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14 Jahre späterNach Tod von Bekanntem – Darum muss ein Kölner jetzt doch ins Gefängnis

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Der Angeklagte beim Prozess im Kölner Landgericht

Der Angeklagte beim Prozess im Kölner Landgericht

Der ungewöhnliche „Cold Case“ endete vor dem Kölner Landgericht mit einer Verurteilung.

Es war ein „Cold Case“ der besonderen Art, den das Landgericht im Fall eines im November 2011 in Vingst getöteten Mannes nun zu einem Abschluss gebracht hat. Anders als bei den meisten ungeklärten Verbrechen war der nun zu vier Jahren Haft verurteilte Täter den Ermittlern nämlich von Anfang an bekannt. Die Staatsanwaltschaft hatte jedoch zunächst keinen hinreichenden Tatverdacht gesehen. Das änderte sich erst, als die Akte kurz vor der Verjährung noch einmal aus dem Archiv geholt wurde.

Köln: Durchtrennte Sehne führte zu starkem Blutverlust

Das Kölner Landgericht verurteilte den heute 61-jährigen Adam R. wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Nach einem Trinkgelage in der Wohnung des Opfers sei es aus ungeklärtem Anlass zum Streit gekommen. Der Beschuldigte habe dann in der Küche zu einem Brotmesser und zwei weiteren Schneidewerkzeugen gegriffen. Von 26 Schnitten sprach Richterin Sibylle Grassmann. Die Klinge mit Wellenschliff traf Gesicht, Hals, Brust, Arme und Beine des damals 45-jährigen Geschädigten.

November 2011: Bestatter transportieren den Leichnam aus der Wohnung in Vingst ab.

November 2011: Bestatter transportieren den Leichnam aus der Wohnung in Vingst ab.

Oberflächlich seien die Schnitte gewesen – bis auf einen, den tödlichen. Am linken Handrücken des Opfers sei eine Sehne durchtrennt worden, „ein sehr sensibler Bereich“, so die Richterin. Die Wunde blutete stark. Eine erhebliche Menge an Blut sei in das Sofa im Wohnzimmer eingesickert und auf den Boden getropft, so hieß es in der Anklageschrift. Nur wenige Minuten später sei der 45-Jährige gestorben. Adam R. habe die Leiche umgelagert, die Messer zurückgelegt und sei gegangen.

Stunden später sei der Angeklagte in einem nahegelegenen Kiosk aufgetaucht. „Kollege tot, Katastrophe“, sagte der Mann aufgeregt. Der Mitarbeiter rief die Polizei. Behelligt wurde Adam R. trotz zwischenzeitlicher Festnahme aber nicht mehr. Wie die Polizei damals mitteilte, sei ein Fremdverschulden am Tod des 45-Jährigen laut Obduktion auszuschließen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei der herzkranke Mann an den Folgen exzessiven Alkoholkonsums und der Einnahme von Tabletten verstorben.

Köln: Neubewertung des Falls führte zu Anklage der Staatsanwaltschaft

„Cold Case“-Ermittler bewerteten den Fall aber jüngst neu. Und fanden heraus, dass der Angeklagte zehn Monate vor der Messerattacke schon eine ähnliche Tat begangen hatte. So habe er in derselben Wohnung einen Mann und auch sich selbst mit einem Messer verletzt, ebenfalls bei einem Gelage. Lediglich sechs Monate Haft wegen Vollrauschs hatte Adam R. dafür erhalten, „der Angeklagte ist damals vor dem Amtsgericht also sehr glimpflich davongekommen“, stellte Richterin Grassmann fest.

Im Jahr 2014 folgt die nächste Bluttat. Wieder befindet sich Adam R. in einer fremden Wohnung, wieder attackiert er den Bewohner mit einem Messer. „Erst oberflächlich am Hals, doch dann folgte ein tiefer Stich in die Brust“, erklärte die Richterin. Mehr als sechs Jahre Gefängnis wegen Totschlags erhielt er dafür. Für die Ermittler war auch diese Tat der Anlass, sich mit dem Fall von 2011 und vor allem dem Verletzungsbild des in Vingst gestorbenen Mannes noch einmal genauer zu beschäftigen.

Das Landgericht stellte nun fest, dass das Opfer nicht nur an seinen Vorerkrankungen, sondern auch an dem Schnitt in der Hand gestorben sei. Dass der Mann sich die Schnittverletzungen selbst zugefügt habe, schloss die Schwurgerichtskammer aus. Die Schwester des Verstorbenen wurde von den Prozessbeteiligten gefragt, ob ihr Bruder womöglich Selbstmordgedanken gehegt habe. „Nein, das glaube ich nicht“, antwortete die 50-Jährige, „er hatte viel zu große Angst vor dem Tod.“

Köln: Verteidiger will gegen das Hafturteil vorgehen

Es sei aber davon auszugehen, dass der Mann sich kaum gewehrt habe, erklärte die Richterin. Er hatte 3,4 Promille Alkohol im Blut und befand sich somit wohl in einem schweren Rauschzustand. Ihr Bruder habe den Wunsch gehegt, sein Leben in Zukunft ohne Alkohol bestreiten zu können, hatte die Schwester im Zeugenstand ausgesagt. Er sei zur Therapie mehrfach in der Klinik gewesen. Noch zwei Tage vor seinem Tod habe die Zeugin Kontakt zu ihrem Bruder gehabt. „Da hat er viel gelacht“, sagte sie.

Schon seit seinem 17. Lebensjahr habe Alkohol das Leben des Verurteilten geprägt, stellte die Richterin fest. Vor 25 Jahren habe der Mann seine Heimat Polen verlassen, sei in Köln gelandet und habe hier auf Baustellen gearbeitet. Nach der Trennung von seiner Partnerin im Jahr 2009 habe sich das Alkoholproblem verschärft. Bis zu zwei Flaschen Wodka habe Adam R. pro Tag konsumiert. Der Fall ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Verteidiger hatte Freispruch beantragt und geht in Revision.