Filz Gnoss in der Apostelnstraße hat den Sprung in die Zukunft geschafft. Dabei half auch der Zeitgeist.
Kölner TraditionsgeschäftWie Filz Gnoss es geschafft hat, 100 Jahre alt zu werden

Das Kölner Geschäft Filz Gnoss in den Anfangsjahren
Copyright: Filz Gnoss
Die Vergangenheit bei Filz Gnoss war grau, höchstens mal ein bisschen weiß. Als die Geschwister Gnoss die Firma vor 100 Jahren in der Apostelnstraße gründeten, da gab es grauen Filz als Dämm-Material für Maschinen, grauen Filz zum Polieren und als Puffer für Walzen. Und dann gab es noch den teureren, weißen Merinofilz für besonders empfindliche Geräte. So blieb die Farbwelt über Jahrzehnte. Ulrich von Kannen (heute 80), machte mit 16 Jahren seine Lehre bei Gnoss und erinnert sich: „Früher habe ich noch ballenweise Filz zum Beispiel zu Felten und Guilleaume nach Mülheim gefahren.“
Köln: Filz Gnoss verkaufte Riesen-Pantoffeln für Museen
Der sehr viele kleinere Teil des Umsatzes wurde im Ladengeschäft mit Unterlagen für ratternde Nähmaschinen und klappernde Schreibmaschinen gemacht. Auch die schweren Vorhänge für die Eingangstüren von Kneipen und die großen Pantoffeln, in denen Besucher durch Schlösser und Museen schlurfen, wurden hier verkauft. Filz war auch schon damals eine nischige Angelegenheit – außer Gnoss habe es nur noch ein weiteres Fachgeschäft in München, sagt Ulrich von Kannen.

Ulrich von Kannen, jahrzehntelang Chef von Filz Gnoss, 1999 mit dem Filzpantoffelagebot.
Copyright: Holubovsky/ Archiv KStA
Ein bisschen Glanz kam in die Hütte, als der Künstler Josef Beuys Filz salonfähig machte, zum Beispiel mit seinen „Filzanzug“ von 1970 – Symbol für die lebenserhaltende Wärme und das Archaische des Materials. Dass Beuys selbst einmal im Laden war, daran kann sich Ulrich von Kannen nicht erinnern. „Aber es waren einige seiner Schüler da.“ Und auch Besitzer, die Hilfe brauchten, weil in ihre Beuys-Werke mit der Zeit Motten eingezogen waren. Da hat von Kannen kurzerhand die Filzstücke ausgetauscht und auch schon mal ein Stückchen echten Beuys nachgemacht. „Ich habe gesagt: Den Schnitt kann ich auch“, sagt er und lacht. Für einen anderen Künstler schnitt er einmal eine Sitzgruppe aus massivem Filz zu – Wert ungefähr 3000 Euro.
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Der Filz-Boom half Filz Gnoss über die Krise hinweg
Doch von solchen Kabinettstücken kann ein Geschäft natürlich nicht existieren. Und mit der Zeit ließ auch die Nachfrage nach technischem Filz nach. Ulrich von Kannen entschloss sich trotzdem 1990 – er hatte inzwischen die aus Spanien stammende Näherin, die für Gnoss arbeitete, geheiratet – das Geschäft zu übernehmen. „Die erste Zeit war sehr hart.“ Filz Gnoss drohte das Schicksal anderer Traditionsgeschäfte, deren Sortiment einfach nicht mehr gefragt war.

Filz Gnoss befindet sich noch immer an derselben Stelle auf der Apostelnstraße.
Copyright: Filz Gnoss
„Doch dann kam etwa um das Jahr 2000 der Filz-Boom. Und der hat uns gerettet.“ Der Zeitgeist ging hin zur Nachhaltigkeit, zu natürlichen Materialien – und da war Filz genau das Richtige. „Das hat einfach Tradition, die Jurten in Sibirien sind ja auch aus Filz.“ Und plötzlich wurde die graue Welt ganz bunt, auch im Schaufenster auf der Apostelnstraße. In allen Farben gab es Dekomaterialien, Untersetzer, Tischsets, Schlüsselanhänger, Handyhüllen, Taschen – oft mit dem Dom als Logo. Seit 2011 führen Sohn Raimundo und Schwiegertochter Kerstin Aparicio mit großem Schwung und vielen Ideen den Laden. „Ich bin hier aufgewachsen, das ist meine Welt“, sagt Raimundo Aparicio.
Stand auf dem Weihnachtsmarkt am Dom brachte viele Kunden
Selber zu filzen war in und die Kunden kauften Wolle als Rohmaterial und Werkzeuge bei Gnoss. „Die Wolle haben wir Märchenwolle genannt, das machte das Filzen vor allem für Kinder sehr spannend“, sagt Kerstin Aparicio. Einen großen Bekanntsheitsschub gab es durch den Gnoss-Stand auf dem Weihnachtsmarkt am Dom. Der Renner waren unter anderem Filzsohlen gegen die Kälte. „Ich habe den ganzen Morgen zugeschnitten“, sagt Ulrich von Kannen. Frauen hätten die Sohlen in weiser Voraussicht sofort gekauft, die Männer seien dann sehr kleinlaut nach der ersten Runde um den Markt gekommen, als sie schon kalte Füße hatten.

Bunte Köln-Souvenirs von Filz Gnoss
Copyright: Filz Gnoss
Und heute wie früher kommt immer wieder die Frage: Warum sind Sachen aus Filz eigentlich so teuer? Denn wenn etwas „verfilzt“ ist, gilt das ja gemeinhin eher als minderwertig. Dabei besteht Filz aus sehr, sehr viel hochwertiger Wolle. Allein die Verarbeitung mit mehrfachem Walke, Färben und Spülen dauert in einer modernen Fabrik vier Tage. Für einen Quadratmeter Dekorationsfilz braucht man 1,5 Kilogramm Wolle, er kostet 125 Euro. Für den wollweißen Merinofilz werden sogar 1,8 Kilogramm pro Quadratmeter mit einer Dicke von fünf Millimetern verarbeitet.

Kerstin und Raimundo Aparicio haben das Geschäft 2011 übernommen.
Copyright: Filz Gnoss
Heute wird der Umsatz zu 90 Prozent mit Dekoartikeln gemacht, sagen die Aparicios. Die Tochter des Paares hat dafür auch den Internetauftritt entsprechend erneuert. Am 21. Juni wird der 100. Geburtstag von Filz Gnoss gefeiert. Bürgermeister Andreas Wolter gratuliert und Bananen-Sprayer Thomas Baumgärtel hat eine 100er-Sonderauflage seines Bananen-Logos in Filz produziert. In den Wochen danach soll es dann Aktionen geben, unter anderem Führungen hinter den Kulissen.
Ulrich von Kannen wird auch dabei sein. Er kommt mit seinen 80 Jahren immer noch jeden Mittwoch ins Geschäft und hilft beim Verkauf und Zuschnitt. Und schwärmt nach wie vor von den Filzprodukten. Zum Beispiel den Pantoffeln. Latschen für Museen gibt es noch immer. Auch wenn die Häuser immer mehr sparen müssen. Früher waren die Pantoffeln aus einem Stück und kosteten 80 Euro, heute sind sie aus mehreren Stücken zusammengenäht und kosten um die 23 Euro. Er schwört auch im trauten Heim auf Filzpantoffeln. „Wer die einmal hatte, der will nichts anderes mehr. Da kriegt man nie Schweißfüße.“ Allerdings nur, wenn es reine Wolle ist. „Die mit Synthetik drin, die findet man nach kurzer Zeit auch im Dunkeln.“