignen sich für Aufstockungen und Lückenschlüsse. 

Für neun weitere Grundstücke schlägt sie einen Abriss des Bestands und einen Neubau vor. So würden 136 zusätzliche Wohnungen mit einer durchschnittlichen Fläche von 75 Quadratmetern entstehen können. Das entspricht einem Plus von fast neun Prozent.

Großes Potential in gültigem Kölner Bebauungsplan

Ein noch größeres Potenzial ergibt sich, wenn die Stadt den gültigen Bebauungsplan für das Quartier und das Land eine einschränkende gesetzliche Vorgabe ändern würde. Unter dieser Voraussetzung könnten 42 Gebäude weiter aufgestockt sowie ein Hinterhof neu bebaut werden. So entstünden weitere 121 Wohnungen. Das entspräche dann insgesamt einem Plus von fast 17 Prozent – eine beeindruckende Zahl.

Auch Hinterhöfe bieten Potenziale für neue Wohnungen

Auch Hinterhöfe bieten Potenziale für neue Wohnungen

Hinzu kommt, dass keine zusätzlichen Bodenkosten anfallen. Straßen sowie Kanal- und Stromanschlüsse sind vorhanden. Und weil hässliche Lücken verschwinden, gewänne auch das städtebauliche Gesamtbild des Viertels. Könnte man die Ergebnisse der Studie auf die Innenstadt und die angrenzenden Stadtteile hochrechnen, ergäbe sich ein enormes Potenzial um den Mangel in der Stadt zu bekämpfen – ohne Freiflächen bebauen zu müssen.

Freiflächen in Köln müssten für den Bau geopfert werden

Die Studie ist genau wie eine aktuelle Untersuchung des Pestel Instituts in Hannover eine Traumvorlage für Kritiker des derzeitigen Kurses der Stadt Köln, der davon ausgeht, dass man auch Freiflächen für den Bau von Wohnungen, Schulen, Kitas und Sportplätzen opfern muss. Der Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND, nutzt die Forschungsarbeit der TU Darmstadt bereits als Argument gegen die Änderungen des so genannten Regionalplans, in dem die Stadt 824 Hektar an freien Flächen für eine Bebauung in die Diskussion einbringt. Hinzu kommen die vielen Flächen, für die es bereits Beschlüsse gibt, wie den Bau des neuen Stadtteils Kreuzfeld im Kölner Norden. Auch solche Projekte stellt der BUND in Frage.

Das Thema wird im kommenden Kommunalwahlkampf eine wichtige Rolle spielen, auch weil die Grünen in eine ähnliche Richtung wollen. Sie schließen Projekte wie Kreuzfeld nicht aus, setzen aber „vorrangig auf Nachverdichtung sowie den Wohnungsbau auf bereits versiegelten Flächen“, wie es in den jüngst beschlossenen „grünen Lösungsansätzen für die Stadt der Zukunft“ heißt. „Unser Ziel ist es, unnötige Versiegelung zu vermeiden, denn die Flächen in Köln sind endlich und der Kurs des unbegrenzten Wachstums der Stadt kann kein Zukunftsmodell sein.“ Da kommen Studien wie die der TU Darmstadt zur richtigen Zeit.

Erhebliche Potenziale zur Nachverdichtung in Köln

Architekturstudentin Wilken weiß offensichtlich nicht, wie ihre Arbeit in der aktuellen kommunalpolitischen Diskussion in Köln vom BUND interpretiert wird und bereits Thema einer Pressekonferenz war. Ihre sorgfältige Arbeit belegt tatsächlich, dass es erhebliche Potenziale zur Nachverdichtung gibt.

Klassische „Mindernutzung“: Garagen statt Wohnungen

Klassische „Mindernutzung“: Garagen statt Wohnungen

Dass die wohnungspolitischen Probleme auf diese Weise umfassend in den Griff zu bekommen sind, behauptet die Arbeit allerdings nicht. Sie habe zeigen wollen, wie viel Potenzial in der städtischen Nachverdichtung steckt, so Wilken zum „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Meiner Meinung nach könnte durchaus ein Großteil des Wohnraumbedarfs durch Aufstockung und das Schließen von Baulücken gedeckt werden.“ Die Stadt könne mehr tun.

19 Prozent zusätzliche Wohnungen seien unwahrscheinlich

Wilken benennt in ihrer Arbeit selbst einige Probleme, die Aufstockungen und Baulückenschließungen verhindern. Das Szenario, nach Änderungen des Bebauungsplans und des Baugesetzbuches bis zu 19 Prozent zusätzliche Wohnungen zu schaffen, hält sie selber für recht unwahrscheinlich.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die größten Hindernisse bei dem Versuch die Potenziale zu heben, deutet die Studie durchaus an. Schon heute gibt es gerade in den dicht besiedelten Stadtvierteln Probleme mit der Infrastruktur. Es mangelt an Schul- und Kitaplätzen. Radikale Veränderung in der Verkehrspolitik wären nötig, weil schon heute der Parkraum knapp und die Straßen verstopft sind. Das größte Hindernis solcher Verdichtungspläne ist jedoch das Recht jedes Eigentümers, selbst zu entscheiden, ob er aufstocken will oder nicht. „Es ist ziemlich dreist, was der BUND aus der Studie macht“, sagt Hermann Jutkeit, Vorstand der Wohnungsbauinitiative Köln (WIK), einem Zusammenschluss von Unternehmen der Wohnungswirtschaft.

Durchaus erfolgreiches Baulückenprogramm der Stadt Köln

Studien wie die der TU Darmstadt seien „sinnvolle Anregungen“, und es sei richtig, alle Möglichkeiten und Einzelfälle zu prüfen. „Nachverdichtung ist wichtig. Aber die Dimensionen sind sehr viel kleiner, als suggeriert wird.“ Die WIK verweist auf die Erfahrungen mit dem durchaus erfolgreichen Baulückenprogramm der Stadt. Dort, wo immer noch Lücken seien, habe das Gründe, die nur schwer auszuräumen sind. Man könne die Eigentümer nicht zwingen, so Jutkeit. Bei Eigentümergemeinschaften reiche ein „Nein“, um einen Dachgeschossausbau mit vielen neuen Wohnungen zu verhindern. Außerdem sei es ökologisch gar nicht sinnvoll, die innerstädtischen Bereiche weiter zuzubauen. Auch hier brauche man Freiflächen, mehr Grün und Belüftungsschneisen.

Bis heute sind die Folgen des Krieges sichtbar

Bis heute sind die Folgen des Krieges sichtbar

Der BUND will an seiner Forderung festhalten, dass die Stadt keine Freiflächen opfern darf. Er fordert eine Veränderung der Rahmenbedingungen, um Widerstände von Hauseigentümern zu überwinden. Mehr Spielraum für Zwangsmaßnahmen könne durchaus ein Mittel sein, so BUND-Vorstand Helmut Röscheisen. „Eleganter“ sei jedoch, neue Anreize durch Förderprogramme zu entwickeln.

KStA abonnieren