Zu schnelle Vorurteile„Seit der Silvesternacht in Köln hat sich etwas verändert“

Murat Demirci mag nicht, dass Junkies öffentlich Drogen konsumieren und möchte nicht dauern vorverurteilt werden.
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- Wie reagieren wildfremde Kölner – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
- Unsere Autorin hat in dieser Folge „Zwei Kaffee” Murat Demirci getroffen, dem Köln eigentlich gut gefällt – ein paar Sachen stören ihn dann aber doch, wie zum Beispiel die vielen Baustellen oder die „Junkies“.
- Außerdem spricht er über die Silvesternacht und seine eigenen Erfahrungen.
Köln – An manchen Hochsommertagen sollte sich diese Rubrik besser hitzefrei nehmen, weil bei 30 Grad und mehr die Wahrscheinlichkeit, keinen fotografierenden Asiaten auf der Domplatte anzutreffen fast größer ist, als einen willigen Kaffeetrinker einzufangen. Bei Murat Demirci habe ich jedoch Glück, weil er sich eh schon für einen cold brewed coffee, einen kalt gebrühten Kaffee entschieden hatte.
„Ich mag die offene Art der Leute“
Ich treffe den freundlichen 39-Jährigen auf der Friesenstraße. Ob es irgendein Thema gebe, was ihn zurzeit besonders beschäftige, freue oder ärgere, frage ich. Ihn störten die vielen Baustellen, sagt der Kölner. „Und die Junkies, die auf den U-Bahn-Haltestellen abhängen. Ich finde es einfach nicht schön, für die älteren Leute oder vor allem für Kinder, die das sehen.“ Wenn die da entweder öffentlich dealten, Drogen konsumierten oder Alkohol tränken, mache das den Passanten ja vielleicht auch Angst.
Ich nicke und sage: „Aber man kann all die Menschen, die vielleicht unseren Blick stören oder als Problem wahrgenommen werden, nicht aus der Stadt vertreiben. „Klar, brauchen die Anlaufstellen, denen muss ja auch geholfen werden“, erwidert Demirci. Trotzdem sei es nicht schön, mit ansehen zu müssen, wie sich Drogenabhängige am Fotofix-Automaten ihren Nachschub gäben. „Oder wie die da einfach vor sich hinvegetieren.“
Ansonsten, sagt der Kölner, fühle er sich sehr wohl in dieser Stadt. „Ich mag die offene Art der Leute.“
Keine Vorurteile, sondern selber erstmal ein Bild machen
Ich frage ihn, ob er, ob er aufgrund seines Aussehens auch Anfeindungen erlebe. Davon sei er bisher weitgehend verschont geblieben, antwortet der 31-Jährige lächelnd. Aber man merke schon seit der berühmt gewordenen Silvesternacht, dass sich etwas geändert habe.
„Man merkt den Leuten die Angst oder Unsicherheit an, sieht, wie sie plötzlich ihre Taschen festhalten. Das ist das Traurige, dass einen die Leute so schnell vorverurteilen. Es ist etwas normal geworden, was eigentlich nicht normal sein sollte. Man wird in einen Topf geworfen mit denen, die Scheiße bauen. Und daran haben die Medien einen großen Einfluss, denn die schüren Angst und betreiben Panikmache.“
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Murat Demirci nimmt einen Schluck von seinem kalten Kaffee und sagt: „Wenn ich einen längeren Bart trage, denkt man gleich an den IS.“ „Lassen Sie ihn deswegen kurz?“ Mein Gegenüber lacht. „Nö, das ist bei mir saisonabhängig.“ Was ihn jedoch ärgere, sei, dass jemand mit einem blonden langen Bart unbehelligt bleibe. Dabei könne das genauso gut ein Krimineller sein. Man dürfe keinen Vorurteile haben, sondern müsse sich erstmal selber ein Bild machen, meint mein Gegenüber.
Dem FC die erste Liga sichern
„Was würden Sie tun, wenn Sie einen Wunsch frei hätten?“, frage ich. „Ich würde dafür sorgen, dass der FC dauerhaft in der ersten Liga bleibt und diese Fahrstuhl-Zeit – Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, und so weiter – endlich aufhört. Und ich würde mehr Wohnungen bereitstellen. Für die »normalen« Menschen.“ Man werde ja inzwischen nicht mal mehr zu Besichtigungen eingeladen. „Es geht alles nur über Beziehungen. Klüngel halt.“